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Runter von der Matte, rauf aufs Brett

Yoga und Surfen haben ziemlich viel gemeinsam. Nicht nur, dass man bei beiden Sportarten manchmal große Schwierigkeiten hat, das Gleichgewicht zu halten

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Es ist acht Uhr morgens und ich bin am Boden. In der Kindhaltung, die Augen geschlossen. Ein Medley aus den Geräuschen des erwachenden Ortes im Ohr. Vögel zwitschern, es rauscht das Meer, irgendwer rückt irgendwo Stühle. »Atmet langsam ein«, sagt Yoga-Lehrerin Cecilia - mit einer Stimme, so beruhigend wie eine sanfte Brandung - »Und aus.«

Es ist nämlich so: Ich habe »Surf for Soul« gebucht. Eine Woche in der Wave-Culture-Surflodge in Burgau, einem kleinen Ort im Südwesten der Algarve, nicht weit von den Wellen des Atlantiks. Dazu fünf Tage morgens Yoga, tagsüber Surfkurs. Erst Matte, dann Brett. Viele Profisurfer praktizieren Yoga. Da kann die Kombination für eine Surfanfängerin wie mich nur gut sein. Ich bin gespannt. Nee, ich meine natürlich: total entspannt!

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Daran arbeite ich nämlich seit einiger Zeit mit meinen »Surf for Soul«-Gefährten (beim Yoga lauter Frauen, nur ein Mann!). Wir machen Sonnengrüße, Dreiecke, Krieger, harren im Hund, beugen uns vorwärts, balancieren im Baum und recken im Schulterstand die Füße gen Himmel. Bis wir nach einer Stunde in die Tiefenentspannung gleiten dürfen. Savasana. Mit geschlossenen Augen auf dem Boden liegen. Während der Duft von frischem Kaffee in die Nase schleicht.

Als wir Yogis schon fit am Tisch auf der Terrasse sitzen, schlurfen die übrigen Lodge-Bewohner mit noch müden Augen herbei. Es gibt Müsli, Obst, Joghurt, Brötchen und eine gute Gelegenheit Cecilia zu fragen, weshalb Yoga gut fürs Surfen ist. Es schult zugleich Kraft, Beweglichkeit, Gleichgewicht und Atmung, sagt sie. All das brauchen wir auch beim Surfen. »Wellenreiten ist im Grunde wie ein Tanz auf dem Wasser«, sagt Cecilia. »Und wie beim Tanzen geht es darum, offen zu sein, sich auf den Tanz einzulassen. Das kannst du aber nur, wenn du ein stabiles Körpergefühl hast.«

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Der Tanz beginnt. Aus den Boxen schallen die Red Hot Chili Peppers. Wir nicken mit den Köpfen. Nicht, weil wir so musikalisch sind, sondern weil der Weg es so will: Er ist mit Schlaglöchern gepflastert. Wir hüpfen in den VW-Bussen auf und ab. Steil geht es hinab in eine einsame Bucht, auf die, dunkelgrün und majestätisch, dicke, fette Brecher zuwalzen. Sie bäumen sich auf, verfärben sich für Momente türkis. »Yeah, break it down, baby!«, brüllt Surflehrer Rafael, genannt Rafa, dem Meer entgegen, das im Nu weiße Kronen aus Gischt trägt. »O je!«, denke ich. Mit den Wellen tanzen - schön und gut. Aber müssen es gleich SOLCHE sein? Kann ich - bevor ich mit King Kong schunkele - nicht erst mit einem Zwerglein proben? Auch die vier Stuttgarter aus meinem Bus sind verstummt. Bis einer ruft: »Wer will schon ewig leben!«

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Recht hat er. Obendrein ist die Landschaft zu schön, um hier und jetzt Bedenken anzumelden. Außerdem, hat Cecilia gesagt, hilft Yoga dabei, in ängstlichen Momenten die Ruhe zu bewahren. »Warm-up«, ruft einer der Surflehrer. Wir laufen, hüpfen und dehnen uns und werden im Anschluss in Gruppen eingeteilt.

Rafa, der die Anfänger übernommen hat, redet, als ob's um einen Tanzkurs geht: »Dies ist euer Partner für den Rest der Woche«, sagt er und klopft auf sein Board. Unsere Partner sind zwischen zwei und drei Meter lang und an Land ehrlicherweise etwas unhandlich, vor allem, weil man die Burschen vom VW-Bus zum Strand tragen muss ...

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Wir zwängen uns in Neoprenanzüge - der Atlantik ist im Schnitt nur 17 Grad warm, und das ist nicht gerade karibisch. Ins Schwitzen kommen wir aber trotzdem. Bei Trockenübungen am Strand: Es gilt, den Take-off zu lernen. Jene Technik, mit der man vom Brett aufsteht.

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Und weil man im Wasser vor Aufregung sowieso wieder alles vergisst, üben wir wieder und immer wieder. Dazu paddeln wir mit den Armen im Sand. Denn Surfen besteht wohl zum größten Teil aus Paddeln. Zum zweitgrößten aus dem Warten auf die Welle. Und nur am wenigsten aus dem Wellenritt. Auch dafür dürfte die Yoga- Praxis nicht schlecht sein, lehrt sie doch Geduld und Gelassenheit.

Die Bretter neben uns waten wir in die Wellen. Anfänger üben im »Weißwasser«, nah am Strand. Es reicht bis zur Brust. Darunter hämmert das Herz. Eine Welle rollt auf mich zu. Ich drehe das Brett und mich herum. Schmeiß mich bäuchlings darauf. Paddele. Will abheben. Da haut es mich - Wuuusch - herunter. Ich wirbele durchs Wasser. Habe keine Ahnung, wo oben, unten, rechts oder links ist. Dies ist mein erster Waschgang. So nennen es die Surfer, wenn die Welle einem zum Salto verhilft, unter Wasser, versteht sich.

Immer wieder haut's einen vom Brett, verpasst man Wellen, versaut das Timing. Gut, dass Rafa am Strand steht und seinen Zöglingen ein Mantra zuraunt: »Enjoy! Habt Spaß, ganz egal, wie weit ihr kommt!« Technik ist nicht alles, sagt er. Und dass niemand am ersten Tag stehen können muss. Es geht erst mal ums Gefühl. Fürs Meer. Darum, die Wellen lesen zu lernen. Zu verstehen, wann sie brechen, welches der beste Zeitpunkt ist, aufs Brett zu hüpfen. »Entspannt euch! Der Rest kommt von allein!«

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Der Take-off 1. Bäuchlings auf dem Brett liegen, mit dem Oberkörper nach oben kommen, Arme dabei durchdrücken 2. Die rechte Schulter nach hinten drehen und den rechten Fuß neben dem linken Knie aufstellen (sieht aus wie eine Playboy-Pose aus den 80ern) 3. Den linken Fuß nach vorn schnellen lassen und zwischen den Händen platzieren. Stehen, federn und die Arme ausbreiten. Willkommen in der Surferpose!

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Es geht also ums Loslassen. Wie beim Yoga. »In Brasilien ist Surfen übrigens schon lange eng mit Yoga verbunden«, erzählt Rafa. »Das machen dort alle, vor allem die Profis.« Denn es stärkt nicht nur den Körper, sondern auch den Kopf. »Wenn du in den großen Wellen surfst, musst du selbst in Momenten großer Anspannung locker und konzentriert bleiben«, sagt Rafa. Rafa surft, seit er Kind ist. Ständig sei er mit seinen Freunden Surfen gewesen, damals in Brasilien. In der Teen- agerzeit, vor der Schule, morgens um halb fünf, zogen sie durchs Dorf und klopften an die Fensterscheiben der Kumpel, bis alle beisammen waren. Die Bretter unterm Arm, die Freiheit im Blut, ging's zum Strand. Das Studium der Meeresbiologie hat Rafa vor Jahren nach Portugal verschlagen. Und heute wünscht er sich manchmal, dass Surfen wieder out ist. »Der Ruf hat sich verändert. Surfen ist heute sehr angesagt und die Strände sind voll von Leuten, die Markenklamotten tragen«, sagt er. »Doch leider surfen viele aus den falschen Gründen. Um gesehen zu werden. Und nicht für sich selbst.«

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Ich staune. Surfen ist spiritueller, als ich dachte. Ich spüre das in den nächsten Tagen. Irgendwann wird man im Wasser ganz ruhig. Aufregung wird zu Freude. Angst zu tiefem Respekt. Und zu einer - auch, wenn's kitschig klingt: größeren Liebe zum Meer.

Und dann, in einem selbstvergessenen Moment. Wenn man in den Wellen spielt wie ein Kind. Wenn man aufhört nachzudenken, wenn die Bewegungen wie von selbst ablaufen, wenn man vertraut, statt kontrolliert. Dann, plötzlich: Steht man! Auf dem Brett. Schwebt und fliegt. Mit der Welle. Und ist darüber so erstaunt, dass man schreit und sofort ins Wasser fällt.

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Doch das macht nichts. Man hat getanzt, für eine Sekunde, zwei, vielleicht drei. Plötzlich weiß man, wofür man das hier tut. Und man wird es wieder tun. Sich in die Wellen stürzen. Berauscht. Lechzend nach mehr. Bis man so kraftlos ist, dass man zum Strand taumelt und liegen bleibt wie gestrandet. Kichert, als sei man bekifft.

Denn, bei allem Respekt fürs Yoga - eines hat nicht funktioniert: Meinen gierigen Geist hat es nicht besiegt. Mich nicht befreit von Besessenheit. Ich habe nichts mehr im Kopf - außer Wellen. Ich will mehr, immer mehr. Mehr vom Meer.

Das Wave-Culture-Surfcamp von Stefan Strauss liegt in Burgau, einem kleinen hübschen Örtchen an der Algarve. Man kann in der Surflodge (inkl. Frühstück) oder in separaten Apartments wohnen. Alle Infos unter: www.surfing-algarve.com. Eine Woche Unterkunft im DZ in der Surflodge und 5-tägigem Surfkurs kostet ab 428 Euro pro Person. Buchbar von April bis November. Das Yoga-und-Surf-Angebot »Surf for Soul« gibt es vier Mal im Jahr, es beinhaltet: 7 Übernachtungen in der Surflodge (mit Frühstück), von Mo-Fr morgens je eine Yoga-Stunde mit anschließendem Surfkurs. Im Laufe der Woche gibt es eine hawaiische Massage. Kosten: ab 549 Euro. Stefan Strauss hat mit Ralf Götze auch ein Handbuch für Wellenreiter geschrieben: »Wave Culture - Faszination Surfen«, 192 Seiten, 24,95 Euro. Infos übers Wellenreiten gibt's auf der Website: www.waveculture.de

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Weitere Surfcamps, die Surfen und Yoga anbietenPortugal

Das »The Surf Experience«- Camp von Dago Lipke liegt ebenfalls an der Algarve, in Lagos. Infos unter: www.the surfexperience.de In Peniche (nördlich von Lissabon) gibt es das Maximum Surfcamp von Max Reuter. Infos unter: www.maximumsurfcamp.com

Kanaren

Yoga und Surfen nur für Frauen bietet Birgit Koch auf Lanzarote in ihrem Surfcamp Wavesisters an: www.wave sisters.com Surfen und Hatha-Yoga gibt es im Rootstyle-Camp von Stefan Gautschi auf Fuerteventura. Infos unter: www.rootstylecamp.com

Frankreich

Wavetours hat seit diesem Jahr in seinen Surfcamps in Frankreich auch Yoga im Programm. Infos unter: www.wavetours.com

Fotos: Nuno Araújo/Magic Moments Text: Andrea Walter Ein Artikel aus der BRIGITTE Balance 01/09

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