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Neu verliebt in New Orleans - eine Reise an den Mississippi

New Orleans
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Fabelhaftes Essen, tolles Nachtleben und diese magische Energie: New Orleans ist immer eine Reise wert. BRIGITTE-Autor Till Raether hat die Stadt besucht, in der er als Student gelebt hat - und sofort wieder Feuer gefangen.

Nein, sie haben mein Haus nicht abgerissen", sagt Marcy und schaut durchs Autofenster auf das leere Grundstück. In ihrem Holzhaus haben wir in den 90er Jahren zusammen Filme geguckt, gekocht und für die Uni gelernt. "Okay", sage ich vorsichtig, "aber dein Haus ist weg." - "Ja", sagt Marcy. "Als die Bauarbeiter kamen, habe ich gesagt: Zeigt mir, wie das Ding funktioniert. Und dann habe ich mich auf den Bulldozer gesetzt und das Haus abgerissen und dabei geheult. Ich wollte nicht, dass das jemand anders macht."

Wegen genau solcher Geschichten bin ich bisher nie nach New Orleans zurückgekehrt, seit der Hurrikan Katrina im August 2005 die Stadt ins Chaos fegte. Nachdem es zu mehreren Brüchen im Deichsystem gekommen war, standen fast 80 Prozent des Stadtgebiets bis zu 7,60 Meter tief unter Wasser. 1994 war ich hier Austauschstudent, Marcy und ich waren jeden Tag zusammen, und es war eines meiner schönsten Jahre. Ein Jahr voller Musik, scharfem Essen, fast unerträglicher Hitze, mit anregenden Menschen, schlaflosen Nächten, Cocktails im French Quarter, auf weißen Holzveranden, unter riesigen Eichen, an denen Mispelzweige bis zum Boden hingen, nachts auf dem Deich, mit Blick auf den mondhellen braungrauen Fluss. Von allem schien es ein bisschen zu viel zu geben in New Orleans: zu viel Hitze, zu viele Drinks, zu viel Chili; die Partys waren einen Tick zu lang und die Tage immer zu kurz.

Nach einem Jahr reiste ich damals ab, die Verbindungen zu Marcy und allen anderen zerrissen. Auf Facebook habe ich sie wiedergefunden, weil mir New Orleans keine Ruhe gelassen hat. Deshalb fährt sie mich jetzt durch die neue Stadt, die wie eine farbenfrohere, unbeschwertere Version meiner Erinnerung ist.

Ja, immer noch ist an Hauswänden zu lesen "Plünderer werden erschossen", aber die Schrift verblasst. Immer noch sind viele Häuser und Straßen zerstört, und viele Menschen konnten nicht zurückkehren. Aber diejenigen, die wieder hier sind, haben ihre Stadt besser aufgebaut, als sie vorher war. Das Düstere liegt in der Vergangenheit. Die Stadt ist weniger gefährlich, sie ist noch ausgelassener und zuversichtlicher als zuvor. Stadtteile haben sich neu erfunden, junge Familien, Künstler und Lebenskünstler aus den ganzen USA ziehen in die Stadt, die zeigt, dass nach einer Katastrophe alles besser werden kann. Vielleicht gibt New Orleans jenen Städten, die gerade vom Wirbelsturm Sandy hart getroffen wurden, Hoffnung, wie man gestärkt aus einem Desaster hervorgehen kann.

Früher war New Orleans eine Stadt, die einem auch Angst machen konnte. Heute zeigt sie einem, wie es sich anfühlt, wenn man keine Angst mehr hat. Weil man auf sich und die Zukunft vertraut. Alle Leute, die ich hier getroffen habe, sagten: "Erzähl allen, wie schön es hier ist." Es klang, wie man klingt, wenn man gern von etwas Gutem abgeben möchte, weil es mehr Freude macht, wenn man Schönes mit anderen teilt.

French Quarter: immer noch das Party-Zentrum

New Orleans
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Die Altstadt ist einerseits Touristenfalle, andererseits wunderschön: weiße und pastellfarbene zweistöckige Häuser mit Innenhöfen und geschmiedeten Balkonen, von denen Partygäste einem bunte Plastikketten zuwerfen. Die Bourbon Street geht mitten hindurch. Schon tagsüber weht die Musik aus den Clubs auf die Straße und umgekehrt von den Straßenmusikern in die Bars und Cafés. So dass man nie weiß, ob man lieber drinnen oder draußen wäre. Die meisten Clubs verlangen keinen Eintritt.

Coop's Place. In diesem Restaurant am Rande des French Quarter treffen sich die Einheimischen, essen Salat mit gegrillten Shrimps oder die köstlichen roten Bohnen mit Reis, scharf gewürzt, eine gute Grundlage für das dunkle Bier aus der örtlichen Abita-Brauerei. Gerichte schon ab 10 Euro (1109 Decatur Street, Tel. 525 90 53).

Red Fish Grill. Ein lässiges Seafood-Restaurant. Lecker knusprig ist zum Beispiel Schnapperfisch mit Zwiebelcarbonara, ca. 15 Euro (115 Bourbon St., Tel. 598 12 00, www.redfishgrill.com).

Sylvain. In dieser neuen Bar sitzt man herrlich draußen im schmalen Hinterhof unter bunten Lichterketten. Mal Whiskey-Cola probieren (ca. 5 Euro), denn die Cola ist hausgemacht: Sie schmeckt nach Zimt, Muskat und etwas Schokolade (625 Chartres St., Tel. 265 81 23, www.sylvainnola.com).

Zwei neue Szene-Straßen: Frenchmen Street und Magazine Street

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In die Frenchmen Street, an den östlichen Rand der Altstadt, ist nach dem Hurrikan Katrina die Jazz- und Feierszene umgezogen. Die meisten Clubs sind nahe dem lauschigen Washington Square Park zu finden, zum Beispiel der Spotted Cat Music Club (623 Frenchmen Street, Programm unter www.spottedcatmusicclub.com), d.b.a. (618 Frenchmen Street, www.dbabars.com/dbano) oder The Three Muses (536 Frenchmen Street, www.thethreemuses.com).

Die Magazine Street war schon immer schön, aber seit Katrina sind hier viele neue Mode- und Antiquitäten-Läden entstanden. Im Grunde kann man sie ganz entlangbummeln, von der Innenstadt nach Uptown und bis zum Univiertel, immer wieder mit Abstechern nach Norden in den prachtvollen Garden District (zum Beispiel zum reich verzierten viktorianischen Haus von Sandra Bullock, Coliseum Street Ecke Fourth Street). Anfangen sollte man mit einem herzhaften Frühstück bei Slim Goodies Diner, z. B. der "Orleans Slammer", eine Art Frühstückssandwich mit Rösti, Chili, Speck, Eiern und Cheddar, ca. 8 Euro (3322 Magazine Street, Tel. 891 34 47). Mittags dann ins altmodisch französische, aber ganz neue Eckrestaurant Coquette, wo es einen der besten Deals der Stadt gibt: ein Drei-Gänge-Mittagsmenü aus regionalen Produkten für unter 20 Euro (2800 Magazine Street, Tel. 265 04 21, www.coquette-nola.com).

Junge Köche und ihr schmackhaftes Konzept

New Orleans war schon immer berühmt für seine Küche. Die jungen Köche der Stadt schwören auf Gemüse, Fleisch und Fisch direkt vom Erzeuger. Einige Restaurants lassen ihr eigenes Gemüse in Gemeinschaftsgärten vor den Toren der Stadt anbauen und halten sogar ihr eigenes Schlachtvieh. Zum Beispiel diese:

Cochon. Szeniges, entspanntes Restaurant in einem alten Lagerhaus im Warehouse District. Chefkoch Stephen Stryjewski hat auch eine Kochschule und nebenan ein Bistro, in dem man sogar Pralinen mit ausgebratenem Speck bekommt (Hauptgerichte ab 15 Euro, 930 Tchoupitoulas Street, Tel. 588 21 23, www.cochonrestaurant.com).

Patois. Nahe dem Audubon Park haben alte Schulfreunde dieses liebenswerte Restaurant mit international inspirierter, aber einheimisch verwurzelter Küche eröffnet (6078 Laurel Street, Tel. 895 94 41, www.patoisnola.com).

High Hat Cafe. In der Freret Street in Uptown, die früher eher verwaist und zwielichtig war, hat sich eine ganze Restaurant- Szene angesiedelt, wie dieses familienfreundliche Restaurant. Probieren: Catfish, eine Welsart, im Ganzen gebraten, ca. 11 Euro (4500 Freret Street, Tel. 754 13 36, www.highhatcafe.com).

Lower Ninth Ward: wo Brad Pitt alles richtig macht

Wer wissen will, was in New Orleans während und nach Katrina passiert ist, muss den östlichen Stadtteil Lower Ninth Ward besuchen. Hier zerstörten Sturm und Deichbrüche mehr als 4000 Häuser, in denen vor allem arme und ältere Afro-Amerikaner lebten. Hollywoodstar Brad Pitt gründete nach dem Unwetter die Organisation "Make it right", die seitdem Unvergleichliches leistet: Internationale Architekten haben ohne Honorar hunderte unterschiedlicher Öko-Häuser gebaut, in die die alten oder neue Bewohner einziehen können, mit Finanzierungshilfe und Mitsprache bei der Planung. Ein Besuch ist eine Lektion in Hilfsbereitschaft und Zuversicht.

Mit dem Auto kann man einen Führer anheuern und eine Spende für den Wiederaufbau geben (www.lowernine.org, Tel. 344 48 84). Mehrstündige Radtour ca. 42 Euro/P (www.ninthwardrebirtbiketours.com, Tel. 909 99 59).

The Bywater: das Viertel für Hipster und Kreative

New Orleans
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Früher war The Bywater ein düsterer, abweisender und gefährlicher Teil der Innenstadt. In die leer stehenden, verfallenen Häuser sind Menschen gezogen mit der Sehnsucht, aus dem heruntergekommenen Viertel etwas Neues zu machen. Eine davon ist Amy Knoll, die in einem selbst renovierten alten Kutscherhaus Bon Castor (3207 Burgundy Street) aufgemacht hat, einen Laden mit Mode, Kunst und Geschenken aus dem Viertel. "Es gibt hier wenig andere Läden, keine Supermärkte, kein H&M, darum haben die Leute hier im Bywater angefangen, alles selbst zu machen", erzählt sie. "Sie bauen Gemüse selbst an, schneidern ihre Sachen selbst und machen ihre eigenen Geschenke." Amy und ihr Freund waren im mittleren Management der Möbel- und Designkette "Urban Outfitters" in Chicago, als sie sich vor einem Jahr, mit Ende zwanzig, entschlossen, nach New Orleans zu ziehen: "Wir wollten eine neue Perspektive, und hier merkt man, dass man viel weniger braucht, als man dachte."

Der Stadtteil The Bywater hat nichts Angestrengtes, kein Gepose, und von Amys "Bon Castor" aus kann man gut die neu erwachte Gegend erkunden. Direkt gegenüber ist das tolle Restaurant Maurepas (3200 Burgundy Street, Tel. 267 00 72, Ziegenfleisch-Tacos mit Koriander- Paste, ca. 6 Euro!), wenige hundert Meter um die Ecke der rosafarbene Schallplattenladen Euclid Records, den zwei Vinyl-Enthusiasten gegründet haben (3401 Chartres Street, www.euclidnola.com). Daneben, in Elizabeth's Restaurant, gibt es den sagenhaften Dream Burger mit Schimmelkäse und karamellisiertem Bacon, ca. 10 Euro (601 Gallier St., Tel. 944 92 72, www.elizabethsrestaurantnola.com).

Restaurant-Klassiker: Essen mit viel Spektakel

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Die klassische Gastroszene der Stadt ist seit mehr als 100 Jahren in der Hand weniger Familien, liebt das Geschmacksspektakel, serviert alles mit Alkohol und betrachtet das Restaurant als Bühne.

Wer sich dafür interessiert, sollte im Restaurant Arnaud's als Absacker einen "Café brûlot" bestellen: Da flambiert die Kellnerin bei Tisch über Kaffee mit Orangenlikör eine mit Nelken und Zimt gespickte und mit Brandy übergossene Orangenschalen-Spirale, ca. 6 Euro (813 Bienville Street, French Quarter, Tel. 523 54 33, www.arnaudsrestaurant.com). Und am nächsten Morgen zum Frühstück "Bananas Foster" bei Brennan's (in Butter sautierte und mit Rum flambierte Bananen mit Vanilleeis, ca. 8 Euro). Die Genussfreude liest man hier schon auf der Speisekarte: "Frühstück ohne Wein ist wie ein Tag ohne Sonne" oder "Verdammt seien alle Diäten!" (417 Royal Street, French Quarter, Tel. 525 97 11, www.brennansneworleans.com).

Die Chill-out-Fähre

Wenn einem die Stadt zu heiß und turbulent wird, kann man direkt vom French Quarter auf und über den Mississippi fliehen: Die Fähre zum Stadtteil Algiers auf der anderen Flussseite ist für Fußgänger kostenlos, fährt von morgens um sechs bis Mitternacht alle halbe Stunde und bietet ein traumhaftes Stadtpanorama. Und in Algiers hinterm Deich sogar einen Strand mit Blick auf die Innenstadt (Abfahrt der Fähre nach Algiers Point am Canal Street Dock, beim Riverwalk und Aquarium).

Gute Hotels: falls Sie doch mal schlafen müssen

Jazz Quarters. Wunderschöne Cottages in einem Innenhof mit 200 Jahre altem Garten, zwischen French Quarter und Louis Armstrong Park. Ganz neu, erstaunlich ruhig und liebevoll mit Antiquitäten eingerichtet. DZ/F ab ca. 100 Euro (1129 St. Philip Street, Tel. 523 13 72, www.jazzquarters.com).

Hubbard Mansion Bed & Breakfast. Don und Rose Hubbard, ein älteres afroamerikanisches Ehepaar, haben dieses prachtvolle Gebäude nach dem Vorbild eines 200 Jahre alten Südstaaten-Herrenhauses aufgebaut. Herzliche, aber nicht aufdringliche Atmosphäre, spektakuläres Frühstück. DZ/F ab ca. 110 Euro (3535 St. Charles Avenue, Tel. 897 35 35, www.hubbardmansion.com).

The Columns. Klassiker in beeindruckender Südstaaten-Villa, steht unter Denkmalschutz. Sehr schöne Bar. Genau wie das Hubbard Mansion direkt an der historischen Straßenbahnlinie, die ins French Quarter führt. DZ ab ca. 80 Euro (3811 St. Charles Avenue, Tel. 899 93 08, www.thecolumns.com).

Balcony Guest House. Preisgünstige und etwas einfachere, aber hübsch eingerichtete Pension im angesagten Stadtteil Bywater. DZ ab ca. 60 Euro (2483 Royal Street, Tel. 945 44 25, www.balconyguesthouse.com).

New Orleans French Quarter. Künstlerisch gestaltetes Kettenhotel mitten im French Quarter, aber mit ruhigem Innenhof (Außenpool), in behutsam restauriertem altem Stallgebäude. DZ ab 150 Euro (316 Chartres Street, Tel. 581 12 00, www.wfrenchquarter.com).

So klingt die Stadt: Musiktipps für New Orleans und für zu Hause

Trombone Shorty. Der junge Jazz- und Funk-Posaunist (CD: "For True", Verve/ Universal) spielte schon als Kind im Stadtteil Tremé als Straßenmusiker und gilt derzeit als angesagtester Musiker aus New Orleans. Hin und wieder hört man ihn auch im legendären Musikclub "Tipitina's" (501 Napoleon Avenue, www.tipitinas.com).

Rebirth Brass Band. Tubas, Trompeten, Schlagzeug, Saxophone und Posaunen: der klassische Sound der Straßen von New Orleans, der sich immer wieder neu erfindet. Dienstag abends spielt die legendäre Band (CD: "Rebirth of New Orleans", Basin Street/Sunny Moon) meist in der "Maple Leaf Bar" (8316 Oak Street, Tel. 866 93 59, www.mapleleafbar.com), am Wochenende in der Frenchmen Street.

Meschiya Lake and The Little Big Horns. Blues-Balladen wie von Billie Holiday, gesungen mit schwermütiger, ausdrucksstarker Stimme: Meschiya Lake, jung, weiß, total tätowiert und aus South Dakota, ist in New Orleans, weil ihre Musik nirgendwo anders hingehört (CD: "Lucky Devil", Continental, z. B. über iTunes). Sie tritt immer wieder in der Bar "Mimi's" im Stadtteil Marigny auf (2601 Royal Street, Tel. 872 98 68, mimisinthemarigny.net).

Auch gut zu wissen

Telefon. USA 001, New Orleans 504.

Beste Reisezeit. Frühjahr oder Herbst. Im Sommer ist die subtropische Stadt außerordentlich heiß und schwül (dafür bieten viele Hotels im Juli Sonderpreise an). Besonders ereignisreich, aber auch überlaufen und teuer ist die Stadt rund um große Festivals: Karneval (Höhepunkt an Mardi Gras,Tag vor Aschermittwoch), French Quarter Festival (Mitte April) oder Jazz Festival (Mai). Termine: www.neworleanscvb.com.

Rumkommen. New Orleans ist eine der wenigen US-Städte, die man sich mit Bussen, Straßenbahnen und zu Fuß erschließen kann (Tageskarten für öffentliche Verkehrsmittel kosten drei Dollar, im Bus oder Streetcar).

Auskunft. Die deutsche Internetseite der örtlichen Touristen-Information: Stadtportal mit Nachrichten, Veranstaltungshinweisen, Restaurant- und Shopping-Tipps: www.nola.com.

Lesen. "City Trip New Orleans": kompakt, aktuell und mit Stadtplan (Reise Know-How, 9,80 Euro).

Mehr Infos finden Sie hier: www.neworleans.de

BRIGITTE 1/2013

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