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"Liebeskümmerin" Elena Sohn "Es ist erstaunlich, was manche Liebende bereit sind zu ertragen"

Herz auf Glas
© Vladimir Ya / Adobe Stock
Er kann höllisch sein, verrät uns aber extrem viel über uns selbst, sagt Elena Sohn. Sie ist als »Liebeskümmerin« so erfolgreich, dass ihre Arbeit nun Stoff für einen Film wurde.
Elena-Katharina Sohn mit Hund Lasse
Elena-Katharina Sohn betreibt die Agentur "Die Liebeskümmerer" und bietet mit ihrem Team psychologische Beratung in Beziehungsfragen an, auch online (die-liebeskuemmerer. de). Ihre Bücher zum Thema Liebe sind Bestseller, ihre Arbeit hat den Streamingdienst Netflix zur Produktion der romantischen Komödie "Die Liebeskümmerer" inspiriert (ab 14. Februar zu sehen).
© Horst Galuschka / imago images

BRIGITTE: Seit 13 Jahren arbeiten Sie als "Liebeskümmerin", helfen Menschen, deren Herz gebrochen, verletzt oder verunsichert ist. Wie sind Sie zu dem Thema gekommen?

ELENA SOHN: Tatsächlich, weil ich selbst damals eine schlimme Trennung hinter mir hatte. Mir hat es in einem Maße den Boden unter den Füßen weggerissen, dass ich zu nichts mehr imstande war. Erst habe ich mich krankschreiben lassen, dann ein Sabbatical gemacht. Plötzlich stellte ich mein ganzes Leben infrage, fand nichts mehr, was mir Halt geben konnte. Als ich dann begann darüber zu sprechen, merkte ich, dass es viele andere gab, die das Ende einer Liebe nicht nur als kurzen Kummer, sondern als ganz tiefe, ernsthafte Krise empfunden hatten – mit der sie sich sehr alleingelassen gefühlt hatten.

Weil es ja "nur" um die Liebe geht?

Ja, Liebeskummer hat immer noch den Ruf, "so eine Teenagersache" zu sein, alles halb so wild, wird schon wieder – was erstaunlich ist, wenn wir bedenken, wie sehr wir andererseits die romantische Liebe kultivieren und stilisieren zu etwas, das über uns allen schwebt. Und wenn man dann abstürzt, aus diesen schwindelerregenden, glückseligen Höhen, darf das nicht lange wehtun? Das passt nicht ganz zusammen.

Sie haben Liebeskummer als etwas existenziell Erschütterndes erlebt.

Zunächst mal: Bindung ist einfach eines unserer Grundbedürfnisse, und wenn das nicht erfüllt oder enttäuscht wird, führt das immer zu Unsicherheit.

Dennoch gehen Menschen sehr unterschiedlich mit diesen Enttäuschungen um.

Das stimmt, und wahr ist auch: Wenn Menschen wirklich so massiv leiden an der Liebe, in eine fürchterliche Lebenskrise gerissen werden, kann man davon ausgehen, dass mehr dahintersteckt. Dann gibt es zwar einen akuten Auslöser wie eine Trennung, aber der Schmerz, den wir fühlen, ist oft ein ganz alter, den wir nicht selten schon ein Leben lang mit uns herumschleppen.

Wo kommt er her?

Häufig schon aus der frühen Kindheit. Es kann zum Beispiel sein, dass ich mich in den ersten Lebensjahren von meinen Eltern häufig allein gelassen, nicht gesehen oder sogar abgelehnt gefühlt habe. Daran habe ich zwar kaum eine bewusste Erinnerung. Aber der Schmerz, den ich damals empfunden habe, war ein existenziell bedrohlicher – schließlich befand ich mich in völliger Abhängigkeit zu meinen Eltern. Wenn mein Partner mich nun verlässt, kann dieser Schmerz des Alleingelassenwerdens wieder hochkommen. Der Liebeskummer ist also eigentlich ein "Lebenskummer". Liebe zu verlieren fühlt sich im Extremfall dann beinahe an, als müsse man sterben.

Und wenn ich unerfüllt liebe, etwa in einer Affäre feststecke mit einem Menschen, der mir ganz offensichtlich nicht guttut, von dem ich aber dennoch einfach nicht loskomme

Vielleicht habe ich früh gelernt, um die Anerkennung und Liebe meiner nächsten Bezugsperson buhlen zu müssen, und wurde dennoch häufig schlecht behandelt. Das fühlt sich dann auf eine traurige Art "normal" an. "Warum verliebe ich mich immer in Arschlöcher?" ist tatsächlich eine Frage, die ich schon sehr, sehr häufig gehört habe. Es ist erstaunlich, was manche Liebende bereit sind zu ertragen.

… in der Hoffnung, dass endlich alles gut wird und der Dauer-Kummer ein Ende hat.

Ich bin immer wieder überrascht und erschüttert zugleich, wie viele Menschen meiner Generation eine große Bedürftigkeit, eine unglaublich tiefe Sehnsucht nach Liebe in sich spüren, die sie sich selbst gar nicht richtig erklären können. Da kann es helfen, sich klarzumachen, wie unsere Eltern eigentlich oft noch aufgewachsen sind. Stichwort: Kinder lässt man schreien, das kräftigt die Lungen und den Charakter. Wer selbst lieblos behandelt wurde, dem fällt es schwer, Liebe weiterzugeben. Die Härte wirkt bis heute nach.

Das heißt, der Mann, der mich am langen Finger verhungern lässt, könnte auch darum so viel Macht über mich haben, weil ich mich schon früher so abgestrampelt habe für die Liebe meiner Bezugspersonen.

Genau.

Wie kann ich diesen Teufelskreis durchbrechen?

Indem ich versuche, den Blick vom begehrten und mich enttäuschenden Partner weg und wieder auf mich selbst zu richten. Und indem ich dann die wichtigste, aber vielleicht auch schwerste Frage überhaupt stelle: Warum liebe ich, wie ich liebe? Das heißt: Was hat mich bisher geprägt in meinen Bindungserfahrungen, wie bin ich eigentlich zu dem Beziehungsmenschen geworden, der ich heute bin?

Warum ist diese Frage so entscheidend?

Weil sie mir klarmacht: Die Art von Liebe, die mir meine Eltern hätten geben können, kann mein Partner mir niemals geben, das ist auch nicht seine Aufgabe. Und: Je mehr ich über mich weiß, je mehr ich mit mir im Reinen bin, umso weniger erwarte ich vom anderen, dass er mich glücklich machen muss. Denn diese Erwartung ist ein riesiger Druck, ein wahnsinniges Enttäuschungs- und Konfliktpotenzial, das kann eigentlich nur schiefgehen. Es ist wichtig, dass ich die Verantwortung für mein Glück wieder selbst übernehme.

Aber in der Liebe trage ich sie doch nie allein! In einer Affäre zum Beispiel gibt es doch immer jemanden, der betrügt, und jemanden, der betrogen wird …

Einen Täter oder eine Täterin und ein Opfer, meinen Sie? Das wäre mir zu einfach. Zu uns kommen die Betrügenden und Betrogenen genauso wie "die Affäre". Und an all diesen drei Ecken entsteht Schmerz. Meist haben auch diejenigen, die betrügen, eine Geschichte, warum sie das tun.

Welche verborgenen Motivationen könnten das sein?

Sie sind beispielsweise unglücklich in ihrer Beziehung, haben aber nie gelernt, für sich einzustehen. Oder sie haben ein massives – man könnte auch sagen ungesundes – Bedürfnis nach Selbstbestätigung. Eigentlich wollen sie ihren Partner gar nicht verletzen, es geht nur um sie selbst. Meiner Überzeugung und Erfahrung nach ist es so, dass sich Menschen wirklich in den allerwenigsten Fällen absichtlich gegenseitig wehtun wollen. Sie tun das meist aus einer eigenen Not, einer Unsicherheit heraus. Womit ich nicht sagen will, dass ich Fremdgehen moralisch in Ordnung finde.

Wenn ich mir nun selbst auf die Schliche gekommen bin, allein oder auch mit therapeutischer Hilfe, was fange ich mit diesem Wissen an?

Es geht dabei weniger um das Wissen. Erst wenn ich meine eigenen Muster und ihre Ursachen wirklich auch fühle, kann ich ein tiefes Verständnis für mich selbst entwickeln. Erkennen, was ich als kleiner Mensch eigentlich gebraucht hätte, und im besten Fall mir selbst heute dann noch das liebende Elternteil sein, das mir als Kind gefehlt hat.

Und so kann ich die ungute Dynamik durchbrechen?

Es ist oft die Voraussetzung dafür, dass ich dann klarer Grenzen setzen und ungesunde Abhängigkeiten schließlich auch beenden kann. Oder von meinen quälenden Gedanken an eine Beziehung loskomme, die bereits beendet ist. Und nicht zuletzt hilft es mir, in Zukunft andere, tiefgehendere Partnerschaften führen zu können, schon allein, weil ich mich anderen viel besser erklären kann. Denn wenn Menschen in einer Offenheit aufeinander zugehen, die auf Selbsterkenntnis und Selbstreflexion beruht, eröffnet das ganz neue Möglichkeiten, sich wirklich aufeinander einzulassen.

"Das Buch, das dein Herz gern lesen würde. Zehn Fragen für ein glückliches L(i)eben", 256 S., 12 Euro, Heyne, erscheint am 24. Januar.
"Das Buch, das dein Herz gern lesen würde. Zehn Fragen für ein glückliches L(i)eben", 256 S., 12 Euro, Heyne, erscheint am 24. Januar.
© PR

Wäre natürlich schön, wenn das mein Partner auch so sieht …

Unterschätzen Sie die Männer nicht! Anfangs waren es zu 90 Prozent Frauen, die bei uns Rat suchten, heute sind wir bei fifty-fifty. Viele sind offener geworden im Hinblick auf psychologische Themen und Dienstleistungen. Ich finde, das ist ein schöner Trend: hingucken statt weggucken, sich mit sich selbst auseinandersetzen. Außerdem wird ja gerade durchaus verstärkt diskutiert, wie nützlich die Kategorien "weiblich" und "männlich" überhaupt sind, auch da bricht langsam was auf, zum Glück.

Brigitte

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