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Vivi macht’s einfach Warum wir endlich aufhören sollten, unsere Körper zu optimieren

Ältere Frau zeigt beide Mittelfinger
© oneinchpunch / Adobe Stock
Diäten, Fitnesskurse, Lebensumstellung: Zum Jahresbeginn sollen wir uns mal wieder selbstoptimieren. Kolumnistin Vivi hat genug vom Verbesserungswahn.

Pünktlich zum Jahresanfang geht es wieder los: Große Fitnessstudios werben mit Neujahrsrabatten, Sport-Influencer:innen wollen ihre neuen Programme an den Mann und die Frau bringen und überall liest man von Abnehmerfolgen, Selbstoptimierung und dem Weg zu einem schlankeren Körper. Was früher noch plakativ als "Crash-Diät", "10-Tage-Abnehmplan" oder "Ernährungsumstellung für die Bikinifigur" betitelt wurde, wird nun seit ein paar Jahren in etwas wokere Titelzeilen umgetextet.

Nun wird vermeintlich auf unsere wahren Bedürfnisse und die Gesundheit unseres Körpers sowie unseres Geistes eingegangen. Wir werden nicht mehr mit klassischen Diätprogrammen gelockt, stattdessen mit "Körperoptimierungs-Programmen". Unterm Strich haben jedoch auch diese Programme aus Ernährungsumstellung und Sporteinheiten, gekoppelt mit Mental-Health-Trainings, nichts anderes im Sinn, als uns vorzumachen, wir müssten uns Anfang des Jahres in ein besseres Ich verwandeln – wie genau das aussieht, entscheiden dabei allerdings andere.

Schluss mit dem Optimierungswahn!

Ich sage ganz klar: Schluss damit! Es reicht! Niemand muss sich optimieren! Was soll das auch heißen – dass wir so, wie wir gerade sind, nicht gut genug sind? Haben wir nicht schon reichlich andere Sorgen in unserem Leben und gibt es wirklich nichts Wichtigeres als im Januar auf die Waage zu steigen und zu denken, dass ein paar Kilo weniger hier und ein paar mehr Muskeln dort irgendetwas ändern – gar verbessern – würden? Wieso sind wir immer noch der festen Überzeugung, dass es irgendwem jemals gutgetan hat, auf Krampf in ein von Medien erkorenes Körperideal hineinzupassen? Ganz davon abgesehen, dass sich die Trends auch hier ständig verändern und nun mal alle unterschiedlich aussehen, andere Proportionen, Gene, Voraussetzungen haben.

Körpertrends: Warum sie so absurd sind

In den Fünfzigern galten kurvige, weibliche Körper als attraktiv, was sich in den Sechzigern in schmal und androgyn verwandelte. Weiter ging es in den Siebzigerjahren. Zu der Zeit kam der Fitnesstrend auf und alle wollten oder sollten plötzlich athletische Kurven haben und die sportive Powerfrau verkörpern. Dieser Trend spitzte sich in den Achtzigern zu und die Körpervorbilder wurden immer stärker und muskulärer. Crash-Diäten wurden durch Krafttraining ersetzt. Umso wilder wird’s, wenn man bedenkt, dass dann mit der Wende zu den Neunzigerjahren die Supermodels auf den Laufstegen erst superschlank und zierlich aussahen, um dann in den Zweitausendern wieder zu durchtrainierten Fitnessikonen zu werden.

Das Problem mit der Gesundheit

Wer versuchte, bei all diesen Figurtrends mitzuhalten, tat nicht nur seinem Körper, sondern mit Sicherheit auch der eigenen Psyche nichts Gutes. Schon ein ständiges Auf- und Ab auf der Waage ist eine Herausforderung für Organe, Bindegewebe und Kreislauf. Ganz davon abgesehen, wie viele Frauen sich aufgrund von mediengemachten Körperidealen chirurgisch behandeln ließen und lassen, nur um sich dann in der nächsten Trendwende eventuelle Implantate austauschen oder woanders welche hinzaubern zu lassen. Mit einem gesunden Körper, Fitness und Wohlbefinden hat das meiner Meinung nach nichts mehr zu tun. Und bitte versteht mich nicht falsch, jeder und jede kann mit dem eigenen Körper tun, was er oder sie glücklich macht. Ich habe nichts gegen Schönheitsoperationen per se oder gegen einen gesunden Sportkonsum. Ich bin auch Verfechterin einer gesunden Ernährungsweise, allerdings muss es endlich aufhören, dass wir alle das Gefühl bekommen, ständig nicht gut genug zu sein.

Wie andere an uns verdienen

Mal ist man im "Vorteil", weil man von Natur aus einen großen Hintern hat, das andere Mal wird jemand gesellschaftlich als attraktiver bezeichnet, weil sie kleine Brüste hat und ein paar Jahre später entsprechen plötzlich alle kurvigen Frauen dem gängigen Schönheitsideal. Ihr merkt, es ist einfach absurd, was wir uns seit Jahrzehnten antun, was uns angetan und vorgegaukelt wird. Und sicherlich nicht, weil es dabei um uns und unser Wohlbefinden geht, sondern schlichtweg, weil andere daran verdienen, uns ständig neue Ideale zu verkaufen. Seien wir doch mal ehrlich: Wie viele ungenutzte Fitness-Abos haben wir in unserem Leben abgeschlossen, wie viele Abnehmzeitschriften, Ditätprodukte, Beauty-Treatments, Hanteln, Fitnessgeräte und Wundermittel haben wir gekauft? Definitiv zu viele. Und der höchste Preis, den wir gezahlt haben, ist unsere seelische und körperliche Unversehrtheit.

My Body is a Wonderland

Unser Körper, der doch einfach nur ein Wunder ist. Ganz egal ob er hier und dort Dellen oder Kratzer hat. Er ist unser Körper, der uns ermöglicht, all das zu tun, was wir lieben. Der ganze Optimierungswahn in unserer Gesellschaft führt nur dazu, dass man sich ständig unzulänglich fühlt. Social Media ganz vorn mit dabei, zeichnet ein fehlerhaftes Bild von vermeintlich gesunden, normschönen Menschen mit einem perfekt optimierten Leben. Das morgens mit einer Açai-Bowl mit Hanfsamen und einem grünen Fitness-Smoothie beginnt, mit einem "10-k-Morning-Run" weitergeht und mit Poached Eggs auf Avocadotoast plus Golden Milk und einer Yogaeinheit zum Schlafengehen endet.

Hört auf, euch zu vergleichen!

Was ich damit sagen will, ist, dass unser Leben uns gar nicht so optimierungsbedürftig vorkäme, würden wir uns nicht ständig vergleichen. Wie oft habe ich mich nicht hübsch, nicht schlank, nicht "genug" gefühlt, nachdem ich mich mit dem Leben oder dem Aussehen anderer auf Instagram verglichen hatte. Trotz etlicher Joggingeinheiten, weniger Fast-Food und dem Verzicht auf Süßigkeiten.

Mit dem Druck, morgens früh aufzustehen, ein Journal über meine Erfolge zu führen und mich dazu zu zwingen, aus jeder Minute des Tages das Beste herauszuholen, wurde einfach nichts besser. Im Gegenteil, all das machte mich nicht glücklich. Ich liebe es, ab und zu Süßigkeiten zu essen, auszuschlafen und faul zu sein. Trash-TV zu schauen, Pizza zu bestellen und bei Regen in der Wohnung zu bleiben. Mit Freund:innen essen zu gehen und dabei nicht nur den Vorspeisensalat zu bestellen, sondern Bruschetta, Pasta und Tiramisu! Und jedes Mal, wenn ich einen weiteren Optimierungsplan nach drei bis vier Wochen wieder aufgegeben hatte, merkte ich auch, dass ich mich besser fühlte. Denn mein Körper braucht genau das, was ich ihm gebe und wann ich es ihm gebe ­– nicht mehr und nicht weniger.

Mein Vorschlag zum Jahreswechsel wäre folgender: Das Einzige, was wir uns vornehmen sollten, ist weniger Zeit mit Medien zu vergeuden, die uns völlig unnötig unter Stress und Leistungsdruck setzen und uns dafür viel mehr mit Menschen zu umgeben, die uns und unseren Körper lieben. Uns schätzen, uns mental guttun und die niemals auf die Idee kommen würden, uns optimieren zu wollen. Du bist wunderbar, so wie du bist.

Brigitte

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