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Italien: Urlaub im Agriturismo

Agriturismo-Ferien sind eigentlich nichts anderes als Ferien auf dem Bauernhof. Aber in Italien ist alles anders. Und vor allem viel leckerer. BRIGITTE.de-Mitarbeiterin Judith Wenk hat sich in den Abruzzen im Agriturismo eingemietet.

Ein feiner Duft zieht morgens früh über den Hof bis hinauf ins Schlafzimmer unserer kleinen Ferienwohnung. Die liegt im Agriturismo Antonella - einem Hof mit Käserei und Feriengästen in den italienischen Abruzzen, mitten im Maiella-Nationalpark.

Bereits um sieben Uhr ist die Milch mit dem Ape, der "Biene", wie das dreirädrige Lieferauto heißt, angeliefert worden. Sie stammt von der Ziegenherde unserer Vermieterin Antonella in den nahen Bergen. Jetzt wird die Milch im Caseificio verarbeitet.

Foto-Show: Abruzzen

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In einem kleinen Raum steht Cristian Rafaila und knetet mit beiden Armen tief im Milchkessel. Der ist so groß, dass er ein Bad drin nehmen könnte. Die Milch gerinnt. Das tut sie, weil der Käser ein Ferment aus Ziegenmägen hineingegeben hat.

Er lacht und meint, die Milch sei gut für die Haut. Mit einiger Anstrengung hebt er jetzt einen tropfenden weißen Laib aus der Flüssigkeit. Die Signora, Ninetta Santilli, kommt, um zu helfen. Gemeinsam teilen sie den Käselaib auf einem Stahltisch in kleinere Stücke und drücken sie in Körbchen, aus denen die Molke abfließt. Die kleinen Laibe werden anschließend kühl gelagert, damit sie reifen können. So entsteht in den nächsten Wochen ein milder, feinporiger Ziegenkäse.

Im Kessel bleibt die Molke stehen. Jetzt heizt der Käser den Brenner darunter an. Bei 80 Grad ziehen Schlieren an die Oberfläche - der Ricotta kann abgeschöpft werden.

Gäste im Agriturismo haben's gut: Sie sehen, woher ihr Essen kommt. Sie dürfen zuschauen und probieren. Und sie werden mit dem bekocht, was die Region hergibt. Mit einem Pauschalurlaub haben Agriturismo-Ferien deshalb so wenig gemeinsam wie Pasta aus dem Supermarkt mit selbstgemachter. Keine Angst: Niemand muss auf Stroh schlafen. Viele Landwirte haben sogar einen Swimmingpool für ihre Gäste gebaut.

Swimmingpool statt Stroh

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Schon beim ersten Abendessen macht Chefin Antonella klar: Die Pasta hier ist immer "fatto a la casa" - was sonst! Allerdings: Wer von den Ricotta-Ravioli zuviel nimmt, hat hinterher für das Kalbfleisch mit Salbei keinen Platz mehr im Bauch. Das gilt besonders für den Sonntag, wenn es zu den üblichen vier Gängen noch einen obendrauf gibt. Wir strecken die Waffen angesichts von gegrillten Zucchini, Wildschwein-Ragout, Gnocchi mit Pilzen, frischen Feigen ... und dem kräftigen abruzzesischen Montepulciano, der dazu gereicht wird.

Schutzzonen für Wölfe und Bären

Die ursprüngliche Berglandschaft hat uns hierher gelockt und wir werden nicht enttäuscht. Jahrzehntelang haben Umweltschützer dafür gekämpft, dass das Maiella-Gebiet 1991 zum Nationalpark erklärt wurde. Hier leben Wölfe und Bären unter Naturschutz. Niemals würde man hier einen "Problembären" erschießen!

Aber die Tiere sind scheu, wir begegnen nur Füchsen: Immer in der Abenddämmerung unterhalb von Cansano. Neugierig schauen sie uns an und überqueren lässig die Straße. Ungewöhnlicher noch ist die Viper, die an einem sonnigen Tag mitten auf dem Asphalt liegt. Sie hebt den Kopf und zieht sich träge ins Gebüsch zurück.

In der Ferne das Meer

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Unser Ziel am nächsten Morgen: Der Gipfel des Monte Porrara, ein Zweitausender. Die Tour startet an der Bahnstation Palena. Ein ausgedehntes Hochtal, Stille und Einsamkeit erinnern an Westernfilme.

Schafe und Ziegen grasen auf den Wiesen. Die Schafzucht war einmal der bestimmende Wirtschaftsfaktor der Abruzzen. Seit tausenden Jahren prägten die Herden die Landschaft. Selbst in entlegenen Bergdörfern hat der Reichtum der Schafzüchter prächtige Renaissance-Fassaden hinterlassen. Seit dem 18. Jahrhundert geht die Bedeutung der Schafzucht zurück. Aber noch heute stehen lose gemauerte Unterschlüpfe an den Berghängen, klein wie Zelte und nur mit einer Öffnung zum Hineinkriechen.

Zäune gibt es nicht, die Tiere laufen frei umher. Gelenkt und zusammengehalten von Hirten, von denen heutzutage viele aus Osteuropa kommen, denn die Löhne sind niedrig. Ihr wichtigster Helfer ist der Pastore Abruzzese, ein weißer Schäferhund. Manchmal streifen die Hunde in Rudeln durch die Gegend. Neugierig nähern sie sich und legen sich dann friedlich in den Schatten. Nur einer hält den Kopf gesenkt und hält Abstand. Er beobachtet und umkreist uns ... Ob Wolfsblut in seinen Adern fließt?

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Fast tausend Höhenmeter liegen vor uns. Gut, dass es erstmal durch einen schattigen Wald geht. Weiter oben weht eine kühle Brise. Von einer Wiese aus gucken wir weit über das Hochtal, die Bergkette der Majella und sehen in der Ferne das Gran Sasso Massiv. Im Osten ahnen wir am Horizont die Adria. Grillen zirpen. Wolken formen sich zu Riesenechsen und lösen sich auf.

Erst kurz unterm Gipfel begegnen wir anderen Wanderern, kurz darauf haben wir es geschafft. Oben zieht ein kräftiger, kalter Wind. Das Berg- und Himmel-Panorama ringsum macht schwindelig!

Gourmet-Restaurant ohne Speisekarte

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Zum Abschluss unserer Bergwanderung gehen wir abends in ein viel gelobtes Restaurant: Die Taverna dei Caldora in Pacentro. Drei Mal laufen wir vorbei. Dann erst entdecken wir die handtellergroße Fliese mit dem Namen an der Mauer und daneben den Renaissancebogen am Eingang.

Die Tische stehen vor dem Panoramafenster am Rand der Schlucht. Eine Speisekarte gibt es nicht. Stattdessen kommt der Wirt an unseren Tisch und schlägt vor, einfach mal ein bisschen von allem zu probieren ... Am Ende zählen wir 17 verschiedene kleine Gerichte: gebackene Zucchiniblüten, Spaghettini mit Sommertrüffel, Pilzsalat ... zum Dessert gibt es Zitronencreme und Pan ducale, ein abruzzesisches Mandelgebäck.

Man schmeckt förmlich den Stolz des Kochs, etwas Einzigartiges, Unverfälschtes aus der Bergregion auf den Tisch zu zaubern.

Im Gran Sasso Gebiet

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Unsere nächste Station heißt Agriturismo di Marco. Der Hof liegt im Norden der Abruzzen. Hoch oben thront der Corno Grande, ein markanter Dreitausender. Ihm zu Füßen erstreckt sich das Campo Imperatore, eine riesige Hochebene, die an die Mongolei erinnert. Hier gibt es eine Straße und sogar Sessellifte.

Donato di Marco begrüßt uns in der Abenddämmerung auf seinem Hof. Er gehört zu einer Kooperative, die gemeinsam den Farindola-Pecorino vermarktet. Diesen mit Olivenöl eingeriebenen Käse produziert er selbst. Ihm sei wenig vom Guten lieber als Masse, sagt uns Donato. Er macht nicht nur Pecorino, er stellt auch einen dickflüssigen Balsamico her, keltert Wein, presst fruchtiges, fast scharf schmeckendes Olivenöl und räuchert Schinken. Seine Gäste bekommen das Brot, das seine Mutter backt und ihre Pasta, die - was für eine Frage! - "fatto a mano" ist. Beim Abendessen spricht er begeistert über sein Verständnis von guter Landwirtschaft. Dann wird seine Miene ernst: Die jungen Leute wandern aus der Landwirtschaft ab, auf den Höfen bleiben die Alten. Dagegen soll das Konzept Agriturismo ja eigentlich helfen - es soll der nachwachsenden Generation eine Perspektive auf dem Land geben. Allerdings klingt das einfacher als es ist. Die Vorgabe, dass der Tourismus nur den kleineren Teil der Einnahmen ausmachen soll, werde oft nicht eingehalten, kritisiert Donato.

Verständlich: Die Touristen von heute haben Ansprüche. Denen wollen die Bauern gerecht werden. Dabei kommt die Landwirtschaft dann wieder zu kurz. Donato hat sich entschieden: Ihm ist die Landwirtschaft wichtiger.

Am letzten Abend interessiert uns noch eine Frage: Hat Donato schon mal einen Bären gesehen? Leider nein, aber Wölfe.

Am Ende ist das Auto voll gepackt mit Wein, Honig, Olivenöl und Balsamico vom Hof. Der Hirtenhund legt sich stur hinters Vorderrad. Donato muss ihn wegzerren - dann verabschieden wir uns herzlich.

Reise-Info: Agriturismo in Italien

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Übernachtung

Agriturismo Antonella: Ferienwohnung mit Frühstück und Abendessen, 55 Euro pro Person

Agriturismo di Marco: Doppelzimmer mit Frühstück und Abendessen, 37 Euro pro Person

Agriturismo- und Ferienhaus-Vermittlung z.B. über: www.lupus-italicus.de, www.agriturismo.it oder www.agriturismo.com



Anreise Z.B. mit Germanwings von Köln/Bonn nach Rom, von dort mit dem Mietwagen in etwa 1,5 Stunden in die Maiella-Region. Oder mit dem Auto von Frankfurt nach Sulmona (1300 km), Fahrtzeit etwa 13 Stunden, Autobahngebühren: 37 Euro 40, Schweiz-Vignette: 27 Euro. Von Sulmona an die Adriaküste: Etwa 40 Minuten mit dem Auto.

Buchtipps

Abruzzen, Sabine Becht und Sven Talaron, Michael Müller Verlag 2006 (Reiseführer mit Ortsbeschreibungen, Restaurant- und Hoteltipps)

Wilde Wege, stille Dörfer: Wanderungen in den Abruzzen, Christoph Hennig und Georg Henke, Rotpunktverlag 2007 (ein besonders schöner und detaillierter Wanderführer)
 

Judith Wenk

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