Anzeige

Yanti – ein ganz besonderes Mädchen auf Reisen

Person steht im Feld und schaut in die Ferne
© pololia / Adobe Stock
Fabian Sixtus Körner reist mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter Yanti durch die Welt. Dass Yanti das Down-Syndrom hat, hält die junge Familie nicht davon ab, glücklich zu sein.
von Christine Rickhoff

Bevor Fabian und Nico Eltern wurden, waren sie nie besonders lange an einem Ort. Das Reisen gehörte zu ihnen. Erst jeder für sich, dann gemeinsam. Ihre Reiseziele waren keine 5-Sterne-Ressorts in der Türkei oder an der Costa Brava, sondern vor allem Orte, die jenseits der eigenen Komfortzone liegen, gefährliche Tiere und hygienische Missstände inklusive. Als Nico schwanger wurde, machten Fabian und sie sich viele Gedanken darüber, ob diese Art zu reisen auch mit Kind möglich sein würde. Sie waren sich sicher, mit ein paar Sicherheitsvorkehrungen müsste das funktionieren. Da wussten sie noch nicht, dass Yanti mit einer Chromosomen-Anomalie zur Welt kommen würde.

Beileidsbekundungen zur Geburt

Im Buch "Mit anderen Augen – Wie ich durch meine Tochter lernte, die Welt neu zu sehen" beschreibt Fabian schmerzhaft ehrlich seine ersten Gedanken nach der Erkenntnis: Yanti hat das Down-Syndrom. "Im Nachhinein bin ich froh, dass wir das vor der Geburt nicht wussten", sagt er heute. "Wir hätten uns viel zu viele Sorgen gemacht." Und Sorgen hatten sie auch nach Yantis Geburt schon genug, denn das Atmen fiel der Kleinen von Anfang an schwer. Dann kam noch die Außenreaktion hinzu. "Man hatte das Gefühl, dass die Glückwünsche teilweise Beileidsbekundungen waren. Ich weiß, dass uns niemand etwas Böses wollte und ich will das niemandem ankreiden. Aber es war trotzdem schwer, denn wir hatten ein Kind bekommen und nur wenige haben darauf mit unbeschwerter Freude reagiert." Also beschlossen sie, eine ganz besondere Geburtsanzeige zu gestalten. Sie fotografierten Yanti in Superheldenpose und schrieben dazu einen humorvollen Text: "Hallo, mein Name ist Yanti, besser bekannt unter meinem Superhelden-Pseudonym, "Q90" - auch Down-Syndrom genannt. Zusammen mit meinen Partnern Wanderwoman und Journeyman - die zufälligerweise auch meine Eltern sind - bekämpfen wir als "Chromosomen Crew" Vorurteile, Bigotterie und Spielverderber. Meine Geheimwaffe ist ein umwerfendes Lächeln. Nehmt euch in Acht, ihr Bösewichte!"

Yanti_Geburtskarte_front

"Wir sind glücklich mit diesem Kind"

Mit dieser Karte wollten Fabian und Nico der Welt eine wichtige Nachricht senden: "Wir sind glücklich mit diesem Kind. Wegen eines Chromosoms mehr haben wir unsere Tochter nicht weniger lieb!" Von diesem Moment an kamen die Glückwünsche. "Fremdes macht immer erst einmal Angst", sagt Fabian. "Ich glaube, es hat unserem Umfeld sehr geholfen, dass wir uns so deutlich positioniert haben. Es hat ihnen die Nervosität genommen, etwas Falsches zu sagen und ab diesem Moment konnte sich auch jeder mit uns freuen." Fabian weiß, dass nicht alle Eltern von Kindern mit Behinderungen durchweg so positive Reaktionen erhalten. Einige Mütter und Väter haben ihm schlimme Dinge berichtet. "So etwas muss doch heutzutage nicht mehr sein"[1] oder „Pränataler Test und abtreiben – Problem gelöst! Solche Menschen kosten nur viel Geld für die Gesellschaft, ohne das jemals irgendwie zurückzuzahlen“ sind nur Beispielsätze von vielen, denen Eltern sich stellen müssen.

90 % der Kinder mit Trisomie 21 werden abgetrieben

Fabian und Nico begannen, sich genauer mit dem Down-Syndrom auseinanderzusetzen. Sie lasen viel, manchmal auch Schreckliches. "An einem Tag habe ich mir verschiedene Statistiken angesehen und weiß jetzt: 90 % der Kinder, bei denen im Mutterleib Trisomie 21 diagnostiziert wird, werden in Deutschland abgetrieben. Das ist bis zum Tag ihrer Geburt rechtlich erlaubt." Direkt danach fand Fabian eine weitere Statistik. "Laut einer US-Studie bezeichnen sich 99 % der Menschen mit Down-Syndrom als glücklich. 97 % mögen sich und wollen nicht ohne Down-Syndrom leben, 96 % empfinden sich als gutaussehend." Zum Vergleich: Gerade mal 31 % der nordamerikanischen Bevölkerung sind mit ihrem Leben glücklich. "Diese beiden Statistiken nebeneinander sind geradezu paradox", sagt Fabian nachdenklich. "Das passt doch einfach nicht zusammen!"

"Ich respektiere das Recht der Frau auf ihren Körper"

Wer nun meint, Fabian Sixtus Körner sei ein Abtreibungsgegner, liegt falsch. "Ich respektiere das Recht der Frau, über ihren Körper zu bestimmen, voll und ganz", sagt er. "Ich bin aber nicht einverstanden mit der derzeitigen rechtlichen Unterscheidung zwischen behinderten und nichtbehinderten Kindern." Überhaupt mangelt es ihm in der deutschen Öffentlichkeit an positiven Beispielen für ein gutes Leben mit dem Down-Syndrom. "Integration gelingt hier nicht so wie in anderen Ländern. In vielen südeuropäischen Ländern oder in Japan gibt es sogar Menschen mit Down-Syndrom, die einen Hochschulabschluss haben, weil von Anfang an ein ganz anderer Umgang gelebt wird." Viele Deutschen, sagt er, fänden das Wort Inklusion ganz toll, bis das Konzept tatsächlich im eigenen Umfeld realisiert wird. Da komme dann ganz schnell die Angst auf, dass die eigenen Interessen oder die des eigenen Kindes zu kurz kommen könnten, wenn auch die Bedürfnisse eines Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden müssen. "Das ist schade", fügt Fabian Sixtus Körner hinzu. "Weil Menschen, die anders sind, unglaublich bereichernd sein können."

Endlich_zu_Hause

Yanti auf Reisen

Fabian und Nico wollten mit gutem Beispiel vorangehen und sich nicht davon abhalten lassen, Yanti ganz normal in ihre Familie zu integrieren. Das bedeutete in dieser Familie: Reisen. "Das Schöne war: Keiner wollte uns abhalten. Die Ärzte haben uns alle gut zugeredet", erzählt Fabian. Also suchten Nico und er gute Kliniken heraus, schmiedeten Notfallpläne und machten sich auf den Weg in die Karibik. "Was dann passiert ist, war unglaublich. Yanti hat riesige Entwicklungssprünge gemacht, auch ihre Atmung wurde stabiler am Meer", erzählt Fabian. 

Am_Strand_mit_der_Gang_Dominikanische_Republik

Der Reise folgten weitere. "Man darf sich das jetzt nicht wie Dauerurlaub vorstellen", sagt Fabian. "Wir arbeiten ganz normal, wenn wir unterwegs sind und haben oft beide enge Deadlines. Das ist mit Kind durchaus manchmal ganz schön anstrengend und abenteuerlich." 

Vanlife_Start

Völlig furchtlos sind er und Nico auch nicht. "Na klar spielt Angst auf solchen Reisen auch bei uns eine Rolle", sagt er. "Wir haben eine große Verantwortung, so wie alle Eltern, und die nehmen wir natürlich ernst. Deshalb reisen wir nie, ohne genau Bescheid zu wissen, wo wir im Notfall gut aufgehoben sind. An all das zu denken, ist wichtig. Aber die Angst sollte niemals die Oberhand gewinnen und einen davon abhalten, zu leben."

"Ich bin einfach dankbar"

Fabian glaubt nicht, dass die Menschen glücklicher wären, wenn jeder so leben würde wie er. Er weiß auch, wie privilegiert er ist, von überall auf der Welt seinen Job machen zu können. An seinen Statements ist nichts missionarisch. "Mit dem Buch wollte ich nicht allen raten, in fremde Länder aufzubrechen und ihren Kindern die Welt zu zeigen. Das ist für viele gar nicht so einfach möglich und ja auch echt nicht jedermanns Sache", sagt er. "Ich denke, meine Message ist viel simpler. Ich wollte der Welt einfach nur sagen: 

Sehr her. Wir sind glücklich. Mit genau diesem Kind, so wie es ist."

Im_Kornefeld

Mit anderen Augen_3D "Mit anderen Augen - Wie ich durch meine Tochter lernte, die Welt neu zu sehen" ist im ullstein Verlag erschienen. 

Ein tolles Buch zum in die Ferne träumen, nachdenken und Mut tanken.

Am 03. Dezember 2019 in vielen Kinos:

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel