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Berlin im Sommer: Stadt, Strand, Fluss

Berlin ist voller Seen, Flüsse und Kanäle. Ein Fest im Sommer sind auch die Strandbars, Wasserlounges und Pools. Einfach erfrischend!

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Das Schiff ist voll. Ich ergattere den letzten roten Plastikstuhl auf dem Deck, der Motor bringt die Spree zum Gurgeln, sofort fühle ich mich wie im Urlaub. "Neben uns liegt das Haus der Kulturen der Welt, dort drüben arbeitet die Kanzlerin", sagt eine Stimme aus dem Lautsprecher, zuerst auf Deutsch, dann auf Englisch. Wer welche Sprache versteht, sieht man daran, wer seinen Kopf wann in die richtige Richtung dreht. Neben mir sitzt eine Familie, die auf gar nichts reagiert. Vati schaut nach links, wenn es rechts eine Sehenswürdigkeit gibt, Mutti sonnt sich mit geschlossenen Augen, und der Sohn telefoniert auf Schwedisch (?) mit seinen Freunden.

Aber was macht eine Wahlberlinerin wie ich auf diesem Ausflugsschiff? Ich kenne Berlin von unten mit der U-Bahn, im Stau mit dem Auto und von oben vom Fernsehturm. Die üblichen Sehenswürdigkeiten habe ich längst besucht. Und wenn die Touristen kommen, fliehe ich gern in besucherfreie Zonen, am liebsten an ein stilles Plätzchen am Wasser. Das geht gut. Sieben Prozent der Gesamtfläche von Berlin sind nass. Wer will, kann wochenlang Kapitän spielen und von hier aus über Seen, Flüsse und Kanäle sogar bis zum Mittelmeer oder ans Schwarze Meer schippern.

So weit muss ich gar nicht fahren. Die Gewässer innerhalb Berlins machen es möglich, einen ganzen Sommer lang Spaß zu haben, von der Stadtrundfahrt aus der Entenperspektive bis zum Segeltörn. Ich will ein bisschen Schiff fahren, auf Wellen gucken, am Ufer laufen und über (mehr als) 1000 Brücken gehen. Wozu sonst fließt die Spree 46 Kilometer lang durch Berlin? Vom Osten schlängelt sie sich Richtung Mitte, im Westen schaut sie beim Charlottenburger Schloss vorbei und sinkt dann in Spandau undercover in die Havel.

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Jetzt versinkt gerade mein Alltagsstress in den Fluten, und der Hauptbahnhof verschwindet aus meinem Blick. "Rechts sehen Sie den ,Pampers Palace', das ist der Kindergarten für die Kleinen der Parlamentsangestellten", sagt die Stimme aus dem Lautsprecher, und in der Kurve vor uns liegt der Reichstag. Meine schwedischen (?) Nachbarn kichern, ich bin irritiert wegen der ungewohnten Perspektiven. Stand der Reichstag immer schon so nah am Wasser? Und wo genau verlief noch mal die Grenze zwischen Ost- und Westberlin? Ich erinnere mich, wie ich früher manchmal am damals noch gottverlassenen Ufer der Spree spazieren gegangen bin und die Polizeiboote der DDR beobachtet habe. Oder haben sie mich beobachtet? Heute tut die Spree so, als sei nichts gewesen. Wir fahren unter der Weidendammer Brücke durch.

"Das ist da, wo die Friedrichstraße sacht den Schritt über das Wasser macht." So hat Wolf Biermann die Brücke in seiner "Ballade vom preußischen Ikarus" besungen. Die Langsamkeit der Fahrt macht, dass man schön dösig wird. Ich lasse das historische und das moderne Berlin an mir vorbeigluckern. Bis ich plötzlich ganz wach werde: Etwas fehlt. Ich sehe am Ufer Autos und höre keinen Lärm. Ich sehe Menschen und spüre nicht die typische Hektik.

Berlin vom Wasser aus ist wie ein ruhiger Film über eine Großstadt ohne die lästigen Nebenwirkungen. Keine Geschäftigkeit, keine Abgase. Berlin von hinten, schräg aus der Hüfte und von unten. Von unten fehlt zwar der Überblick auf die imposanten Bauten der Museumsinsel, an der wir gerade vorbeifahren. Dafür nehme ich zum ersten Mal wahr, wie das Fundament aussieht, auf dem das Bode-Museum entstand: dicke, quadratische Steine, braun, teils mit Moos bewachsen, rund geleckt. Seit 108 Jahren schwappt die Spree stur dagegen, ohne Einlass zu bekommen.

Vom Wasser aus kann man alles anschauen, was eine Hauptstadt ausmacht. Politik? Das Präsidentenschloss Bellevue, Innenministerium, Kanzleramt, Reichstag und Parlamentsgebäude liegen an der Spree. Kultur? Das Brecht Ensemble, ein bisschen weiter hinten das Deutsche Theater, das Radialsystem V für avantgardistische Kunstprojekte und Hebbel am Ufer in Kreuzberg. Medien? Die öffentlich-rechtlichen und auch die privaten Sender können vor der Tür sehen, wie man Wellen schlägt. Wirtschaft? Im Westhafen, dem größten Warenumschlagplatz der Stadt, herrscht viel Betrieb. Und in Kreuzberg/Friedrichshain nutzen Jungunternehmer ehemalige Spreespeicher als coole Location.

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"Guck mal, Mama, das Meer", sagte gestern ein kleiner Junge in der S-Bahn, als wir über die Spree fuhren. Man muss schon klein sein, um die Spree für groß zu halten. Mit der Elbe oder dem Rhein kann sie mit ihrer überschaubaren Breite und ihren knapp 400 Kilometer Länge nicht konkurrieren. Für Fernweh ist sie nicht geeignet, für besondere Momente schon. Am Spreeufer habe ich mit tausenden Berlinern das Jahr 2000 begrüßt und mich gefreut, wie das Wasser das gigantische knallbunte Feuerwerk spiegelte. Hier, auf einer Spreewiese am Tiergarten, habe ich in der Sonne gelegen und gelesen, habe geredet, geküsst und geheult. Wasser ist einfach wie gemacht für Gefühlsstrudel und Glitzer-Gedanken. Wasser hat etwas Zeitloses, es ist ein Rest von Natur, noch nicht platt gemacht von der Zivilisation.

Schön wär's. Tatsächlich ist die Spree in Berlins Mitte alles andere als naturbelassen. Zwischen 1995 und 2002 haben Architekten sie zeitweise umgeleitet, damit sie nicht beim Aufbau des Regierungsviertels stört. Egal. Für mich bleibt die Spree mein ganz ursprüngliches Erholungsgebiet. "Agata" tuckert vorbei. Der Kapitän von "Tabu" trägt eine dicke goldene Kette. "Gerda" setzt zum Überholen an. Warum haben Schiffe so seltsame Namen? Und bedeutet "Moni 3", dass dies das dritte Motorboot des Inhabers ist, oder liebte er drei Monis?

Auf der Wiese liegend, schiebt sich alle paar Minuten ein Schiff in mein Blickfeld. Seit die Spree im Verkehrsprojekt deutsche Einheit auch für größere Schiffe ausgebaut wird, hat das Verkehrsaufkommen deutlich zugenommen. Allein an der Schleuse Charlottenburg wurden im vergangenen Jahr 3947 Güterschiffe, 957 Fahrgastschiffe, 8902 Sportboote und 936 sonstige Wasserfahrzeuge gezählt. Ich freue mich, dass nicht alle ausgerechnet an der Spreewiese vorbeifahren, auf der ich gerade liege.

Wer Berlin nur als hippe Metropole kennt, muss raus aus der City, wo es schicke Strandbars mit Palmen zum Cocktail gibt. Draußen an den Seen scheint die Zeit stehen geblieben zu sein; man kann im Grünen Kaffee trinken, Enten füttern oder spazieren gehen. Wer in Berlin einen Hund hat, und das sind viele, fährt im Sommer gern an den Grunewaldsee am südwestlichen Stadtrand - hier gibt es einen Hundebadestrand. Ich fahre noch ein Stück weiter, zum Schlachtensee. Dort miete ich ein altes Ruderboot und gebe mein Bestes.

Das Beste ist, sich mitten auf dem See treiben zu lassen. Das Wasser ist grün, die Bäume stehen dicht am Ufer, von Ferne höre ich Kinderlachen. Ein Haubentaucher schaut mich an, ich lasse eine Hand ins Wasser hängen. Und wenn ich die Augen schließe, versetze ich mich in die Zeit, als man noch von Sommerfrische sprach. Ich sehe mich in einem weißen Kleid mit Strohhut und blauem Band in diesem Boot sitzen. Ein schöner Herr im weißen Anzug rudert mich ins Paradies. Im Paradies hustet einer. Ich mache die Augen wieder auf. Ein nackter Mann hat sich beim Schwimmen verschluckt.

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In, an und auf Berlins Gewässern fühlt man den Sommer auf der Haut. Zum Beispiel beim Segeln auf dem Wannsee. Oder Kanu fahrend auf dem Teltower Kanal. Oder beim Picknick mit der Familie am Müggelsee. Frischen Fisch dafür kann man sogar selbst aus dem Wasser angeln; in der Spree beispielsweise leben Brasse, Plötze, Zander und Ukelei. Und wer sich selbst wie ein Fisch im Wasser fühlen möchte, kann auf der Spree schwimmen: Gegenüber von Friedrichshain liegt ein beheiztes Badeschiff. Das Becken ist ein wenig schmal, aber der Blick auf die Oberbaumbrücke und den Fernsehturm genial weit.

Jeder hat seine Lieblingsplätze, manchmal, weil sie so schön sind, manchmal, weil etwas Besonderes da passiert ist. Mein Lieblingsplatz ist an der Moabiter Brücke. Da stand ich in einem extrem kalten Januar und habe der Spree beim Erfrieren zugeschaut. Die Eisschollen knirschten, kein Schiff konnte mehr fahren, die Bäume am Ufer waren erstarrt, der Fluss so weiß wie der Himmel. Vielleicht wird die Spree nie wieder so aussehen, weil es nie wieder so kalt werden wird. Aber selbst an einem Sommerabend wie heute erinnere ich mich immer an dieses Bild, wenn ich auf dieser Brücke stehe.

Ich habe die Baseballkappe vergessen. Die Sonne steht so tief, dass ich nur noch blinzeln kann. Das ist ganz wunderbar. Es scheint, als führe ich mit dem Schiff mitten durch einen Wald aus Trauerweiden, alles andere verschwimmt, buchstäblich. Ich mache eine "Brückenfahrt" am Abend. Mehr als 1700 Brücken gibt es in Berlin, unter 64 müssen wir durch. Kopf einziehen, unbedingt sitzen bleiben. Bei Treptow biegen wir in den Landwehrkanal ein. Der wurde im 19. Jahrhundert gebaut, um die Spree zu entlasten. Über diesen ältesten Kanal der Stadt wurden die Materialien zum Aufbau Berlins herangeschafft. Heute ist Berlin immer noch nicht fertig, aber die Fahrt über den Landwehrkanal gehört zum Romantischsten, was man vom Wasser aus mitten in der Stadt erleben kann. Dicht am Ufer stehen riesige Pappeln, Weiden und Erlen. Was malerisch aussieht, ist leider ein Desaster: Fast elf Kilometer Ufer sind so marode, dass von den 3500 Bäumen etliche gefällt werden müssen. Also noch mal gut hinschauen.

Die Sonne ist schon weg. Am Ufer spielen Leute Schach und grillen. Dort trommelt einer, hier küssen sich zwei Mädchen. Eine Gruppe junger Männer tanzt. In der Dunkelheit sieht man weiße Zähne blitzen. Und das hier sollen die "Problembezirke" Kreuzberg und Neukölln sein? Wir fahren unter einer der schönsten Brücken durch, der schmiedeeisernen Admiralsbrücke. Darüber hängt ein schiefer Silbermond. Und plötzlich bin ich ganz gerührt. Berlin, sagt man, ist arm, aber sexy. Dynamisch und hart im Nehmen. Aber hier, vom Wasser aus, erlebe ich die Stadt, wie sie kein Prospekt beschreiben würde: sanft und mild.

Strandbars, Restaurants, Cafés - Tipps für Ausflüge ans Wasser

Strandbars

Strandbar Mitte Hier nimmt man seinen Drink im Liegestuhl mit Blick auf das Bodemuseum. Geöffnet bis etwa Mitte September. (Monbijoustraße 3, Berlin-Mitte, www.strandbar-mitte.de)

BundesPresseStrand Großer Sandstand mit Liegestühlen, Gastronomie, Glas-Pavillon und Spielfeld für Beachvolleyball, außerdem Treffpunkt für Beachpartys und Salsa-Kurse. Geöffnet bis Anfang September. (Kapelle-Ufer 1, Ecke Kronprinzenbrücke, Nähe Hauptbahnhof, www.bundespressestrand.de)

Restaurants

Fischerhütte am Schlachtensee Während man auf der Restaurant-Terrasse vornehm essen und trinken kann, ist im Biergarten direkt am Schlachtensee Selbstbedienung angesagt. (Fischerhüttenstraße 136, Berlin-Zehlendorf Tel. 030/ 8049 83 10, www.fischerhuette-berlin.de)

Hoppetosse In das Restaurant-Schiff geht man nicht unbedingt wegen des (gediegenen) Essens, sondern wegen des guten Blicks die Oberbaumbrücke und den Alex, den Fernsehturm. (Eichenstraße 4, Berlin-Treptow, Tel. 030/ 5332 03 40www.ms-hoppetosse.de)

Capt'n Schillow Etwas versteckt liegt das Schiff auf dem Landwehrkanal, und man könnte, umgeben von Grün, glatt vergessen, dass man sich hier mitten in Berlin befindet. Am Wochenende bekommt man zwischen 10 und 14 Uhr ein gutes Frühstück; danach kann man direkt gegenüber auf der Straße des 17. Juni auf den großen Trödelmarkt gehen. (Straße des 17. Juni, Höhe Charlottenburger Tor, Berlin-Charlottenburg, Tel. 030/ 31 5050 15, www.capt.schillow.de)

Van Loon Sehr gute deutsche Küche wird auf diesem 1914 erbauten Frachtsegler serviert, der im Urbanhafen liegt. (An der Baerwaldbrücke, Carl-Herz-Ufer 7, Berlin-Kreuzberg Tel. 030/ 69262 93, www.vanloon.de)

Buchwald Café Stadtbekannt ist das Café für seinen exzellenten Baumkuchen, drinnen sieht es aus wie in den 50er Jahren, draußen hat man Blick auf die Spree, schräg dahinter liegt das Innenministerium, nicht weit entfernt das Amtsgericht Tiergarten. (Bartningallee 29, Berlin-Tiergarten Tel: 030/ 391 59 31, www.konditorei-buchwald.de)

Ausstellung

Historischer Hafen Neben mehr als 20 historischen Binnenschiffen liegt der Kahn "Renate-Angelika", der eine Ausstellung zur Geschichte der märkischen Binnenschifffahrt präsentiert und über eine Bar verfügt. (Fischerinsel, Berlin-Mitte, Tel. 030/ 214 73 257, www.historischer-hafen-berlin.de)

Wassersport

Kanu-Connection Gute Adresse für Paddler: Wer in der Hochsaison ein Kajak mieten möchte (tageweise), sollte sicherheitshalber frühzeitig reservieren. (Köpenicker Straße 9, Berlin-Kreuzberg, Tel. 030/ 612 26 86, www.kanu-connection.de

Marina Lanke Berlin AG Im größten Wassersportcenter Berlins kann man Segel- und Motorbootkurse machen, Motor- und Hausboote chartern oder für ein paar Stunden Boote diverser Typen leihen. (Scharfe Lanke 109 - 131, Berlin-Spandau, Tel. 030/ 96 08 51 29 (Bootsverleih), 36 20 09 99 (Charter). www.marina-lanke.de)

Surf- und Segelschule Müggelsee Hier kann man nicht nur verschiedene Bootsführerscheine machen und auf Berlins größtem See das Surfen lernen, sondern auch Boote leihen – vom Tretboot bis zum Segelschiff. (Fürstenwalder Damm 838, Berlin-Treptow-Köpenick, Tel. 030/ 648 15 80, www.wassersport-berlin.de)

Baden gehen

Foto-Show: Berlin am Wasser

Badeschiff Wer auf der Spree, aber nicht in Spreewasser baden möchte, springt in den beheizten Pool des Badeschiffs, zu dem auch eine Bar gehört. (Eichenstraße 4, Berlin-Treptow, Tel. 030/ 533 20 30, www.badeschiff.de)

Strandbad Wannsee, Wannseebadweg 25, Berlin-Wannsee

Freibad Müggelsee, Fürstenwalder Damm 838, Berlin-Treptow-Köpenick

Strandbad Weißensee, Uferpromenade am Weißensee, Berlin-Weißensee

Krumme Lanke, Fischerhüttenstraße 141, Berlin-Steglitz-Zehlendorf

Eine Wasserkarte mit Informationen über Wasserstrecken und Ausflugsmöglichkeiten bekommt man für 1,85 Euro in den Tourist Info Centern (Brandenburger Tor, Südflügel, Europa-Center, am Fernsehturm Alexanderplatz) und per Fax 030/ 84 79 82 28 bei BTM-Versanddienst Wolanski.

Noch mehr Infos für Berlin-Besucher sind auf der Website der Berlin Tourist Information abrufbar. Dort werden auch diverse Anbieter von Rundfahrten per Schiff genannt.

Text: Regina KramerFotos: Jens Rötzsch

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