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Holland unter Palmen

Die unbekannte Karibik, gibt's die noch? Aber ja: auf diesen drei Inseln der Niederländischen Antillen. Andrea Freund hat sie besucht und einsame Dschungelpfade, erloschene Vulkane und verschlafene Bergdörfer gefunden.

1064 Stufen. Willkommen zum Aufstieg auf Hollands höchsten Berg. Mitten in der Karibik. Beatrix, holländische Königin und Herrin auch über diese Insel, hat den steilen Anstieg auf den bemoosten Stufen in Rekordzeit geschafft.

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Wir folgen schwitzend und wenig majestätisch schnaufend unserem Führer. Links und rechts ragen dunkelgrüne Blätter so groß wie Elefantenohren auf unseren Weg, Bananenstauden dehnen sich in den Himmel, und überall wuchert Sabas Nationalblume, die Schwarzäugige Susanne, die man in Deutschland als bescheidene Ranke im Gartencenter kauft. Saba, die Launenhafte. Im Grunde kaum mehr als ein dunkelgrüner, dicht bewachsener, 887 Meter hoher Vulkan, hüllt sie ihr Haupt oft in Wolken. Als wir die letzten Stufen vom Mount Scenery erklommen haben, sehen wir nichts. Nicht Windwardside, den am höchsten gelegenen Ort von Saba, der wirkt wie ein Schweizer Bergdorf: schmucke weiße Holzhäuser, rote Dächer, grün gestrichene Fensterläden, adrette Gärten. Nicht das Hauptstädtchen The Bottom, nicht die bläulich-schwarzen Nachbarinseln im glitzernden Meer. Nur Nebel wabert um uns herum. Das feuchte Grau kriecht durch das tropische Unterholz, und wir fühlen uns wie in einem Zauberwald.

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Östlich von Puerto Rico erhebt sich Saba aus dem Meer, eine der drei SSS-Inseln der Niederländischen Antillen. Die Kolonialkriege haben Saba, Sint Eustatius und Sint Maarten zu holländischen Außenposten gemacht. Mit 13, 24 und 96 Quadratkilometern Fläche sind sie winzig klein, und kaum jemand kennt das Trio.

Saba zum Beispiel hat nicht nur keine Strände, so dass Sonnenanbeter sie von jeher unattraktiv fanden. Bis 1947 gab es auch nur Eselspfade und eine lange steinerne Treppe vom Meer hinauf nach The Bottom und weiter nach Windwardside. Und 1947 das erste Auto, als "The Road", die einzige Straße der Insel, nach 14 Jahren Bauzeit endlich fertig war. Ihre 14,5 Kilometer lange Serpentinenstrecke windet sich hinunter zum kleinsten kommerziell betriebenen Flughafen der Welt und seiner nur 400 Meter langen Piste. Hier kommen sie nach einer Landung mit feuchten Händen an: Die Wanderer, die in Sabas Dschungel auf einsamen Pfaden unberührte, üppige Natur finden. Die Taucher, die in 30 Meter Tiefe aus dem Dunkelblau aufsteigende Felsnadeln, Fächerkorallen, Stachelmakrelen und Schildkröten bewundern. Die Aussteiger aus Deutschland und Amerika, die sich in familiärer Kuscheligkeit bei den 1200 Einwohnern niederlassen.

Sint Eustatius

Im Dornröschenschlaf liegt auch die Nachbarinsel Sint Eustatius. Auto-Nummernschilder, auf denen "The Historical Gem", "Das historische Juwel", steht, sollen an die Zeit vor 200 Jahren erinnern. Als statt 2000 noch 20 000 Einwohner hier lebten, als Sint Eustatius ein Einkaufsparadies ohnegleichen war.

Oranjestad ist die Hauptstadt der Insel, aber eigentlich nicht mehr als ein dösendes Dorf. Von den einst dicht an dicht stehenden Lagerhäusern am Hafen blieben nur Ruinen. Dazwischen liegen ein paar kleine Hotels, Tauchschulen und ein Restaurant, das Fischsnacks serviert. Statt stolzer Schoner ziehen am Horizont Tanker vorbei, die die Öllager im Nordwesten der Insel ansteuern.

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Die schlummernde Insel ist umgeben von einer berauschenden Unterwasserwelt. Dort sind wir ganz allein mit Barrakudas, Seepferdchen, Schiffswracks und versunkenen Häusern. Über Wasser besteigen wir den Vulkan The Quill, was weit weniger anstrengend ist als das Treppensteigen am Mount Scenery. Im Schutz des Kraters stehen von Lianen überwucherte Baumriesen mit gigantischen Brettwurzeln, und unterwegs kullern uns die ulkigen "Soldier Crabs" vor die Füße: Einsiedlerkrebse, die sich am Strand Muscheln suchen, damit in drei mühsamen Monaten den Berg hinaufkrabbeln, um sich dann für die Eierablage den ganzen Weg wieder hinabrollen zu lassen. Und dann wieder von vorn beginnen. So wie Statia eben auch.

Sint Maarten

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Auf dem Insel-Flughafen mit dem großartigen Namen Franklin-D.-Roosevelt-Airport besteigen wir eine Propellermaschine direkt nach Amerika. Zumindest kommt es uns so vor, als wir nach einer viertel Stunde auf Sint Maarten landen. Diese Insel ist ein Vorposten der amerikanischen Unterhaltungsindustrie mit Leuchtreklamen, Fast-Food-Restaurants, Hotelkomplexen und Spielcasinos. Auf Sint Maarten regiert der Dollar unübersehbar: Die Insel, die als einzige des SSS-Trios über endlose Strände verfügt, ist das Mallorca der Amerikaner.

Doch Sint Maarten kann auch anders. Die Insel ist seit 1648 das kleinste Gebiet der Welt, auf dem zwei Staaten in friedlicher Kooperation und ganz ohne Grenze miteinander leben: Das autonome holländische Sint Maarten liegt im Süden, der Norden heißt "Saint Martin" und gehört zum französischen Übersee-Département Guadeloupe. Im Norden ist das Leben weniger laut, wirkt weniger inszeniert und gibt sich mehr einem südfranzösischen Laisser-faire hin.

Reiseservice

Die Niederländischen Antillen bestehen aus zwei Inselgruppen. Die ABC-Inseln Aruba, Bonaire und Curaçao liegen vor der Küste Venezuelas, das SSS-Trio östlich von Puerto Rico.

Telefon Die Vorwahl der Niederländischen Antillen: 00599, danach die Null der Ortsvorwahl weglassen.

Reisezeit Die Tagestemperaturen liegen das ganze Jahr bei 26 Grad, nachts um die 20 Grad. Hauptsaison: in der Trockenzeit von November bis April. Von August bis Oktober kann es Hurrikans geben.

Übernachten Saba Willard's of Saba: das erste Haus am Platz, in Windwardside, zehn Minuten vom Dorf entfernt auf einer steilen Anhöhe über dem Meer. Das Essen exquisit, die Zimmer groß (P.O. Box 515, Windwardside, Saba, N.A., Tel. 041/624 98, Fax 624 82, www.willardsofsaba.com). El Momo: Gästehaus mit viel Charme, familiärer Atmosphäre und deutschem Besitzer. Sechs Cottages ohne Klimaanlage und Fernseher, in einem üppig blühenden Garten (P.O. Box 542, Booby Hill, Saba, N.A., Tel. und Fax 041/622 65, www.elmomo.com). Scout's Place: hübsche Zimmer mit Meerblick. Von einem deutschen Tauchlehrer-Pärchen geführt (Saba Divers & Scout's Place Hotel, P.O. Box 543, Windwardside, Saba, N.A., Tel. 041/62740, Fax 62741, www.sabadivers.com). Sint Eustatius Old Gin House: Hotel in einer ehemaligen Baumwollmühle. Mit Antiquitäten eingerichtet, nur die Zimmer hinter dem Haupthaus sind eher nüchtern (Oranje Baai, Sint Eustatius, N.A., Tel. 031/823 19, Fax 821 35, www.oldginhouse.com). Country Inn: kleines Hotel im Landesinneren mit einfachen, aber großen Zimmern. Frühstück in der Wohnküche der Besitzerin (Concordia, Oranjestad, Sint Eustatius, N.A., Tel. und Fax 031/824 84). Sint Maarten Pasanggrahan Royal Guest House: ein ehemaliger Gouverneurssitz, im Kolonialstil erbaut, an der Frontstreet in Philipsburg. Himmelbetten in den Zimmern und Balkone mit Blick auf den Strand der Great Bay (P.O. Box 151, Philipsburg, St. Maarten, N.A., Tel. 054/235 88, Fax 228 85, ).

Stand: März 2006

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