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Mallorca: Ringe selber schmieden

Schmirgeln, schleifen, löten. Das soll Urlaub sein? Ja. Erstens, weil's Mallorca ist, und zweitens richtig schön: Schmuck selbst machen.

Man muss schon gute Gründe haben, eine Urlaubswoche lang im Keller zu sitzen. Hinter dieser Tür, schmal und unauffällig. Obwohl drum herum Mallorca ist. Insel mit Olivenhain-, Finca-, Sand- und Sonnencharme. Wo die Tage immer besser werden, je älter sie sind: goldgelbes Licht ab fünf, satter Knoblauchduft ab sieben, sanfte Brise ab neun. Auch Artà ist so, die Kleinstadt im Nordosten, unser Ort, eine Woche lang. Kleine Gassen, kleine Plätze - für stundenlanges Kaffeetrinken, Wandern zur Burg, Stöbern im Supermercado.

Aber dafür sind wir nicht hier. Wir wollen etwas lernen. Über Gold und Silber und wozu die eigenen Hände in der Lage sind. Unser Lehrer heißt Tasso, in seiner Werkstatt unter seinem Haus wollen wir arbeiten. Und da sind wir nun, stehen in der Carrer Figueral 25 in Artà: vier Frauen, vier Leidenschaften. Christa schwärmt für Halsschmuck in Reifenform, Elke für Anhänger aus Meer- Mitbringseln, Barbara für flotte Broschen. Und ich? Ich komme an keinem Schmuckgeschäft vorbei, ohne die Auslagen zu inspizieren. Und finde doch, die schönen Stücke sind immer irgendwie im Weg. Beim Sport, beim Spülen. Neugierig bin ich aber, so wie die Täschnerin, die Gabelstapler-Fahrlehrerin und die Kostümbildnerin, aus Köln, Berlin, Bad Neuenahr. Neugierig aufs Schmuckmachen - und auf Tasso.

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Tasso, das ist Wilhelm Mattar, 56 Jahre alt, international anerkannter Schmuckdesigner mit vielen Ehrungen, Ausstellungen, et cetera. Bekannt in London, Tokio und Barcelona. Ein Guter, der weiß, was er kann. Ohne Hochmut, ohne Dünkel. Mit Weißhaar und Weißbart, Brille auf der Nasenspitze. Der im Baumwoll-T-Shirt durch sein Städtchen schlappt und gern Witze macht, weil ihm das Inselleben noch immer jeden Tag die Seele kitzelt: Seit acht Jahren lebt er hier mit Frau und Kindern. Sein Keller hat diesen Namen nicht verdient. In Wahrheit ist er eine kleine, feine Werkstatt. Sauber. Hell. Aufgeräumt. Wir schauen uns um und legen los mit Variante "einfach". Aus einer der vielen Schachteln suchen wir uns ein Stück 935er-Silberblech heraus. Tasso walzt es platt, wir biegen es rund. Am Schraubstock. Die beiden Enden verlöten wir mit seiner Hilfe, doch unser Ring-Rohling ist noch nackt und bloß. Wie wird daraus ein Schmuckstück? Brauchen wir Rubine, Smaragde, Perlen? "Vor allem braucht ihr Fantasie", sagt Tasso und unterweist uns im Veredeln. Da wären: feilen, bis der Rohling blinkt, ihn in ein Säurebad tunken, aus dem er gleißend wieder auftaucht. Schleifen, schmirgeln, polieren.

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Um die Mittagszeit staunen wir bereits alle: Einen richtigen Ring streifen wir über unsere Finger. Der ist zwar schlicht, kann aber mit den Modellen auf dem Samttablett des Flohmarkthändlers zu Hause mithalten. Wir haben uns eine kleine Feier verdient. Tasso führt uns zum Mittagessen, quer durch Artàs' kleine Gassen. Vorbei an Bürgerpalästen, der Plaça Espanya und dem Museu Regional. Vorübergehende lachen und grüßen. Im "C'an Balanguer" genießen die Señoras und Señores um diese Zeit schon ihren Vino tinto und ihre Sopa de pescados oder führen einen Fächer in Richtung schweißfeuchte Stirn. Es dampft und zischt aus der Küchenklappe, Teller scheppern, Gabeln blitzen. Und über allem schwebt der Klangteppich aus dem harten Mallorquin.

So werden von nun an unsere Tage sein: Vormittags vertiefen wir uns in die Arbeit über den Werkbänken in Tassos kühlem Souterrain, stärken uns mittags im Patio seines Hauses an Paella und kaltem Weißwein, den uns Ulrike, seine Frau, serviert, und fahnden nachmittags auf eigenen Wegen nach Inspiration und Entspannung. Manchmal führt uns diese Suche auf den Wochenmarkt des Nachbarortes Capdepera, manchmal in die wunderbare Badebucht Cala Clara nahe Colonia de San Pedro, oft auch nur quer über die Terrasse, an den Pool unserer Finca. Die steht in Son Severa, ein paar Autominuten von Tassos Haus entfernt, am Ende eines einsamen Weges, hoch auf einem Hügel, davor das Meer. Über ihre Ecken und Erker klettert eine Bougainvillea mit rosa Blüten, im Stall hinterm Haus fläzen sich schwarze Ferkel an der Zitzenbrust ihrer Mutter. Hier sitzen wir vier Frauen - Elke, Christa, Barbara und ich - morgens unter stahlblauem Himmel, säbeln vom Serrano-Schinken und Pecorino-Käse dünne Scheiben ab. Hier amüsieren wir uns über das "Gecko-Ballett", das sich auf der Unterseite unseres Terrassendachs abspielt. Hier trinken wir bei Kerzenlicht einen Roten mehr. Und hören uns das Glöckchengebimmel der Ziegen und Schafe in den angrenzenden Olivenhainen an wie ein Konzert.

Mitte der Woche wird es heiß in Tassos kaltem Keller - wir schmelzen Klümpchensilber überm Bunsenbrenner. Nach ein paar Sekunden wabert schillernder Brei in den Schmelzpfännchen. Zum Abkühlen gießen wir den in verdrahtete Sepia-Scheiben oder in Ölsand. Beides sind Gussformen, in die wir vorher das Schmuckobjekt unserer Wahl gestanzt, gepresst oder geschabt haben. Jede Substanz hat ihren Vorteil: Der Ölsand gibt die feinste Maserung des Gießobjektes wieder, die Sepia-Scheiben - Tintenfischknochen - eignen sich für robuste Vorlagen. Ich nehme den Ölsand, streiche ihn in seinem Kasten glatt, drücke eine Muschelhälfte fest hinein und bedecke den entstandenen Hohlraum mit gepresstem Sand. Zuletzt stochere ich einen Gusskanal in diese Ölsand-Muschel-Gießform und lasse sie von Tasso absegnen. Zwischendurch streut unser Lehrer Begriffe wie Schmelzstelle, Schieblehre, Gießstift oder Spanndraht in die Runde. Das hört sich an wie ein Berufsschulseminar im Stahlwalzwerk, ist aber gemütlicher.

"Schmuck machen und Workshops anbieten", hatte Tasso eines Tages in seiner Kölner Werkstatt entschieden, "das geht da unten auch." Da unten - das war Mallorca. Sogar besser geht es hier, findet er heute: "Das Wetter fällt einem nicht ständig auf den Kopf." Die Wahrheit ist: Seine Nichte ist schuld. Komm zu meiner Hochzeit, sagte die, sein erstes Mal Mallorca war das, er war sogleich entflammt. Und sich bald einig mit Ulrike. In Artà fanden sie "ihr Haus", an dem noch einiges zu machen war; ein Glücksfall für den Bastler und Bauer Tasso, der schon als Kind aus Mutters Knöpfen und Vaters Zinnlot "Kunst" zusammenfabrizierte. Der schon heimlich seine Zukunft als Kreativer plante, als er noch - im ersten Leben - am Schreibtisch eines Instituts in Köln über soziologischen Traktaten brütete.

Am Ende plumpst aus meinem Ölsandkasten eine Silbermuschel in Tassos Wasserbecken. Ich fische sie heraus und spüre Handwerkerstolz. Sieht gut aus, mein Produkt, kunstvoll und filigran. Wie damals Mutters Kettenanhänger. Weil aber mein Muschelstück noch toller werden soll, feile und schmirgle ich akribisch an ihm herum, graviere meinen Namen in die Rückseite und befestige mit Tassos Hilfe und einem Lötkolben eine Öse dran. Beinahe seltsam erscheint es mir, dass ich alles Geschmeide, angesammelt an runden Geburtstagen und anderen Jubiläen, schon vor Jahren in die Tiefen meines Badezimmerschrankes verbannt habe. Schmuck ist schön, Schmuck macht Spaß, denke ich. Am Ende der Woche klunkert es ganz schön an uns herum. Wir breiten unsere Ringe und Broschen auf Tassos Gartentisch aus und finden des Künstlers Gnade. Überraschenderweise sogar seinen Respekt. Denn Christas Voodoo-Püppchen mit Silber-Accessoires lässt ungeahnte Kreativität durchblitzen: Was man aus Strandgras alles machen kann. Unser Handwerkskurs hat funktioniert. Gebräunt tragen wir unsere ganz besonderen Souvenirs nach Hause. Mein Muschelanhänger blinkt am Schlüsselbund. Vielleicht schon bald an meinem Hals.

Reise-Infos: Kreativ auf Mallorca

Zu buchen bei: Tasso Mattar, C. Figueral 25, E-07570 Artà, Mallorca, Tel. und Fax 00 34/971/56 20 02, E-Mail: . www.mattar.de.

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Text: Judka Strittmatter Fotos: Sabine Steputat

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