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Unter Cowboys: Ranchurlaub in Kanada

Cowboys gibt's nur im Film? Von wegen! In Kanada kann man sogar Ferien bei ihnen machen. Barbara Schaefer hat bei ihrem Ranchurlaub Rodeoreiten und Kühefangen gelernt.

Eigentlich gibt es nur zwei Erklärungen: Mr. Bojangle versteht mich nicht. Oder Mr. Bojangle will mich nicht verstehen. Das Ergebnis ist und bleibt frustrierend: Mr. Bojangle bewegt sich nicht. Nicht nach links oder rechts und schon gar nicht im Kreis. Erst als Gerry neben mir steht und sagt: "Drück deinen Schenkel gegen seinen Körper. Halte einen Moment an und lass den Druck dann nach", macht Mr. Bojangle, was ich von ihm will. Gerry grinst unter seinem ins Gesicht gezogenen Hut und murmelt: "Pferde sind wie Tanzpartner. Und wer drauf sitzt, führt." Mr. Bojangle, ein braunes Pferd mit blonder Mähne und einer großen Blesse auf der Nase, ist für die nächsten Tage mein Tanzpartner. Auf der "Bent Creek Ranch" in Alberta, Kanada, auf die ich gekommen bin, um das Leben der Cowboys kennen zu lernen. Um Kühe zu treiben. Und um Rodeo zu reiten. Oder es zumindest zu versuchen. Und weil nun mal jeder Cowboy ein Pferd braucht, hat Gerry mir Mr. Bojangle "zugeteilt". Ein Rancher weiß nämlich, welche "personality" zu welcher "horsenality" passt.

Gerry und Kathy Karchuk führen ihre Ranch seit sieben Jahren, sie haben 21 Pferde, 100 Kühe plus Kälber und 100 Hektar Land. Ihr Haus ist nordamerikanisch-funktional, aus Holz, das hell gestrichen ist, inklusive Kamin mit Kuhfell davor. Kathy ist kaum im Stall, sie reitet nicht gern, kümmert sich lieber um die Gäste und arbeitet halbtags als Lehrerin.

Gerry dagegen lebt für die Pferde. Er ist auf einer Ranch aufgewachsen und liebt den Westen von Kanada, "weil der keine Himmelsrichtung, sondern eine Lebensweise ist". Er redet langsam und bedächtig, und wenn er zwischen seinen Pferden umherläuft, bewegt er seinen Körper mit minimalem Aufwand. Den Großteil seines Gesichts versteckt er hinter einem üppigen Schnauzer, den Rest unter einem Hut (gleich am ersten Tag lerne ich, dass hier niemand Cowboyhut sagt - nur Hut), und trotzdem werde ich den Eindruck nicht los, dieser Mann habe ständig ein leicht amüsiertes Lächeln im Gesicht. Grund genug hätte er dazu, so wie ich und die anderen Gäste da in der Arena, einem staubigen, mit Metallrohren umzäunten Viereck vor dem Ranchhaus, stehen: Hüte auf dem Kopf, Cowboystiefel an den Füßen, lange Karohemden über engen Jeans und Gürtelschnallen mindestens so groß wie Ribeye-Steaks. Cooles Outfit - das die Pferde kein bisschen beeindruckt.

"Ihr könntet eurem Pferd einen Vorschlag machen", erklärt uns Gerry, "von Gewalt halte ich allerdings gar nichts." Genauso wenig wie von der Theorie, den Willen eines Pferdes erst brechen zu müssen, damit es seinem Reiter folgt.

Als Mr. Bojangle mir endlich folgt, bin ich so begeistert, dass ich ihm freundschaftlich und aus Dankbarkeit seitlich auf den Hals klopfe. Um dafür selber einen Schlag auf die Schulter zu bekommen, der mich beinahe aus dem Sattel hebelt. "Was at das Ferd dir getan, dass dü es aust?", fragt eine Stimme neben mir. Es ist Cecile, eine Schönheit aus den Pyrenäen, Typ Carla Bruni und Reitlehrerin. Ihr biegsamer, muskulöser und gleichzeitig graziler Körper steckt in Jeans und einem schlampig in den Bund gesteckten rotweißen Hemd, ihre weißen Zähne und ihre blaue Augen strahlen, wenn sie ihr freches Lachen lacht. Einen Sommer lang arbeitet Cecile auf der Ranch, angeblich um eine Abschlussarbeit ihrer Universität zu recherchieren. Nebenbei bringt sie Touristen wie mir richtiges Reiten bei. Oder junge Männer in Verlegenheit: "Müüve yourr bodi, it is a sexsual müüvement", sagt sie zu einem jungen Mann, der etwas unbeholfen im Sattel sitzt. Cecile macht ihm die Bewegung vor, rollt im Sattel die schlanken Hüften vor und zurück. Der Cowboy schluckt mit roten Ohren.

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Gerry erzählt, er stelle nie Männer ein. "Deren Ego ist mir einfach zu groß." Ich verstehe genau, was er meint, als ich einen Computertechniker aus München beobachte, der an einem Zaun lehnt und sagt: "Ausreiten? Was mich interessiert, ist Probleme lösen." Offensichtlich gefällt es ihm, wenn wenigstens ein Pferd tut, was er will - er kommt seit vier Jahren hierher.

"Probleme lösen" ist ein gutes Motto für das, was wir einige Tage später tun - Rodeo spielen, oder wie es genau heißt: "Cattle Cut". Celine treibt eine Horde von 20 Rindern in die Arena, die Kühe tragen Knipser mit Nummern drauf im Ohr, wie Steifftiere. Gerry sagt: "Nummer 14, Nummer 23 und Nummer 7", dann müssen wir im Zweiterteam genau diese drei Rindviecher in der Arena über die Mittellinie in die andere Hälfte treiben. Und zwar nur diese. Zur Krönung wird dabei auch noch die Zeit gemessen, in der uns das gelingt. Oder in der wir scheitern.

Eine stille Touristin aus Süddeutschland ist die Erste. Ruhig reitet sie auf die Rinder zu. Die weichen ihr verwundert aus, trotzdem schafft Frau Cowboy es gemessenen Pferde-Schrittes, die drei Gesuchten erst in eine Ecke zu treiben und dann über die Linie zu bringen. Nicht unbedingt in Spitzenzeit, es gibt aber auch keinen Punktabzug wegen zusätzlicher Rinder im Almabtrieb. Ich komme mir bei meinem ersten Versuch vor wie ein Fuchs im Hühnerstall, beim zweiten klappt es, aber Gerry sagt dennoch: "Punktabzug." Warum? Es waren doch nur die geforderten Kühe . . . Gerry sagt: "Unerlaubtes Galoppieren."

Was für uns lustiges Spiel ist, ist Alltag auf einer Ranch. Immer wieder, etwa für das Brandmarken, müssen Tiere aus der Herde geholt werden. Und dieser Cowboy-Alltag ist der Ursprung des Rodeosports. Denn in früheren Zeiten trat irgendwann mal eine Ranch gegen die andere an, und aus kleinen Zweierwettkämpfen wurden Großveranstaltungen wie die "Calgary Stampede".

An diesem Tag der "Calgary Stampede" tut Albertas größte Stadt, als wäre sie noch eine Stadt von damals: Männer schießen mit Platzpatronen aufeinander, die Stampede Queen Amanda Kochan glitzert in rosafarbenem Cowgirl-Dress und schwört, sie liebe Reiten, ihre Stadt und natürlich den Westen. Und eine Indianer-Parade, die auf keinen Fall so heißen darf, sondern politisch korrekt "Members of First Nation Parade" genannt wird, zieht durch die Straßen, als wären sie Schluchten irgendwo draußen in wilder Natur. Dabei sind es Hochhausschluchten, denn Calgary ist im richtigen Leben eine Öl-Boomtown. Ein Haus am Stadtrand kostet 400 000 Dollar, ein Apartment in Downtown das Doppelte. Vier Fünftel aller Kanadier leben in Städten, denn Viehzucht lohnt sich nicht mehr. Deswegen holen sich Rancher wie Gerry Gäste ins Haus. Ihre Söhne und Töchter gehen weg. Die Töchter studieren, die Söhne "machen in Öl". Die meisten . . .

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"Einen Tag", sagt Dustin Thompson, habe er es auf einem Ölfeld ausgehalten. "Da wusste ich, mir würde etwas Besseres einfallen." Und so lehnt er jetzt breitschultrig am Gatter zur Rodeo-Arena. "Bull Riding" war seine Alternative zum Öl. Die gefährlichste Sportart der Welt sei das, sagen sie hier - ein Ritt auf einem wilden Bullen, bei dem acht Sekunden das Maß aller Dinge sind. So lange müssen sich die Reiter auf den zuckenden Rücken halten.

Doch ob Bull Riding, Steer Wrestling, Calf Roping oder Bronc Riding - der Sieger eines Wettbewerbs in Calgary, dem Rodeo mit den höchsten Gewinnquoten, kann 100 000 Dollar in die Taschen seiner Jeans stopfen. Die Guten sind nach ein paar Jahren Millionäre. Über 7500 Rodeosportler kämpfen jährlich in Kanada auf 650 Veranstaltungen um Preisgelder von über 30 Millionen Dollar. Und keiner von ihnen schont sich dabei.

Echte Cowboys haben sich so ziemlich jeden Knochen schon gebrochen, die Knie sind mehrfach operiert, Innereien wieder zusammengenäht. Sie riskieren ihr Leben, denn ein rasender Bulle kann jederzeit zutreten. Und doch: Nicht nur das Geld treibt die Jungs ins Stadion. Sie kämpfen einen archaischen Kampf gegen Tiere, sind für acht Sekunden die Helden der Arena. Hören aus 30 000 Mündern den Jubel, sehen 30 000 weiße Hüte in der Sonne strahlen. Abends trinken sie in Kneipen ein paar Biere und essen große Fleischportionen, weil schon an der Tür ein Schild mit der Aufschrift hängt: "The West Wasn't Won With Salad" - der Westen wurde nicht mit Salat erobert. Sie wohnen in riesigen Trailern, moderne Planwagen, die hinter der Arena geparkt sind; und nach ein paar Tagen ziehen sie weiter, zum nächsten großen Rodeo, wo sie sich alle wieder treffen. "Die Kameradschaft unter den Männern ist groß", sagt Dustin Thompson, denn alle haben dieselben Gegner: Bullen, die "Blind Date" heißen oder "Carla's Pet", Carlas Kuscheltier.

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Die Zuschauer lieben das alles. Auch das Planwagenrennen. Aus dem Stadion heraus, hinter der Tribüne vorbei und dann rasanter Zieleinlauf. Das fetzt, das ist Western auf Breitleinwand, die Luft voller Sand, die Gespanne blähen ihre Nüstern, die Wagenlenker spielen Ben Hur. Der Planwagen war früher der Versorgungswagen, mit Koch, Herd und Geschirr. Fuhren zwei Planwagen in die Stadt, musste derjenige, der zuletzt ankam, das Bier bezahlen. Heute geht beim Rennen etwas schief. 30 000 Menschen halten die Luft an, auf der Stadionleinwand sieht man Getümmel, hinter der Tribüne ein Knäuel. Ein Unfall! Schließlich rast ein Krankenwagen heran, der Stadionsprecher lobt Ärzte und Veterinäre. Neben mir holt ein Mann sein Mobiltelefon heraus, wählt und fragt besorgt: "Wie geht es den Pferden?"

Beim "Barrel-Race", dem einzigen Wettkampf für Frauen, denke ich an Mr. Bojangle, mein Pferd. Die Cowgirls reiten Slalom um Ölfässer herum, lange Haare fliegen im Wind, per Schenkeldruck lassen sie ihre Pferde durch den Sand rasen. So schlecht war mein eigener Schenkeldruck ja eigentlich auch wieder nicht, denke ich. Ob Mr. Bojangle sich vielleicht vorstellen könnte, mich zum nächsten "Barrel-Race" zu begleiten?

Reise-Infos Ranchurlaub in Kanada

Anreise

Von Frankfurt mit Air-Canada ab 634 Euro nach Calgary (www.aircanada.com). Vom Flughafen geht's mit dem Mietwagen ca. dreieinhalb Stunden Richtung Süden zur "Bent Creek Ranch".

Telefon

Die Vorwahl von Kanada ist 001.

Unterkommen

Die Bent Creek Ranch von Gerry und Kathy Karchuk bietet verschiedene Arrangements für Anfänger und Fortgeschrittene. Ab 513 Euro, inklusive Unterbringung und Reitkurs (Bent Creek Western Vacations, Box 542, Fort Macleod, Alberta Canada, TOL OZO, Tel./Fax 403/553 39 74, www.bentcreek.ca).

Weitere Guest-Ranches im Bundesstaat Alberta findet man unter www.albertacountryvacation.com.

Reiseveranstalter wie Canusa Touristik und Canada Reise Dienst ( www.crd.de) haben Guest- und Working-Ranches in Kanada im Programm, aber nicht im Katalog. Pauschalarrangements werden auf Wunsch erstellt, zum Beispiel für die Homeplace Ranch, 40 Kilometer südwestlich von Calgary: Sechs Übernachtungen im DZ kosten pro Person ab 1064 Euro inkl. VP, Flug Frankfurt-Calgary und dem Transfer zur Ranch (www.canusa.de).

Rodeo

Die "Calgary Stampede" findet jedes Jahr im Juli statt, 2015 vom 3.7. bis zum 12.7. Weitere Infos unter www.calgarystampede.com.

Lesen

Baedeker Reiseführer Kanada Westen. Besonders ausführliches und spannendes Kapitel zum Staat Alberta, Interessantes zu den Nationalparks (500 S., 25,95 Euro, Mairdumont).

HB Bildatlas Kanadas Westen. Zum Durchblättern und Appetitholen für zu Hause (116 S., 8,50 Euro, HB Verlag).

Kanada. Der Westen on tour und Marco Polo Reiseführer Kanada West. Fürs Handgepäck, beide vom Amerika-Spezialisten Karl Teuschl (144 S., Polyglott-Verlag, und 140 S., Mairdumont, je 9,95 Euro).

Info

Canadian Tourism Commission, www.travelalberta.com.

Text: Barbara Schaefer Fotos: Birgit-Cathrin Duval; iStockphoto.com Karte: Illustregesellschaft Ein Artikel aus der BRIGITTE 12/09

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