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Zwischen Fjell und Fjord

Norwegen macht süchtig. Helle Nächte, goldenes Licht: ein Mittsommernachtstraum.

Früher musste ich jeden Urlaub im Süden verbringen. Bis ich vor vier Jahren zum ersten Mal nach Norwegen kam. Da war's um mich geschehen. Jetzt ist es wieder soweit. Wir rollen mit unserem Auto von der Fähre, fahren einen Tag, stellen den Wagen ab. Und dann suchen wir erst mal das Weite. Das geht überall. In einem der Nationalparks, wie Hardangervidda oder Rondane. Oder einfach irgendwo im Land, wie dieses Mal im Süden auf der Höhe von Stavanger. Ein Gebiet von 70 mal 100 Kilometern, keine einzige Straße. Nur Wanderwege kreuz und quer; verlässlich leuchtet immer in Sichtweite die nächste Markierung, ein rotes T, auf einem Felsen.

Zelten zwischen Wollgras und Felsen

Wir bauen das Zelt auf, wo es uns gefällt, zwischen Wollgras und Findlingen, die die Gletscher hier liegengelassen haben. Wir hören nichts außer krächzenden Raben und rauschenden Wasserfällen. Das goldene Abendlicht dauert ewig in diesen Sommernächten. Wir schlafen zehn Stunden und wachen auf, wenn Schafe mit bimmelnden Glöckchen über die Zeltschnur stolpern, weil sie unseren Vorräten an Käse und Äpfeln hinterher schnüffeln. Ich schlürfe bäuchlings aus den Gebirgsseen, dusche unter einem sanften Wasserschwall und lege mich zum Trocknen nackt auf die sonnenwarmen, glatten Felsen

Kilometerweit kein Mensch. "Kein Laut, kein Fußtritt auf den Wegen, mein Herz war voll wie von dunklem Wein", so drückte Knut Hamsun, der norwegische Literatur-Nobelpreisträger, es aus. Nirgendwo habe ich mich je so frei gefühlt. Hier ist alles erlaubt. "Jedermannsrecht" heißt die in Norwegen geltende Garantie auf Glück in der Natur. Es gibt Ausnahmen, die sich von selbst verstehen: keinen Müll hinterlassen. Beim Campen oder Picknicken mindestens 150 Meter Diskretionsabstand zum nächsten Haus halten. Aber zu welchem Haus? Norwegen ist auf der Karte von oben nach unten so lang wie die Strecke Sylt-Sizilien und so groß wie Deutschland; doch es hat weniger Einwohner, als es bei uns Arbeitslose gibt

Eine Hütte über dem Fjord

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Einige Tage in der Weite der Berge, und man kann gut wieder Menschen vertragen. Zum Beispiel in einem kleinen Dorf an der Westküste, wo wir für ein paar Tage eine Ferienhütte gemietet haben. Statistisch gesehen, besitzt jede zweite norwegische Familie eine "hytte" an einem Fjord oder im Fjell, im Gebirge; 400 000 sollen es insgesamt sein. Hütte nennt man jedes Ferienhaus, und sei es noch so komfortabel. Unsere hat eine Fußbodenheizung im Bad, eine Sonnenterrasse über dem Fisterfjord und ist so neu, dass sie noch nach frischem Holz riecht.

"St. Hans-Aften" heißt die norwegische Mittsommernacht. Åse und Peter, die hier am Fjord vier Hütten vermieten, haben Gäste und Freunde in dieser kürzesten Nacht des Jahres zum Barbecue eingeladen. Ein Fest, wie es der zurückhaltenden norwegischen Volksseele entspricht: in Grüppchen zusammenstehen, Gespräche über alles und nichts. Ins Feuer starren oder in den Himmel träumen, der sich mit rosagrauem Wolkenmuster im silbernen Fjord spiegelt. Jeder hat etwas mitgebracht, Gläser und Flaschen werden herumgereicht: schottischer Whisky und spanischer Rioja, ein fieser deutscher Wein namens "Rebellenblut" und norwegisches Lysholmer-Bier. Die Angelfreunde aus Thüringen gehen bald ins Bett, weil sie um fünf schon wieder auf den Fjord wollen. Wegen der "fängigen" Stellen

Ein Museum für Ölsardinen

Fische waren jahrhundertelang der einzige Reichtum Norwegens. In einem Gebäude in Gamle Stavanger, dem noch ganz in Holz erhaltenen alten Teil der Hafenstadt Stavanger, ist die Geschichte aus einem originellen Blickwinkel zu sehen: Das Hermetikkmuseum ist wohl das einzige Museum, das sich mit der Bedeutung der Konservendose befasst. In den 20er Jahren gab es noch 70 Fabriken, in denen Abermillionen von Sardinen eingedost wurden. Jeder zweite Arbeitsplatz war in der Ölsardinenindustrie. Heute hängt jeder zweite Arbeitsplatz in Stavanger vom neuen Reichtum der norwegischen Küste ab: vom Öl.

Von Stavanger aus fahren Ausflugsboote in den Lysefjord, zum Prekestolen - Predigerstuhl -, dem berühmtesten Felsen Skandinaviens. Auf dem Landweg ist es eine zweistündige Wanderung, und oben tut sich ein Abgrund auf: 600 Meter senkrecht hinab, ohne Absperrung, ohne Geländer. Ganz Verwegene lassen die Beine baumeln. Wir robben uns heran und äugen hinunter, mit gemischten Gefühlen: ehrfürchtig, aber auch etwas genervt. Das hier und dann nur noch das Nordkap sind die einzigen Plätze in Norwegens Natur, die man sich mit Hunderten von Menschen teilen muss.

Schlafen in Norwegens ältestem Hotel

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Weiter, Richtung Norden, durch buntes Sommerland. Bis in den letzten Arm und Finger des 180 Kilometer langen Hardangerfjords ist der Golfstrom zu spüren, eine halbe Million Apfel-, Kirsch- und Birnbäume stehen hier. Tiefblaues Wasser, kurvige Straßen. Man könnte ewig so weiterfahren. Fjord-hopping: 30 Kilometer Straße, eine Fähre, Straße, Fähre... 160 Inlandsfähren gibt es über die Fjorde Norwegens. Irgendwann legt eine solche Fähre vor einem großen, weißen Holzhaus an. Der Ort heißt Utne, das Haus ist das älteste Hotel Norwegens. Da bleiben wir.

Der nächste Tag: Bergen, die alte Hansestadt. Getümmel an den Ständen des Fischmarktes, kein Tisch frei auf den Terrassen am Zachariasbryggen, direkt am Hafen mit Blick auf sonnenverbrannte Skipper und das Segelschiff "Stadsraad Lehmkuhl". Um halb zwei Uhr nachts ist die Stadt immer noch hellwach. Vor dem Verlagshaus der "Bergens Tidende" werden die ersten frisch gedruckten Zeitungspacken auf Lkws verladen. Junge Leute stehen überall auf den Gehwegen, volle Gläser in den Händen, aus offenen Fenstern und Flügeltüren dröhnt Musik. Schnell feiern, solange Sommer ist.

Reiseservice

Anreise Mit Color Line von Hirtshals/Dänemark (sechs Autostunden von Hamburg) nach Kristiansand. Fjordline fährt vom dänischen Hanstholm an die norwegische Westküste, nach Egersund oder Bergen.

Wohnen entlang der Route

Gurihuset, historisches Jaeren-Haus mit sieben Betten. Jytte und Oddvar Varhaug, Egrå, 4360 Varhaug, Tel. 51 43 03 83. Obrestad fyr, Leuchtturm, zwei Häuser, eine Wohnung. Infos: Hå Kulturkontor, Tel. 51 43 61 50, Fax 51 43 12 11. Rosendal: Traumschloss aus dem Jahr 1665, 25 Zimmer auf dem Pferdegut. Baroniet Rosendal, Tel. 53 48 11 02, Fax 53 48 18 10. Bergen: Romantic Park Hotel, schönes, 100 Jahre altes Haus in ruhiger Lage. Harald Hårfagresgt. 35, N-5007 Bergen, Tel. 55 32 09 60, Fax 55 31 03 34. Utne: Utne Hotel aus dem Jahr 1722, bis 1995 in Besitz der Familie Utne, seitdem gehört es einer Kultur-Stiftung. N-5797 Utne, Tel. 53 66 69 83, Fax 53 66 69 50. Beide gehören zum Zusammenschluss der "Historiske Hotel" in Norwegen: Postboks 1100, N-5001 Bergen, Tel. 55 31 67 60, Fax 55 32 82 52.

Ferienhäuser:

Hüttenurlaub ist eine durch und durch norwegische Art, Urlaub zu machen. Die geschmackvollen, pittoresken Ferienhäuser, sind oft in See- oder Fjordnähe, versprechen Unabhängigkeit, Idylle und Bequemlichkeit. Die allermeisten der norwegischen Ferienhäuser befinden sich in Privatbesitz, werden aber gerne an Feriengäste vermietet. Kataloge sind über das Fremdenverkehrsamt, in Reisebüros oder direkt beim Anbieter erhältlich. Zum Beispiel: www.novasol.de: gehört zu den größten Ferienhausanbietern Nordeuropas und Sie können einen virtuellen Rundgang durch das Haus Ihrer Wahl machen. www.dansommer.de hat mehr als 800 Häuser in Norwegen im Angebot, viele in Luxus-Qualität. Auf Ferienhausurlaub in ganz Europa ist www.wolters-reisen.de spezialisiert. Ferienhäuser in ganz Skandinavien offeriert www.dancenter.com. Norwegischer Anbieter ist Den Norske Hytteformidling (Boks 3404 Bjølsen, N-0406 Oslo, Tel. 0047 / 22 35 67 10, mit Katalogen für Fjordnorwegen (auch die beschrieben Häuser am Fisterfjord) und das Landesinnere.

Essen und Trinken

Die besten Restaurants - zumindest außerhalb der großen Städte - haben die Hotels: Hier gibt es das berühmte norwegische Buffet mit kalten und warmen Spezialitäten, z.B. Rakørret, gesalzene, angegorene Forelle (für uns nur mit Aquavit zu genießen), pinnekjøtt (Lammrippchen), rømmegrøt (eine Grütze aus saurer Sahne mit Zucker, Zimt und Butter), Rentierbraten, Geitost (brauner Ziegenkäse mit Karamel-Aroma), Multebeersahne (süßsaure gelbe Beeren, die nur im Norden wachsen). Alkohol: Bier gibt es (ein wenig teurer als in Deutschland) in den Supermärkten, Wein und Schnaps nur in staatlichen "Vinmonopolets"in den Städten. Eine Schanklizenz haben meist nur Hotels und Restaurants.

Infos

Nordsjøvegen: Prospekte und Infos über die Reiseroute an der Küste. N-4300 Sandnes, Tel. 51 66 20 95, Fax 51 62 82 14. Norwegisches Fremdenverkehrsamt, Postfach 11 33 17; 20433 Hamburg Tel: 0180/500 15 48; Fax: 0180/566 79 29. Im Internet: www.visitnorway.com.

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