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Zuckerweiße Strände, einsame Dschungel-Inseln, bunte Korallenriffe: Thailands Andamanensee ist für viele Menschen ein absoluter Sehnsuchtsort. BRIGITTE-Autorin Petra Sadowsky entdeckte sie achtsam per Segelboot.
Petra Sadowsky

Das Meer liegt da wie ein zerknittertes Seidentuch in Türkis- und Azurtönen. Hier und da blitzt ein silberfarbener Saum hervor: der Sandstrand eines der Inselchen im Nationalpark Mu Ko Similan im Südwesten Thailands. So schön ist es hier, dass es nach Beweisaufnahmen verlangt. Wer nicht fotografiert oder filmt, vertieft sich in die Landschaft wie eine Malerin, die kein Detail übersehen will. Der Archipel Mu Ko Similan ist der erste Ankerplatz unserer Kreuzfahrt in der Andamanensee, dem östlichen Randmeer des Golfs von Bengalen. Mit dem Motorsegler "Panorama II", einem Zweimaster, 50 Meter lang, drei Passagierdecks, haben wir am Vorabend von Phuket abgelegt. Acht Tage lang werden wir nach Norden segeln, etwa 200 Kilometer bis zur Grenze nach Myanmar, und wieder zurück.

Fast alle Inseln, die wir ansteuern, sind unbewohnt. Bis gegen Mittag die ersten Fähren mit Tagesgästen vom Festland anlegen, werden wir Strände und Dschungelpfade für uns allein haben. Bis vor zwei Jahren haben jedes Jahr an die 900000 Menschen den Archipel besucht, viele blieben über Nacht. Zu viele für die Natur. Ökosysteme an Land und vorgelagerte Riffe drohten zu kippen. Seit 2019 haben die Behörden die Anzahl der Tagesgäste in den Nationalparks der Andamanensee deshalb stark begrenzt – Übernachtungen sind nur noch in Ausnahmefällen möglich.

So sind wir an diesem Morgen die einzigen Menschen hier – ein ideales Klima für den Teamgeist. Wir: Das sind 36 Passagierinnen und Passagiere zwischen Ende 20 und Ende 70, aus Australien, Neuseeland, Kanada, den USA, Israel, Spanien, England, Irland und Deutschland. Die Crew, ähnlich international, stammt aus Indonesien, Ägypten und Griechenland. Aber auch Thais sind an Bord: Zwei der Gäste und unsere beiden Guides sind Einheimische. Nach nur zwei gemeinsamen Mahlzeiten haben wir unsere Nachnamen abgelegt und fallen einander in die Arme, wenn der Boden schwankt. Am Heck versammelt warten wir auf das Schnellboot, das uns zur Insel Ko Similan übersetzen soll.

Der Australier Geoffrey Manchester, einer der Gründer und Manager von Intrepid, dem Veranstalter unseres Törns, ist mit seiner Frau Linda dabei, "als Testurlauber", wie er sagt. Seit 1989 bietet seine Firma nachhaltige Reisen an, unterstützt soziale Projekte und setzt auf Umweltschutz. So sind Plastikflaschen an Bord tabu, wir sind angehalten, abbaubare Kosmetika zu benutzen, der Kapitän lässt statt des Motors so oft wie möglich die Segel hissen, und: "Unsere Kunden sollen auch ein wenig vom Land kennenlernen, statt nur in Kulissen zu schwelgen."

"Listen, please!", ruft Ae, eine der Guides. Sie hat ihr schwarzes Haar zu Heidi-Zöpfen geflochten. Der Landgang muss ausfallen, der Seegang ist zu stark. Es wäre zu gefährlich, ins Motorboot zu klettern. Wir gönnen der Insel ihre Ruhe, sind glücklich an Bord. Nur die Neuseeländerin Kris, eine der Jüngsten, ist unzufrieden. Sie schlägt vor, dass wir ins Boot springen. "Ich springe nirgendwohin!", widerspricht vehement die Australierin Trish, eine der Älteren und zart wie Porzellan. Brad, ebenfalls Australier, macht den Vorschlag, den Kilometer zur Insel zu schwimmen. "Wir beide um die Wette?", fragt Kris. "Sicher", antwortet er. Und während ich schon auf die Jahrzehnte jüngere Kris setze, spricht Ae ein Machtwort: "Nichts da, Befehl des Kapitäns. Wir fahren zur nächsten Inselgruppe und bleiben dort einen Tag länger."

Bald schon fühlt sich diese Kreuzfahrt wie eine Klassenfahrt an. Wir schippern von Mu Ko Similan weiter zum benachbarten Nationalpark Mu Ko Surin, gleiten vorbei an Fischerbooten und Fähren, die leicht schrottig aussehen. Unsere Segel sind Dreiecke vor Unendlichblau, sie summen im lauen Wind. Kris hat sich mit der Situation abgefunden. Sie rückt ihre Liege in den Schatten. Dann eben relaxen.

Am zweiten Morgen betreten wir schließlich Land. Genauer: Wir stelzen durch Türkis. So flach fällt die Bucht von der nördlicheren Hauptinsel Ko Surin Nuea ab, dass das Motorboot uns gut 200 Meter vor dem Strand aussetzen musste. Das knietiefe Wasser ist wannenwarm. Wie durch ein Vergrößerungsglas schaue ich auf den sandigen Boden und auf fingerlange silbrige Fische, die dort entlangflitzen. Wir sind eine Gruppe Traumwandler mit ausgebreiteten Armen.

Ko Surin Nuea, die größte der fünf Inseln im Nationalpark Mu Ko Surin, ist noch üppiger bewachsen als die Similan, die Halbmondbuchten sind breiter, haushohe Findlinge beneidenswerte Dauergäste. Wir breiten unsere Badetücher im Schatten der Felsen aus – und unter den Kathedralendächern der Bäume. Blätter, groß wie Riesenhände, decken den Himmel ab. Luftwurzeln, Gebüsch und meterdicke Stämme verflechten sich zu einem Zaun – der Grenzlinie zwischen Strand und Inselinnerem.

Ein Dschungelpfad führt zur Nachbarbucht, wo sich Holzhütten zwischen Urwaldriesen ducken. Hier sind Übernachtungen noch erlaubt. Es gibt ein Open-Air-Restaurant, Toiletten und Eimer mit gelben, grünen und braunen Deckeln: Mülltrennung. Kaum zehn Minuten liegt die Zivilisation vom Strand entfernt, den wir uns mit niemandem geteilt haben. Wir lauschen dem Chor der Insekten, den Rufen von Vögeln und Makaken-Affen. Bei jedem Rascheln in den Kronen über uns halten wir Ausschau, einige Male haben wir Glück.

An einem Ast hängt eine seltsame Frucht, eine fußballgroße Boje, die an einem Tau befestigt ist. Man kann auf sie springen und im Stehen schaukeln. Ich ziehe mich hinauf und fliege in den Himmel. Welch ein Trip! Die Droge, die mich berauscht, ist Schönheit. In Überdosis.

"Don’t stop us now!", singen wir am Abend. Ein schuhkartongroßer Bluetooth-Lautsprecher dröhnt, die Badeplattform wird zur Tanzfläche, der Sternenhimmel spendiert die Lichtshow, eine Amerikanerin liefert die Playlist. Die "Panorama II" hebt und senkt sich sacht, als würde unter ihr ein Wassergott in der Tiefe schlummern. Wir geben unser Bestes, um ihn zu wecken.

Am nächsten Morgen: schnorcheln. Wir sitzen im Motorboot, das uns zu einem Revier vor Ko Surin bringt, der zweitgrößten Insel des Archipels. Es ist das erste Mal, dass Trish die Unterwasserwelt durch eine Taucherbrille betrachtet – eine Mutprobe für die Porzellanfrau aus Australien. Eine kanadische Polizistin assistiert und reicht ihr eine Schwimmweste, die aufgeklappt als Luftmatratze dient. "Du legst sie unter deinen Bauch, dann kannst du dich ganz aufs Schauen konzentrieren."

Unter der Wasseroberfläche wachsen blaue, gelbe und rote Fächer, bewegen sich wie in Zeitlupe – ein Riff. Ich schwebe darüber hinweg, Schwärme winziger Fische hüllen mich ein, dazwischen handgroße Exemplare in Neonfarben. Trish ist später eine der letzten, die zurück ins Boot klettert: mit Begeisterung in den Augen. Wir anderen applaudieren.

Am vorletzten Tag besuchen wir Ban Talae Nok, ein Dorf auf dem Festland, gut 100 Kilometer nördlich der Urlaubsregion Khao Lak. "Das ferne Dorf am Meer", so die Übersetzung des Namens, wurde vom Tsunami am zweiten Weihnachtstag 2004 regelrecht zermalmt. 47 der 2228 Menschen, die damals hier lebten, starben, darunter viele Kinder. Ihre Eltern hatten sie an jenem Tag zum Strand geschickt, weil sich das Wasser so weit wie niemals zuvor zurückgezogen hatte. Fische lagen im Schlick und konnten wie reife Früchte gesammelt werden, eine Grundschulklasse probte am Strand für eine Aufführung am nahen Neujahrstag. Niemand ahnte, dass eine hohe und immer höher werdende Flutwelle anraste, vor der es kaum ein Entkommen gab.

Wir landen an dem schmalen Strandstreifen, den das Meer damals übrig gelassen hat. Schlammfarben sind die Wellen, die am groben Sand lecken, die feinen Körner sind weggespült, ebenso die stattlichen Palmen, die hier einst standen. Einige kümmerliche Nadelbäume haben Wurzeln geschlagen. Das neue Ban Talae Nok, das mit Mitteln der Regierung und der Hilfe von NGOs aus aller Welt neu erbaut wurde, liegt gut zwei Kilometer von der Küste entfernt, hoch genug, als dass ein neuer Tsunami, sollte er kommen, keinen großen Schaden anrichten könnte. Dafür sollen auch ausgeschilderte Fluchtrouten und ein Frühwarnsystem sorgen, wie nun fast überall entlang der thailändischen Andamanenküste.

Es gibt in Ban Talae Nok keine Attraktionen, nur Alltag. Katzen schleichen über die schmalen Asphaltstreifen der beiden Hauptgassen, Kühe suchen Lücken in den Zäunen um die Gemüsegärten. Über den Höfen hängen Vogelkäfige mit blauschwarz gefiederten Elstern darin, die wilde Artgenossen fernhalten sollen. Alle paar Minuten knattert ein Moped, ein Auto heran.

Es ist Mittagszeit. Die Männer sind auf dem Meer zum Fischen. Die Frauen rühren in Tiegeln, raspeln Kokosnüsse, halten Kinder. Eine winkt uns durchs Fenster heran. Wir stehen auf der Schwelle ihres Hauses. Fotos der Königsfamilie hängen an den Wänden. Auf dem gefliesten Boden: getrocknete Palmblätter. Die Frau zwirbelt und faltet sie zu Zigarettenpapier. Ihr Mann ist Fischer, wie auch ihr erster, der Vater ihrer Tochter. Er habe versucht, dem Tsunami mit einem Moped zu entkommen, erzählt sie, aber er sei zu langsam gewesen. "Mein Kind und ich, wir haben überlebt. Ein Wunder", sagt sie und lächelt.

Zurück auf dem Schiff lehne ich an der Reling, betrachte das tiefblaue Meer und die Küstenlinie in der Ferne. Eine knappe Woche habe ich an Bord verbracht und gerade mal 20 Stunden an Land. Natürlich viel zu kurz, um es wirklich kennenzulernen. Und doch lang genug, um mehr zu sehen als nur die herrliche Postkartenkulisse.

Petras Tipps für die Andamanensee

Hinkommen

Thailand ist von der COVID-19-Pandemie zwar weniger betroffen als andere Länder, dennoch gestaltet sich die Einreise zu touristischen Zwecken derzeit kompliziert: Verlangt wird ein Visum, außerdem eine Sondergenehmigung (Certificate of Entry), beides muss über die Website der thailändischen Botschaft beantragt werden. Es gibt auch Flüge nach Phuket (Tickets ab ca. 550 Euro), doch für alle Einreisenden ist eine 14-tägige strenge Quarantäne auf eigene Kosten in einer staatlich zugelassenen Isolationseinrichtung (meist sind das Hotels) sowie mehrere Corona- Tests vorgeschrieben. Eine Liste der zugelassenen Quarantänehotels findet man auf der Website der thailändischen Botschaft. Die Buchung muss vor Reiseantritt nachgewiesen werden. Weil sich diese Bestimmungen jederzeit ändern können, empfehlen wir, sich vor Buchung einer Reise nach Thailand tagesaktuell zu informieren.

Segel-Reise

Aktuell wird die beschriebene Reise von Intrepid aufgrund von Corona nicht angeboten, um die Menschen, die auf den entlegenen Inseln leben, vor Virus-Einschleppungen zu schützen. Intrepid plant aber, die Reise wieder ins Programm zu nehmen. Buchbar sind auch andere Segeltörns in Thailand – ob und ab wann diese tatsächlich wieder stattfinden können, ist vom weiteren Verlauf des Pandemie-Geschehens abhängig. Preisbeispiel: 7 Tage Segeltörn ab Phuket p. P. ab 1048 Euro.

Erleben

Die thailändischen Meeres-Nationalparks wurden auch vor Corona immer mal wieder befristet für Gäste geschlossen, damit sich die Natur erholen kann. Leider sind die Websites oft nicht aktuell, deshalb am besten rechtzeitig beim Touranbieter erkundigen.

Ban Talae Nok. Ein Dorf, vom Tsunami ausradiert – und weiter im Landesinneren wiederaufgebaut. Helfen kann man den Familien noch heute, indem man Kochkurse bei ihnen bucht, in Dorfläden einkauft oder ein, zwei Nächte Homestay dort einplant.

Khao Lak Octo. Bei der Meeresschutz­organisation kommen Sie mit lokalen Umweltaktivist*innen ins Gespräch.

Mu Ko Surin. Einfach nur herrlich, die Strände und Schnorchelreviere dieses Nationalparks mit seinen fünf Inseln. Ko Surin Nuea bietet Hütten und Campingplätze, ein Spazierweg führt durch den Dschungel. Auf Ko Surin Tai wohnen etwa 300 Angehörige der Volksgruppe der Moken, eines Stammes von Seenomaden, deren Stelzendorf am Strand 2019 durch ein Feuer zerstört wurde. Mittlerweile gibt es neue Holzhütten.

Mu Ko Similan. Zwischen den elf Inseln dieses Nationalparks liegen ebenfalls Schnorchelparadiese. Übernachtungsmöglichkeiten auf Ko Meang, Ko Tachai und der größten Insel Ko Similan.

Mu Ko Kam. Die fünf Inseln sind Teil des Nationalparks Laem Son, kaum erschlossen und nur für Tagesgäste zugänglich. Auf Ko Kam Tok gibt es neben zwei Badebuchten auch einen steilen Kletterpfad durch dichten Wald zum höchsten Punkt. Der Aufstieg lohnt sich unbedingt: Die Aussicht von dort oben ist fantastisch.

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BRIGITTE 03/2021

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