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"Hausfrauen rate ich von Scheidung ab"

Die Anwältin Gisela Friedrichs weiß, worauf Ex-Frauen in Sachen Unterhalt hoffen dürfen. Und worauf nicht.

BRIGITTE WOMAN: Frau Friedrichs, am 1. Januar 2008 trat das "Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts" in Kraft. Seither müssen auch lange verheiratete Frauen, die der Kinder wegen den Beruf aufgegeben haben, nach dem Ehe-Aus selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen.

Gisela Friedrichs: Das Ende der Hausfrauenehe, wie die Juristin und SPD-Politikerin Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit damals feststellte.

Wie sieht die Rechtspraxis heute aus?

2013 wurde das Gesetz noch einmal geändert, die Dauer der Ehe kann nun wieder stärker berücksichtigt werden bei der Frage, wie viel und wie lange der Ex-Mann noch zahlen muss. Ab 15 Jahren gilt eine Ehe als lang. In der Regel bekommt die Frau dann ein, zwei oder sogar vier, fünf Jahre zumindest einen Aufstockungsunterhalt – je nachdem, wie der Richter oder die Richterin den Fall beurteilt. Aber anders als früher können sämtliche Unterhaltsansprüche nun begrenzt und befristet werden: Es gibt kein Recht mehr darauf, dass die ehelichen Lebensverhältnisse auch nach der Scheidung gewahrt werden. Die Richter haben einen Ermessensspielraum? Ja, leider. Das Gesetz sieht nur noch Billigkeitsentscheidungen vor. Ich kann einer Mandantin also nun nur noch sehr schwer voraussagen, womit sie nach einer Scheidung rechnen kann. Früher galt für die meisten Hausfrauenehen die so genannte 08/15-Regelung: Bis zum achten Lebensjahr des jüngsten Kindes hatte die Frau einen vollen Unterhaltsanspruch, war es zwischen acht und 15 Jahre alt, musste sie Teilzeit arbeiten, danach Vollzeit. Heute ist jede Scheidung ein Einzelfall, den ich als Anwältin vor Gericht ausführlich darstellen muss – in der Hoffnung, entsprechend Gehör zu finden und eine akzeptable Übergangsfrist für die jeweilige Mandantin auszuhandeln.

Aber man sollte sich nicht darauf verlassen.

Nein. Kürzlich habe ich eine Frau vertreten, die sehr lange studiert hatte während der Ehe. Das Examen hat sie zeitgleich mit der Scheidung gemacht. Mit über 40 in den Beruf einzusteigen ist natürlich schwer, bestätigte auch das berufskundliche Gutachten. Trotzdem entschied das Gericht, dass der Frau nur anderthalb Jahre Unterhalt zustehen – nach über 20 Jahren Ehe.

Wird dieser Ermessensspielraum unterschiedlich genutzt in den einzelnen Bundesländern?

Die Bundesländer sind nicht entscheidend, es sind die Oberlandesgerichts-Bezirke, in denen die Rechtsprechung manchmal deutlich unterschiedlich gehandhabt wird. Es scheint zum Beispiel so, dass in ländlichen Bezirken die Urteile tendenziell frauenfreundlicher ausfallen als in städtischen. Auf dem Land ist es ja auch noch schwieriger als in der Stadt, nach langer Pause in den Beruf zurückzukehren. Und womöglich gibt es dort noch mehr Richter, die eine traditionelle, familiäre Rollenverteilung befürworten.

Welcher Anteil am Vermögen steht der Frau zu?

Wenn die Eheleute zusammen eine Immobilie gekauft haben, kann sie die Auflösung dieser Miteigentümergemeinschaft verlangen: Entweder der Mann kauft ihr ihre Hälfte ab oder sie ihm seine, oder sie verkaufen und teilen den Erlös. Wenn keine Einigung möglich ist, kann man die so genannte Teilungsversteigerung betreiben, die Immobilie wird zwangsversteigert, der Erlös geteilt. So weit kommt es aber nur selten.

Was ist mit Erspartem?

Ohne Ehevertrag, in dem eine Gütertrennung vereinbart wurde, besteht eine Zugewinngemeinschaft: Jedem Partner steht ein ehezeitlicher Anteil zu an jenem Vermögen, das der andere während der Ehe aufgebaut hat – der so genannte Zugewinnausgleich. Beispiel: Die Frau hat im Verlauf der Ehe 10 000 Euro gespart, der Mann 100000 Euro, er besitzt also 90000 Euro mehr. Davon muss er ihr die Hälfte auszahlen, 45 000 Euro. Als Ex-Frau partizipiert man aber nur an dem Vermögen, das der Mann während der Ehe erworben hat – nicht an dem, was er schon vorher besaß. Deshalb mein Tipp: Heirate nie einen reichen, heirate einen fleißigen Mann! (lacht)

Ganz praktisch: Eine langjährige Hausfrau kommt zu Ihnen, weil sie sich scheiden lassen will. Was ist Ihr allererster Rat?

In der Regel empfehle ich: Trenne dich, aber reiche nicht die Scheidung ein! Je länger sie verheiratet bleibt, desto höher ist ihr Anteil an den Rentenanwartschaften des Mannes. Außerdem ist der Trennungsunterhalt sicherer als der nacheheliche Unterhalt: Die Rechtsstellung einer Ehefrau ist wesentlich günstiger als die einer Ex-Frau. Gleichzeitig weise ich darauf hin, dass höchstwahrscheinlich der Mann die Scheidung einreicht, sobald das Trennungsjahr vorbei ist. Die Frau muss sich darauf vorbereiten: sich schon mal umschauen, wie es beruflich für sie aussieht und wie sie sich auf eigene Beine stellen kann.

Beschließen manche, sich doch nicht zu trennen, wenn ihnen klar wird, was das bedeutet?

Das habe ich schon erlebt. Aus Erfahrung weiß ich aber: Das wird nicht ewig gut gehen.

Was also sagen Sie Mandantinnen, die aus gutem Grund Panik haben vor sozialem Abstieg oder gar Armut?

Dass sie sich unbedingt auch therapeutische Hilfe suchen sollten – etwa bei einer Frauenberatungsstelle. Müttern mit kleineren Kindern empfehle ich eine Mutter-Kind-Kur, die baut die Frauen sehr auf. Ich vermittele auch an ehrenamtliche Beraterinnen, die helfen, eine Arbeitsbiografie zu erarbeiten und herauszufinden, in welchem Bereich man arbeiten möchte – und könnte. Da sind die Arbeitsagenturen natürlich ebenfalls gefordert.

Hat man überhaupt eine Chance auf einen Job, von dem man leben kann, wenn man 15 oder 20 Jahre lang kaum oder gar nicht gearbeitet hat?

Das hängt sehr von der Ausbildung ab, aber auch von der persönlichen Initiative. Manche tun sich extrem schwer, andere finden ganz gut zurück ins Berufsleben. Für Frauen allerdings, die wirklich lange ganz raus waren aus dem Job, ist es sehr schwierig, eine qualifizierte und gut bezahlte Tätigkeit zu finden. Leichter haben es die, die sich von einer Teilzeit- auf eine Vollzeitstelle bewerben – wobei das oft bedeutet, dass man eine langjährige, sichere Halbtagsstelle mit Kündigungsschutz für eine unsicherere Vollzeitstelle bei einem anderen Arbeitgeber aufgeben muss.

Was bringt ein 450-Euro-Job während der Ehe?

Ich halte nicht viel davon, so wenig Stunden zu arbeiten für so wenig Geld – ohne soziale Absicherung, ohne Krankenversicherung, das kann richtig böse enden. Eine meiner Mandantinnen ist seit einigen Jahren verheiratet mit einem Beamten und über ihn privat krankenversichert. Weil sie älter ist als 55, nimmt die gesetzliche Krankenkasse sie nicht mehr auf, auch nicht nach einer Scheidung. Sie müsste sich weiter privat versichern – für 800 Euro monatlich. Diese Frau kann es sich nicht leisten, sich scheiden zu lassen, und sollte der Mann eines Tages darauf bestehen: Dann hat sie ein gewaltiges Problem.

Nach sieben Jahren Erfahrung mit dem neuen Unterhaltsgesetz: Was halten Sie davon?

Das Gesetz ist bitter für alle Frauen, die davon betroffen sind, obwohl sie sich vor 2008, unter ganz anderen gesetzlichen Bedingungen also, für eine Hausfrauenehe entschieden haben. Für zukünftige Generationen finde ich die neue Regelung richtig: Ehen können nun einmal scheitern, es muss möglich sein, mit einer neuen Partnerin eine neue Familie zu gründen, statt die Ex-Frau bis an ihr Lebensende finanzieren zu müssen. Das Gesetz bedeutet aber auch: Junge Frauen sollten sich auf keinen Fall mehr auf das Hausfrauenmodell einlassen!

Aber immer noch möchten viele Frauen nach der Geburt eine Weile zu Hause bleiben.

Als Anwältin muss ich diesen Frauen sagen: Wenn du für längere Zeit aus dem Beruf aussteigst, dann bestehe auf einem Ehevertrag, der dich nach einer Scheidung finanziell absichert. Früher wurden solche Verträge von Männern gefordert, damit sie der Ex-Frau nicht zahlen mussten, was ihr gesetzlich zustand. Heute müssen Hausfrauen sie abschließen, um im Fall des Falles mehr zu bekommen, als es das Gesetz vorsieht. 

BRIGITTE Woman 02/15

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