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Kanada: Wildnis the easy way

Wälder und Wasser entspannt erleben: Julia Weidenbach war fünf Tage lang mit dem Hausboot in Ontario unterwegs.

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Hausboot fahren macht zufrieden. Und süchtig. Einmal an Bord, möchten wir unser schwimmendes Gefährt kaum noch verlassen. Natürlich könnten wir eine Wanderung unternehmen. Wir könnten uns Fahrräder leihen oder ein Kanu. Aber wir fühlen uns viel zu wohl auf unseren paar Quadratmetern. Mein Lieblingsplatz ist am Bug, wo ich ganz nah über dem Wasser sitze und den Wind spüre. Mein Freund Joachim ist vom Steuer kaum wegzubekommen. Er genießt es sichtlich, Kapitän zu sein, studiert die Navigationskarten und hat sich schnell mit den technischen Besonderheiten des Schiffes vertraut gemacht. Ich bin gerne Matrose. Mein Einsatz ist hauptsächlich in den Schleusen gefragt. Die meiste Zeit kann ich in Ruhe die vorbeiziehende Landschaft beobachten.

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Aufregend wird es abends. Statt an einem offiziellen Liegeplatz wollen wir an einer kleinen Felsinsel ankern. Einer muss ins seichte Wasser, um das Seil um die zwei kleinen Kiefern zu wickeln, die auf der winzigen Insel stehen. Das Boot läuft beinahe auf einem der flachen Felsen auf. In der Schraube haben sich Algen verfangen. Der kleine Anker liegt erst beim zweiten Wurf fest am Boden des Sees. Aber dann sitzen wir zufrieden am Heck des Bootes, wo ein Propangrill steht. Irgendwo schnattern Gänse, einige Schüsse sind in der Ferne zu hören. Hin und wieder erinnert ein Brummen am Himmel daran, dass wir nicht weit von Toronto entfernt sind. Die Wasseroberfläche leuchtet rosa. Mit der untergehenden Sonne kommen die Fischerboote. Wir sehen die Angler als Silhouetten, sie winken zu uns herüber. Irgendwo in der Ferne singt jemand ein Lied, vermutlich in einem der vielen Ferienhäuser am Ufer.

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Gänseschreie holen uns morgens aus dem Bett. Jetzt hängt rosafarbener Nebel über dem Schilf, während wir auf dem Deck frühstücken. Nur unser knatternder Motor stört die Stille. Den mussten wir schon mal anwerfen, weil er das Wasser für die Dusche wärmt.

Dann die erste Schleuse: Hoch und etwas bedrohlich kommt uns die von Algen überzogene Mauer vor, an deren oberer Kante das Boot vorne und hinten nur mit einem Seil befestigt wird.

Und etwas unheimlich ist es, als sich die Kammer nach und nach mit sprudelndem Wasser füllt. Aber das wird schnell Routine. Die Handgriffe an Bord sitzen, wir sind ein eingespieltes Team. Das Schöne am Reisen auf einem Hausboot: Man hat keine anstrengenden Aufgaben und doch das Gefühl, ständig etwas zu tun.

Hin und wieder rauscht ein Motorboot an uns vorbei und bringt unseren schwimmenden Kasten zum Schwanken, sodass die Plastikstühle auf dem Deck ins Rutschen geraten. Hier oben steuert Joachim lieber als unten in der Kajüte. Er thront hoch über dem Wasser und hat den Überblick. Obwohl die Seen breit sind, ist das Navigieren nicht einfach. Es gibt unzählige kleine Inseln und Buchten, die die Orientierung schwierig machen. Und man muss aufpassen, dass man nicht auf einen der Felsen aufläuft, die zwar auf der Karte markiert, von Bord aus aber nicht unbedingt zu sehen sind.

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Kawarthas heißt "Land der funkelnden Gewässer". Die Seenplatte im mittleren Ontario macht während unserer fünftägigen Reise ihrem Namen alle Ehre. Wir kommen zu dem Schluss, dass ein Hausboot ideal ist, um diese Landschaft zu erleben. Aus 40.000 Seen und Flüssen besteht Kanadas am dichtesten besiedeltes Bundesland, dessen Fläche fast so groß ist wie Deutschland, Italien und Frankreich zusammen. Irgendwie fühlen wir uns ein bisschen wie die Pioniere - schließlich haben auch sie dieses große Land der Seen und Wälder hauptsächlich auf dem Wasser erschlossen. Als erster Weißer bereiste der in Kanada berühmte französische Siedler Samuel de Champlain 1615 die Karwarthas.

Er entdeckte, dass der Fluss Trent mehrere Seen miteinander verbindet. Bald folgten ihm britische Einwanderer, um entlang der natürlichen Wasserstraße zu siedeln und mit Holz und Fellen zu handeln. 1920 war endlich ein Kanal fertig gestellt: Der Trent Severn Waterway ist 386 km lang, davon 50 km künstliche Wasserstraße und 36 Schleusen. Nur die Zeit des Holzhandels war jetzt leider vorbei. Dafür hatten sich die Kawarthas im 19. Jahrhundert zu einem beliebt Ferienziel entwickelt. Dampfer verkehrten auf vielen Seen, um die wohlhabenden Gäste aus den Städten zu ihren Ferienhäusern zu bringen.

Dieser Vergangenheit begegnen wir auf Juniper Island, einer Insel auf dem Stoney Lake: Die alte Dampferanlegestelle und eine verlassene Villa mit Tennisplätzen wirken wie ein Stück in diese Landschaft hineingeworfenes Stadtleben. Man erreicht Juniper Island nur durch eine enge Passage zwischen zwei Seen, die die Einheimischen Höllentor nennen. Für Dampfboote damals muss das eine tückische Stelle gewesen sein. Für die Hausbootkapitäne von heute ist die Passage mit roten und grünen Tonnen gut markiert.

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Überall ragen aus den Seen kleine Granitfelsen hervor. Auf manchen der unzähligen Inseln stehen nur einzelne, windgepeitschte Kiefern, auf den meisten ein einzelnes "Cottage". Mit einer Hütte haben die kanadischen Sommerresidenzen allerdings wenig gemein: Es sind geräumige Häuser mit Bootsteg, einer Sitzecke am See, Wasserleiter und der obligatorischen kanadischen Flagge. Auf einer Insel steht St.-Peters- on-the Rock, eine kleine anglikanische Kirche, in der im Juli und August Gottesdienste gehalten werden.

Wir steuern das "Curve Lake Indian Reserve" an, das auf einer Halbinsel liegt. Natürlich haben wir nicht damit gerechnet, dass die Indianer heute noch in Wigwams wohnen. Trotzdem sind wir enttäuscht: Das Reservat sieht aus wie irgendein beliebiger kleiner Ort in Nordamerika. Im Zentrum eine schmucklose Kirche, gleich daneben stehen zwei Zapfsäulen. Auf dem zentralen Platz ragt eine digitale Anzeigentafel in die Höhe, über die immer wieder dieselben zwei Sätze laufen: "Glückwünsche an Michael und Susan zur Geburt ihrer Tochter. Glückwünsche an Ann für die Goldmedaille beim Rudern."

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Das Café, indem es laut Reiseführer Buffaloburger und indianische Maissuppe geben soll, scheint dauerhaft geschlossen zu sein. Wir besuchen das Whetung Ojibwa Centre, eine Mischung aus Galerie und Touristenfalle. Im größten der Läden gibt es indianisches Kunsthandwerk, Bilder, Mokassins, Trapperjacken und Bergkristallschmuck. In einem Nebenraum befindet sich ein kleines Museum mit historischen Fotos. In einem weiteren Laden wird Weihnachtsschmuck verkauft, in einer Halle daneben bekommt man Totempfähle. Die werden in den ruhigen Wintermonaten angefertigt, erzählt uns Susan, die hier arbeitet. Auf das verwaiste Café im Ort angesprochen, wird sie ärgerlich: "Die hatten keine Lust mehr. Es ist eine Schande. Die jungen Leute haben einfach zu wenig Interesse. Die suchen sich lieber einen Job, der mit Computern zu tun hat."

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Sie ist hier aufgewachsen, aber als sie dreizehn war, zog sie nach Toronto. "Gerade rechtzeitig." Susan lacht. "Denn da habe ich angefangen, mich für Jungs zu interessieren und mit den meisten im Ort war ich verwandt.“ Als erwachsene Frau ist sie wieder gekommen, sie sehnte sich nach der Ruhe der Seen. Stolz erzählt sie weiter, dass ihre Großmutter eine Deutsche war, viel Geld hatte und so mutig war, einen Indianer zu heiraten. Mit dem hatte sie dann zwölf Kinder. „Das Geld war schnell weg", lacht Susan wieder, "und mein Großvater hat nach den Stinktieren gerochen, die er gejagt hat. Aber meine Großmutter war eine schöne, glamouröse Frau." Sie bittet uns, das unbekannte und ferne Deutschland zu grüßen.

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Jetzt, im Frühherbst, ist nur noch wenig los auf den Seen. Hauptsächlich älteren Leuten begegnen wir an den Schleusen. Für ein Gespräch sind sie immer offen. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist das Angeln. Vergeblich versuchen sie, uns dafür zu begeistern. Wir schauen uns zwar gerne die Hechte und Barsche an, die sie aus dem Wasser holen, können den Ehrgeiz aber nicht ganz nachvollziehen: Die meisten Fische werden wieder frei gelassen. Uns interessieren eher die Seeadler, deren Nest wir auf einem Baum entdecken, und die Schnappschildkröten, die auf dem Grund der Seen wohnen. Die einzig aggressive Schildkrötenart der Welt lauert Fischen auf, indem sie mit ihrer Zunge wackelt, um einen Köderfisch zu imitieren. Mit ihrem gezackten Panzer sieht sie aus wie ein Dinosaurier. Ihre Anwesenheit gibt uns etwas zu denken, wenn wir von der Wasserleiter zum Baden in den See steigen.

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Hin und wieder müssen wir unser Leben auf dem Wasser unterbrechen, um unsere Vorräte aufzufrischen. Dabei entdecken wir Läden, in denen die Zeit stehen geblieben ist. Hier gibt es Lebensmitteln, Outdoorkleidung, Angelhaken und selbst gemachtes Eis. Hinter der Theke steht nicht selten eine freundliche alte Dame, die freudig von Vorfahren aus Deutschland berichtet.

Nach einem Landgang springt unser Motor nicht mehr an. In weniger als einer Stunde ist, wie im Prospekt versprochen, unser Hausbootverleiher Ron Egan da. Uns wird bewusst, wie wenige Kilometer wir erst zurückgelegt haben. Es kommt uns so vor, als seien wir weit gereist: Keine Frage, ein Hausboot ist etwas für Menschen mit Muße.

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Ron Egan kann das Problem schnell beheben. Stolz erzählt er uns die Erfolgsgeschichte seiner Hausboote. Die Idee hat er von seinem Bruder, der Ende der sechziger Jahre für seine Freundin ein Boot mit Kabine baute, das aber mit lautem Gurgeln unterging. Ron hat sein eigenes Modell „Seefalke“ entwickelt. Jedes Jahr baut er neue Schiffe, einige verkauft er, um weiter investieren zu können. “Wir waren der erste Verleih in Ontario“, betont er. An mehrere zehntausend Gäste hat er bereits vermietet und dabei auch Seltsames erlebt. Zum Beispiel Amerikaner, die nur ein paar Meter weit auf den ersten See hinaus fuhren, um dort Schnappschildkröten zu fangen. Die brachten sie anschließend in Wasserkanistern zu ihrem Auto. In den Südstaaten gelten die Tiere als Delikatesse. "Aber die meisten Gäste sind Familien und Hochzeitspaare, die etwas besonderes erleben wollen", Ron lächelt uns vielsagend an. In den Wintermonaten genießt er das Leben. Auf allen Kontinenten ist er gewesen und viel mit Booten gereist: "Aber der Trent Severn Waterway ist die schönste Wasserstraße überhaupt. Das sagen auch meine Gäste."

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Wir sind zwar noch nicht oft auf dem Wasser unterwegs gewesen, aber Ron könnte Recht haben. Wir würden auf jeden Fall gerne weiter über diese Seenlandschaft tuckern in unserem schwimmenden Kasten. Aber der letzte Abend ist angebrochen. Wir sitzen auf dem Deck, lauschen den Gänsen, warten auf die Fischerboote und auf den Moment, wo das Wasser sich rosa färbt. Wie sollen wir morgen nur schlafen, ohne das sanfte Schaukeln und leise Gurgeln des Bootes? Traurig schauen wir auf das Wasser. Und stellen uns vor, wie schön es wohl wäre, die ganzen 386 Kilometer des Trent Waterway entlang zu schippern.

Reise-Infos: Kanada per Hausboot

- Der Trent Severn Waterway: Auf dem Kanalsystem kann man mit dem Hausboot insgesamt von Trenton am Lake Ontario bis zur Georgian Bay fahren. Die Strecke ist auch für Anfänger geeignet.

www.cruising.ca



- Die Kawarthas liegen zwischen Orilla und Trenton. Größere Seen sind Lake Simkoe, Stoney Lake und Rice Lake.

www.thekawarthas.net/www.kawarthalakes.net/

- Egan Houseboats verleiht von Mai-September Boote:

www.houseboat.on.ca

- Auch ohne Hausboot sind die Kawarthas ein lohnenswertes Ziel. Viele Kanadier verbringen in den Resorts ihre Ferien. Ein sehr schön gelegenes und familienfreundliches ist das Elmhirst Resort.

- Allgemeine Informationen zu Ontario: www.ontariotravel.net

- Website des Whetung Ojibwa Centre

Julia Weidenbach

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