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Partnerschaft "Wenn es schwierig wird, ist er weg. Und jetzt?"

Beziehung: Paar in der Dämmerung
© CrisZDe / Shutterstock
Streit gehört wohl zu jeder Beziehung dazu. Aber was tut man, wenn es gar nicht erst zum Konflikt kommt – weil ein Part verschwindet, wenn es schwierig wird? Wir haben mit einem Paartherapeuten über das gängige Beziehungsproblem gesprochen.

Die Liebe lebt von Illusionen. Wird man im Kindesalter das erste Mal mit ihr in Form von Filmen oder Büchern konfrontiert, ergibt sich gleich ein eindeutiges Bild: Man säße da, mit Herzchen in den Augen, Schmetterlingen im Bauch und rosaroter Brille auf der Nase. Und schaut sich an. Stundenlang, als gäbe es nichts schöneres auf der Welt. Klingt romantisch? Vielleicht. Vielleicht aber auch ein wenig langweilig.

Mit fortschreitendem Alter und Beziehungserfahrungen muss man feststellen, dass dieses Bild der Liebe selten der Realität entspricht. Für stundenlanges In-die-Augen-Geschaue bleibt nämlich kaum noch Zeit, wenn man sich plötzlich darüber in die Haare bekommt, wie der Geschirrspüler ein- und ausgeräumt wird. Oder wenn man merkt, dass man unterschiedliche Nähe-Distanz-Bedürfnisse hat. Beides sind Dinge, die in Beziehungen durchaus vorkommen können – und lange nicht deren Ende bedeuten müssen. Schließlich kann man darüber reden. Aber was, wenn eben diese Lösung sich als gar nicht so einfach darstellt? Weil eine Person reden will, die andere sich aber lieber aus dem Staub macht, wenn es um Probleme geht? "Das ist tatsächlich eine sehr häufige Dynamik, wegen der Paare zu mir in die Paartherapie kommen", erklärt Paartherapeut Eric Hegmann. Wir haben den Beziehungsexperten zu dem gängigen Problem "Ich will reden – er:sie läuft weg" interviewt – und ihn gefragt, wie Konfliktfreunde und -scheue zueinander finden können.

Eine Beziehung und ihre Probleme: Der Fehler, den Paare machen

"Auf den ersten Blick scheint klar: Der oder die Flüchtende ist das Problem", sagt Eric Hegmann. Einleuchtend? Tatsächlich stecke in dieser Annahme aber bereits die grundlegende Falschannahme: "Auf den zweiten Blick ist aber genau diese Schuldzuweisung das, was die Konflikte eskalieren lässt." Wenn Paare anfangen, sich statt Probleme zu bekämpfen, würden sie sich nur voneinander entfernen, statt wieder zueinander zu finden. "Distanz schafft keine Nähe. Nur Nähe schafft Nähe", erinnert der Experte – wenn es denn nur so einfach wäre, wie es klingt!

Der oder die Partnerin, die flüchtet, will die Beziehung ebenfalls schützen.

Denn in der Realität fühlt sich die Person, die Probleme ansprechen will, oft allein gelassen. Das Zurückziehen des Partners, wenn es schwierig wird, interpretieren wir häufig als Zeichen der Flucht – vor uns, letztendlich aber auch vor der Beziehung. "Häufig ist es aber genau anders: Der oder die Partnerin, die flüchtet, will die Beziehung ebenfalls schützen", klärt Eric Hegmann die Falschannahme auf. So treffen sich letztendlich beide Partner:innen in der Verlustangst, es wird nur unterschiedlich damit umgegangen. Während ein Part Konflikte klären möchte, fürchtet der andere, es zu verschlimmern. 

Ein solches Rückzugsmanöver ist meist bereits in früheren, schmerzhaften Erfahrungen erlernt worden. Eric Hegmann appelliert, mal die Perspektive des Gegenübers einzunehmen: "Die darunter liegende Schutzstrategie ist: 'Das mache ich mit mir selbst aus, dann belaste ich die Beziehung nicht.' Und die Emotion darunter sagt dann: 'Ich bin ein schlechter Partner, ich werden den Anforderungen nicht gerecht.' Das bedeutet Dauerstress." Dieser Stress würde schließlich im typischen Flight-or-Fight-Modus des Menschen münden. Hat man in der Vergangenheit gelernt, dass Rückzug der beste und sicherste Weg ist, wählt man diesen – zum eigenen und dem Schutz der Liebe. 

Beide leiden unter der gleichen Angst: Verlust des geliebten Partners. Durch diese Erkenntnis kann eine Empathiebrücke entstehen, die neue Wege ermöglicht

"Für ihre Partner:innen, die vielleicht früh erfahren haben, dass über Gefühle zu sprechen, Konflikte lösen kann, ist das schwer bis gar nicht nachvollziehbar", weiß der Paartherapeut. Die Konfliktsituation wird zum eigentlichen Problem, ein Part fordert immer mehr, der andere distanziert sich weiter. "In der emotionsfokussierten Paartherapie heißt diese Dynamik 'der Tanz'", erklärt Eric Hegmann mir, "wenn ich mit Paaren arbeite, dann erkläre ich das gerne mit dem Bild: Sie müssen nicht nur neue Schritte lernen, Sie müssen eine andere Musik auflegen."

Klingt ja ganz nett – aber wie geht das denn? Bevor wir tanzen, müssen wir dafür erstmal verstehen, woher wir kommen: "Wer harmoniebedürftig bis vielleicht konfliktscheu ist, weil er:sie beispielsweise unter immer streitenden Eltern gelitten hat als Kind, kann die Angst schwer ablegen, dass Probleme zum Beziehungsaus führen können", zeigt Eric Hegmann die eine Seite auf. Der Rückzug sei aus dieser Perspektive der beste Weg, eine Trennung zu vermeiden. Gleichzeitig würde der andere Part fürchten, dass die Beziehung an Konflikten zerbrechen könnte und diese eben möglichst schnell lösen wollen. "Insofern leiden beide unter der gleichen Angst: Verlust des geliebten Partners. Durch diese Erkenntnis kann eine Empathiebrücke entstehen, die neue Wege ermöglicht", fasst der Paarberater zusammen. An diesem Punkt würden in seiner Praxis häufig Tränen fließen, aus denen eine neue Nähe zwischen den Partner:innen entsteht. Und wie wir schon gelernt haben, schafft Nähe dann noch mehr Nähe – und damit die Basis, eine gemeinsame Streitkultur zu entwickeln.

Eric Hegmann ist Paartherapeut, Single- und Beziehungscoach und hat eine eigene Praxis für Paar- und Sexualberatung in Hamburg. In Onlinekursen bietet er zudem Hilfe für alle Paare an, die zusammen an ihrer Beziehung arbeiten wollen. Kleiner Tipp: Da gibt es übrigens auch Seminar zum Thema "Paarkommunikation und Streitkultur".

mjd Guido

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