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Spaniens schönste Dörfer

Oña, Frías und Poza de la Sal - wer hier Ferien macht, der fragt sich bald: Warum nicht bleiben?

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Es war unser zweiter Tag in Oña, wir saßen auf der Plaza bei einem Café con leche. Da kam der Metzger vorbei und legte eine Blutwurst auf den Tisch. "Nur natürliche Zutaten nach einem Rezept von meinem Opa. Die müsst ihr probieren", schwärmte Jorge. "Den Eber hättet ihr erst mal sehen müssen. Groß wie ein Löwe. Beinahe hätte ich ihn erwischt", grinste der Mann am Nachbartisch, der von Beruf Weinbeutelmacher ist. Und Maria, die gerade ihre Geschenke-Boutique in der ehemaligen Dorfapotheke eröffnet hatte, lud uns fürs Wochenende zum Spanferkel-Grillen. Wir beschlossen zu bleiben.

Manchmal tut eine solch überschaubare kleine Welt einfach gut. Man kommt an, braucht weder Stadtplan noch Reiseführer und fühlt sich gleich wohl. Weil ein Dorf die Sehnsucht nach Idylle stillt, weil man innehalten kann und nicht von einem Highlight zum anderen hetzten muss, weil man schon bald Bekannte trifft, die einem vergnügt "hola" zurufen. Das alles bezauberte uns in Oña, auf halbem Wege zwischen den Städten Bilbão und Burgos im Norden Spaniens gelegen. Und wir entdeckten gleich in der Nähe noch zwei Dörfer, in die wir uns verliebten: Frías und Poza de la Sal. Die drei nennen sich stolz "Raíces de Castilla", Wurzeln Kastiliens. Sie bilden den Ursprung dieser Region, die lange gleichbedeutend war mit Spanien. Wir erfuhren, wie Grafen und Könige die Dörfer stark machten mit Türmen, Burgen und Klöstern in einer Zeit, als der Kampf zwischen Kreuz und Halbmond noch lange nicht zu Ende war. Und wir lernten junge Leute kennen, mit Aufbruchstimmung und guten Ideen, die diese Wurzeln heute wieder pflegen.

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In hellen Vollmondnächten schließt José, den alle in Oña Janfri nennen, seine Bar auf der Plaza früher als sonst. Der 45-Jährige hat sie erst vor kurzem mit einem wandgroßen Bildschirm und einer guten Musikanlage ausgestattet, wofür ihm sämtliche Jugendliche im Dorf fast die Füße geküsst hätten. Janfri zurrt sein Kanu auf dem Jeep fester, fährt die paar Kilometer runter zum Ebro und paddelt bis zu der Stelle, an der die Reste einer alten Mühle aus dem Wasser ragen. Dann legt er sich ins Boot und lässt sich treiben. Er hört die Wildschweine trappeln und die Eulen rufen, er sieht das Schilf schwanken, spürt diese unerklärliche Energie um sich herum. Wie oft hat er hier schon überlegt, nach Burgos zu ziehen, wo er deutlich mehr Geld verdienen würde. Aber diese wunderbare Natur direkt vor der Tür aufgeben? Niemals.

Auf dem Rückweg nach Oña hat er oft den Großvater vor Augen, wie er abends mit seinen Schafen von den Wiesen herunterkam. Dann trotteten sie gemeinsam über den Marktplatz mit dem Brunnen und den vornehmen Häusern. Auf dem Klosterplatz trafen sie manchmal den Dorfpfarrer. Dem mussten alle im Dorf die Hände küssen. Janfri tat das nie mit Inbrunst.

Das Kloster San Salvador gehörte zu den mächtigsten Alt-Kastiliens und dominierte jahrhundertelang den Ort. Das bedeutete Schutz, aber auch Starrheit. Und darin verharrte Oña noch lange, nachdem erst die Benediktiner und dann die 900 Jesuiten ausgezogen waren. Erst viel später, in den 60er Jahren, zog ein Krankenhaus ein. Aber in die Klosterkirche geht Janfri heute noch gern. Es ist eine Schatzkammer Spaniens. Das wuchtige Portal und der Kreuzgang in strenger Gotik, daneben romanische Fenster und Bögen mit orientalischem Flair. Der Innenraum voll Pomp und Gepränge, inszeniert von Künstlern ersten Ranges.

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Männer hocken in der Mühlen-Bar in Poza de la Sal. Itziar, die Archäologin, schüttelt ihre wallende Mähne und setzt sich zu ihnen. Alles diskutiert über die Frage, wo in der Provinzhauptstadt Burgos, eine dreiviertel Stunde entfernt, nun McDonald's sei. Nur Angel weiß es genau, weil er als Ingenieur dort arbeitet und wohnt. Aber viel lieber esse er hier, verkündet er. Fast jedes Mal, wenn er an drei Tagen als Halbtags-Bürgermeister in Poza ist, schaut er bei Köchin Feli in der "Casa Martin" vorbei. "So gute Hausmannskost bekommst du in Burgos nicht." Die Alten in der Runde fragen Itziar, was sie denn hier wolle. "Poza ist doch kein Platz, an den man zurückkommt." Und Itziar sagt resolut: "Oh doch."

Schließlich ist die 40-Jährige nicht zufällig Archäologin geworden. Als kleines Mädchen hat sie in Poza noch miterlebt, wie die letzten Familien auf den Salinenfeldern schufteten. Es waren Tausende gewesen. Alle zwei Stunden wendeten die Arbeiter das Salz in gleißender Sonne, bis das Wasser verdampft war. Wie schon im Mittelalter, als der gigantische, 500 Meter hohe Salzdom unter der Bergkruste das Dorf reich gemacht hatte. Und nicht nur Poza. Immer wieder erzählten ihr Salinenleute, wenn sie alte Scherben fanden: Die kommen aus der Römerstadt. Sie muss hier irgendwo vergraben liegen. Gekümmert hat sich keiner darum. Später ging Itziar fort, studierte und dachte an das Salz und die versunkene Stadt. Bis sie schließlich die Gelegenheit bekam, ein Informationszentrum mit aufzubauen. Ist doch gut, wenn die Kinder aus der Stadt erfahren, wie das Salz entsteht, das bei ihnen zu Hause aus dem Streuer rieselt.

Sie zeigt ihnen die alten Salinen, die Brunnen, die Lagerhäuser, die mittelalterlichen Gassen des Ortes. Immer bergauf und bergab. Sie sehen Häuser aus Tuffstein und Fachwerk mit schmiedeeisernen Balkonen und Gärten, in denen die schönsten Rosen blühen. Im Basar, in dem es alles gibt vom Fingerhut bis zum Ameisenvernichter, kaufen die Kinder Bonbons. Das war mal ein Haus von Adel. Itziar zeigt auf das steinerne Wappen auf der Wand.

Dann steigt Itziar mit den Kindern hinauf zum Schloss. Thymian duftet. Wind rauscht. Ein waghalsiger Einstieg in die Ruine. Bis zum Horizont reicht der Blick, über Wiesen und Weiler. Direkt unter ihnen liegt Poza, in einer Falte des Berges eingenistet. Seht ihr den Hügel daneben? Das ist die alte Römerstadt der Flavia Augusta. Sie auszugraben, das wäre wirklich ein Traum.

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In der Ferne ragt Frías auf seinem Hügel aus der Einsamkeit wie eine Illusion. Kaum auszumachen, wo der Felsen aufhört und die Häuser anfangen. Drum herum erheben sich weitere Tafelberge, und dazwischen dehnt sich die Ebene. Die Häuser scheinen über dem Abgrund zu hängen. Darüber die zinnenbewehrte Ruine eines Schlosses, bewacht von einem Turm. Dieser Auftritt fasziniert Dorien jedes Mal, wenn die 37-jährige Künstlerin in Richtung Frías fährt. Der Ort mit seinen 300 Einwohnern gefiel ihr auf den ersten Blick. Vielleicht war auch das ein Grund, zu bleiben. Aber eigentlich war es Zufall. Sie lacht, wenn sie daran denkt, dass sie und Jorge vor neun Jahren aus Holland aufgebrochen waren, um für ein paar Wochen nach Argentinien zu reisen. Seine Eltern sollten seine zukünftige Frau kennen Wer hier Ferien macht, der fragt sich bald: Warum nicht bleiben? lernen. Doch vorher wollte sie ihr Spanisch aufbessern. So kamen sie in die Gegend, als Touristen, und waren entzückt von Frías. In La Aldea, fünf Kilometer entfernt, kauften sie für 3000 Euro ein Haus. Es gehörte einem Schäfer und war eine Bruchbude.

Diese verrückten Ausländer, sagten sie im Dorf, als Jorge und sein Künstlerfreund Fernando vor dem Schloss den modernen Brunnen aus Granit mit Tonschindeln installierten. Sie organisierten Ausstellungen für die Dörfer in der Umgebung, den Wettbewerb "Encantapájaros", mit Scheuchen, die Vögel erfreuen. Das fanden alle toll.

Dorien und Jorge haben noch viel vor mit Frías, aber erst mal wollen sie unbedingt ihre Reise nach Argentinien nachholen. Mit ihrem Söhnchen, dem ersten Baby in Aldea seit fast vierzig Jahren.

Reise-Infos: Oña, Frías, Poza de la Sal

Service Vorwahl für Spanien: 00 34. Anreise: von Bilbão (Iberia, Air Berlin) aus rund 90 Kilometer entfernt.

Oña

Unterkommen: Hotel Camino Condal. Altes Stadthaus von Janfri, ruhig an einem Platz mit Platanen und Brunnen. Sechs Zimmer, viel Holz und alte Möbelstücke. DZ/F 90 Euro (C/Padre Cereceda 6, Tel. 947/30 00 14, www.caminocondal.com).

Casa de la Judería. Restauriertes Ferienhaus mitten im Ort. Vier Etagen, Salons mit Kamin, fünf DZ, drei Bäder, rustikale Einrichtung, nur komplett zu mieten. 180 Euro/Nacht, 750 Euro/Woche (C/Pestino 3, Tel. 650/74 75 59, www.casajuderia.com).

Essen: Meson el Cazador. Lokale Küche, z.B. Rinderfilet mit Paprika neun Euro (C/Ronda 33).

Bar Deportivo auf der Plaza Mayor. Salat und Sandwich.

Einkaufen: Hausgemachte Morcilla, Blutwurst in der Metzgerei Mari Paz (C/Estudio 10).

Schafkäse aus Rohmilch verkaufen Schäferin Isabel Gomez Viadas und ihr Mann in ihrer Käserei La Majada, in der Dorfstraße von Barcina de los Montes.

Auskunft: Oficina Municipal de Turismo im Rathaus, l. 947/30 00 01

Frías

Unterkommen: Casa La Solana. Extravagantes Ferienhaus in einem ehemaligen Stallgebäude. Vier DZ mit Bad, Küche und Wohnzimmer, komplett zu mieten. 240 Euro/Nacht, 800 Euro/Woche, oder das einzelne DZ 55 Euro (C/Mercado 24, Tel. 947/35 72 62, www.lasolinadefrias.com).

Casa Pili. Drei-Zimmer-Pension mit einem Bad, sehr schlicht. DZ/F 30 Euro (C/ San Franciso 12, Tel. 947 35 85 65, www.circulopyme.com/casapili).

Auf dem Campingplatz am Ebro mit kleinem Strand sind Holz-Bungalows zu mieten. 40 Euro/zwei Personen (Tel. 947/35 71 98, www.campingfrias.com).

Essen: Restaurante Ortiz. Spezialitäten: Gerichte mit Pilzen, Wild, Forellen, Mittagsmenü 10 Euro, inklusive Wein (C/ El Mercado 21).

Einkaufen: Kunsthandwerk bei Yara artesania (C/El Mercado 15).

Auskunft: Oficina de Turismo Parque Alfonso VII Tel. 947/35 80 11

Rathaus Tel.947/35 87 61 www.ciudaddefrias.com

Poza de la Sal

Unterkommen und Esen: Hotel und Restaurante Casa Martín. Außerhalb der alten Stadtmauer, 13 saubere, einfache Zimmer. DZ/F 60 Euro. Feli kocht kastilische Küche, z. B. Lamm aus dem Ofen, Paprika gefüllt mit Blutwurst, Menü 17,50 Euro (Tel. 947/30 21 03).www.casamartin.com

Auskunft: Ayuntamiento Rathaus Tel. 947/30 20 46

Feste: Cronicón de Oña, mittelalterliches Schauspiel über die Anfänge des Klosters und Kastiliens. An fünf Abenden um den 15. August von 22 Uhr an in der Klosterkirche San Salvador.

Fiesta del Capitán in Frías: Vier Tage um den 24. Juni, der Ort feiert damit seine Befreiung von den napoleonischen Truppen.

Danza de Escarrete de Poza de la Sal. Zu Ehren des heiligen St. Blasius tanzen am 3. Februar oder am Sonntag davor Paare in Trachten, damit bitten sie um ein erfolgreiches Jahr.

Ausflüge:

Zum Baden im Fluss: in Pedrosa de Tobalina auf der Durchgangsstraße kurz nach der Bar Velez rechts in die Calle la Campa einbiegen, nach 50 Meter links eine schöne Badestelle mit mehreren Becken.

In die Wildnis von Valdivielso: Streckenverlauf: Oña - Cereceda - Hoz - Tartalés de los Montes und über Trespaderne zurück oder weiter bis zur wunderschönen romanischen Kirche San Pedro de Tejada. Ein Weg, der vorbeiführt an üppig grünen Wäldern, Felsen, Ebro-Schluchten, Wasserfällen und Weilern.

Der Wanderweg "Raíces de Castilla" verbindet abseits der Straße alle drei Orte. 43 km lang, empfehlenswerte Tagesetappen, z. B. von Poza de la Sal nach Oña (16 km/41/2 Std) oder zwischen Oña und Frías (27 km/7 Std).

Sportliche Aktivitäten: "Ulu-aventura" bietet z. B. Kanufahren, Rafting, Canyoning, Mountain-Biking und Reiten an. Station neben dem Campingplatz in Frías (Tel. 659/095302, www.uluaventura.com).

Pauschal: Entdeckungsreisen durch Kastilien und andere spanische Regionen organisiert der kleine Reiseveranstalter "Viajes Azor La Moraleja" für Alleinreisende und Gruppen von 10 bis 15 Personen. Beispiel für Kastilien und Teruel: fünf Tage für zwei mit Auto, detaillierten Plänen, sehr guten Hotels, zwei Abendessen, Eintritte, 650 Euro/Person

Camino de la Huerta 80 E-28109 Alcobendas Madrid Tel. 916/508 082 www.evamannfeld.com

Text: Nicole Schmidt Fotos: Björn Göttlicher, Visum, Bilderberg, Mauritius Karte: Gabi Wilhelmi Service: Anja Keul BRIGITTE Heft 18/2006

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