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Scheidung mit 70 "Warum sollte ich mich wieder um einen alten Mann kümmern wollen?"

Als ihr Mann ihr die Scheidungspapiere entgegenhält, bricht eine Welt für Dr. Gladys McGarey zusammen. Doch dann erobert sie zurück, was sie als Individuum ausmacht – und nicht als Ehefrau.

Sie sind seit 46 Jahren verheiratet – Gladys McGarey ist in jener Zeit fast 70 – als ihr Ehemann Bill Gladys die Scheidungspapiere vorlegt und ihr nahelegt, diese zügig zu unterschreiben. Er selbst hatte sie da bereits seit einem halben Jahr bei sich getragen. 

Mit einem Schlag verliert Gladys nicht nur ihren Ehemann, sondern auch ihren Geschäftspartner: Gemeinsam hatte sie unter anderem mit Bill die American Holistic Medical Association gegründet, sie teilten sich eine Klinik in Arizona, hatten zusammen sechs Kinder großgezogen. Gladys war am Boden zerstört, "zerbrochen", wie sie gegenüber "The Guardian" erzählt. Doch die Scheidung sollte einen Wendepunkt in ihrem Leben darstellen, den sie sich zu Anfang nicht hatte vorstellen können.

"Willst du so weitermachen? Das ist wirklich widerwärtig"

Die Trennung beschreibt sie als das schlimmste, was sie jemals im Leben zu ertragen hatte – schlimmer noch als die Krebserkrankungen in ihren 30ern und nochmal in ihren 90ern. "Es geht nicht darum, über die Dinge hinwegzukommen, sondern sie zu überleben." Doch sie begriff diese großen Herausforderungen als Lehre – die eine lange Zeit brauchte, um bei ihr anzukommen. "Erst mit 93 habe ich es wirklich akzeptiert. Man kommt an den Punkt, an dem man sich irgendwie festhalten kann."

Der Umbruch kam, als sie die Einladung zu Bills Hochzeit erhielt. "Ich war so wütend, ich habe geschrien" erinnert sie sich an diesen Tag. "Ich dachte mir: 'Willst du so weitermachen? Das ist wirklich widerwärtig.'" In dem Augenblick erinnerte sie sich an einen Bibelvers: "Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein."

Und das tat sie: Sie kaufte sich ein neues Nummernschild für ihr Auto mit der Aufschrift "BE GLAD" ("Sei dankbar"), um sich stets daran erinnern zu können, dass es in den vielen Jahrzehnten ihrer Ehe eine Menge gab, dass sie schätzte. Die Scheidung war letzten Endes für sie ein kritischer und bedeutsamer Umbruch in ihrem Leben, erinnert sich Gladys zurück: "Davor hatte ich wirklich kein Vertrauen in meine eigene Stimme." Doch nach der Scheidung "hieß es nicht mehr Bill und Gladys, sondern Dr. Gladys McGarey. Ich eroberte zurück, was ich hatte – nicht nur als Bills Partnerin."

"Warum sollte ich mich wieder um einen alten Mann kümmern wollen?"

Gladys hat nie wieder geheiratet. Warum auch, fragt sie im Gespräch: "Die Leute fragten mich, ob ich wieder jemanden daten würde und ich sagte dann immer: 'Warum sollte ich mich wieder um einen alten Mann kümmern wollen? Nein, danke.'" Zwar bereue sie keine Minute, die sie als Bills Ehefrau verbracht hatte, doch während sein Leben im Jahr 2008 endete, habe ihr Leben "so viele wundervolle Dimensionen angenommen, die vollkommen losgelöst von ihm sind." Mit 86 ging sie in den Ruhestand, bietet aber bis heute telefonische Beratungen an. Sie hat keine medizinische Zulassung mehr, doch: "Niemand hat mir gesagt, dass ich aufhören soll, zu reden." Und die Frau, die einst unsicher war, ob sie überhaupt eine Stimme hat, nutzt diese auch heute noch: Mit 100 Jahren hielt sie einen Vortrag bei TedX über ganzheitliche Medizin und veröffentlichte ein Buch mit einer Anleitung für ein gut gelebtes Leben.

Verwendete Quelle: theguardian.com

csc Brigitte

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