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Australiens Outback: Das Leuchten von Purnululu

Wo Nicole Kidman ihr Heimat-Epos drehte, ist die Natur am ergreifendsten. Andrea Benda wandelte auf Traumpfaden im Outback.

Das Outback schafft mich. Jetzt schon. Dabei bin ich erst seit zwei Tagen in Kununurra, diesem zähflüssigen 6000-Einwohner-Ort im Niemandsland der Kimberley-Region im Nordwesten Australiens. Mit Tagestemperaturen um die 45 Grad ist dieser Landstrich der heißeste des Kontinents. Alle, die keine bescheuerten Touristen sind, verlassen ihre niedergekühlten Geländewagen deshalb nur, wenn die Klimaanlage eines Supermarktes in der Nähe ist.

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Vor den Stadtgrenzen von Kununurra fängt das an, was die Australier pauschal "Outback" nennen: das unbesiedelte Hinterland des Kontinents (manche sagen auch, so heiße eigentlich alles, was nicht Sydney oder Melbourne ist). Dort will ich hin, in die rotsandige Steinwüste, wo Zivilisation und Wasserleitungen aufhören und dafür die Traumpfade der Aborigines beginnen. Dort, wo der Kinofilm "Australia" mit Nicole Kidman spielt und dieses riesengroße Land am ergreifendsten sein soll - aber auch tödlich für alle, die unachtsam sind.

Der Flug hierher steckt mir noch in den Knochen: Hamburg-Dubai-Perth-Broome-Argyle-Kununurra, fünf Starts und Landungen in 48 Stunden; und jetzt soll ich schon wieder in ein Flugzeug steigen, eine sechssitzige Cessna, die nicht sehr vertrauenswürdig wirkt. Aber es hilft nichts. Wer die "Bungle Bungles" sehen will - "Purnululu", wie die Aborigines sie nennen -, steigt besser in den Flieger.

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"Have you seen the Bungle Bungles?" ist in Kununurra die zweithäufigste Frage nach "Do you have enough water?". Die, die schon dort waren, reden wie Besucher einer Esoterikmesse: Verzaubert sei dieser Ort, nicht von dieser Welt, lebensverändernd. 350 Millionen Jahre ist die gedrungene Gebirgsformation mit den abgerundeten rötlichschwarzen Felsen alt, für die Öffentlichkeit wurde sie aber erst 1983 von einem australischen Fernsehteam entdeckt (und zwanzig Jahre später zum Weltnaturerbe erklärt). Bis dahin wussten nur einige Farmer und Wissenschaftler von dem Areal. Die Aborigines zogen sich schon seit Jahrhunderten während der Regenzeit nach Purnululu zurück, wo es immer ausreichend Nahrung gab. Für sie ist der Ort eine heilige Stätte. Eine knappe Flugstunde sind die Bungles von Kununurra entfernt. Die Cessna fliegt tief über die bergige Landschaft, die so menschenleer ist, dass man glaubt, die Grenze zur Urzeit überquert zu haben. Bald liegt auch schon der Nationalpark vor uns, von oben sehen die gestreiften Felsen wie ein Feld voller riesiger Bienenstöcke aus.

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Unten wartet Judy, unsere Führerin durch Purnululu. Mit einer Art allradbetriebenem Panzerbus fährt sie unsere fünfköpfige Gruppe zum Eingang des Nationalparks und checkt unsere Überlebensutensilien: Hüte, feste Schuhe, Proviant und Wasser. Dann folgen wir ihr auf dem "Cathedral Walk" quer durch die gewaltigen Sandsteinformationen. Es ist, als liefe man durch eine bizarre Ruinenstadt voller orange-schwarzer Kuppeln und Pagoden, Türme und Pyramiden. Am Rand des Pfades wuchern runde Spinifex-Büsche, die aussehen wie zartgrüne, weiche Polster. Erst wenn man eines der langen dünnen Gräser streift, merkt man, wie schneidend scharf die hübschen Kissen sind.

Judy zeigt uns meterhohe Termitenhügel und versteinerte Flussbetten, in die sich die Bewegung des Wassers eingeschliffen hat. Dann deutet sie auf eine medizinballgroße Öffnung in einer Felswand - das ehemalige Grab eines Aborigine-Kriegers: "Ihm zu Ehren haben die Männer des Stammes nach seinem Tod seinen Bumerang als Schablone benutzt und die Felswand mit rotem Farbsaft bespuckt. So lange, bis der Umriss der Waffe auf der Wand zu sehen war."

Unsere Gruppe, die am Anfang noch fröhlich plauderte, wird immer stiller. Bald hört man nur noch unsere Schritte, ab und zu einen Vogel, ein Insekt. Es ist der Moment, in dem Purnululu Besitz ergreift von seinen Besuchern, ihnen ins Herz dringt mit seiner unwirklichen Schönheit. Auch wenn sie abgeklärte Europäer sind, die zu Hause nur ironisch lachend erzählen könnten, von welcher Ehrfurcht sie hier ergriffen wurden - "der Wassermangel vielleicht, haha!"

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Die Felsen verengen sich. Als wir die kurze Schlucht durchquert haben, öffnet sich vor uns eine riesige Halle, die das Wasser in Jahrtausenden aus dem Fels gespült hat, ein natürliches Amphitheater im Stein. Ein paar Wanderer sitzen bereits an den Ufern des natürlichen Sees in der Mitte, unterhalten sich flüsternd. Eine ältere Frau schlendert zu uns herüber. "Entschuldigung", sagt sie, "stört es Sie, wenn ich singe?" Wir verneinen, und sie geht zurück ans andere Ende der Halle, stimmt die französische Nationalhymne an. Getragen und klar, mit leichtem englischem Akzent. Die Halle nimmt die Töne auf und trägt die Marseillaise in jeden Winkel. Gérard, der einzige Franzose unserer Gruppe, guckt angestrengt auf den Boden, als würde sich dort gerade Carla Bruni manifestieren. Auch wir anderen versuchen zu verbergen, wie ergriffen wir sind von diesem Lied, das eigentlich so fehl am Platz ist wie ein Didgeridoo in einem europäischen Fußballstadion.

Still gehen wir zurück, durch das sinkende Licht, das die Felsen noch unwirklicher leuchten lässt. Keiner aus unserer Gruppe kann schlafen in dieser Nacht, also treffen wir uns in der einzigen Bar in Kununurra, die um diese Zeit noch geöffnet hat. Dort trinken wir Bier aus großen Gläsern, immer noch erstaunt über die verschwenderische Schönheit, die wir an diesem Tag erlebt haben. "Ihr seid draußen gewesen, was?", sagt der Barmann mit Blick auf Gérard, der immer noch ganz glasige Augen hat. "Jap", sagen wir. Der Barmann nickt und zapft dann noch ein großes "Victoria Bitter" für jeden von uns.

Reise-Infos Australiens Outback

Vorwahl von Deutschland nach Australien: 00 61, dann die 0 der Orte weglassen. Das Gleiche gilt für Handynummern, die meist mit 04 beginnen.

Anreise

Unter anderem verkehrt Skywest-Airlines dreimal wöchentlich zwischen Perth und Kununurra (ab ca. 170 Euro, www.skywest.com.au).

Siebentägige Tour durch die Region Kimberley ab Broome inkl. Besuch des Nationalparks, Camping-Übernachtungen/ VP z. B. bei Australian Adventure Travel ab ca. 885 Euro (www.australianadventure travel.com.au).

Wer auf deutschsprachige Reiseleitung Wert legt, kann bei Karawane eine Tour im Kleinbus buchen: von Broome bis Darwin einschließlich Abstecher zu den Bungle Bungles. Acht Tage DZ/F mit Übernachtung in Lodges und Hotels ab 3170 Euro (www.karawane.de).

Unterkunft

Kimberley Grande Hotel Großzügige Räume, ebenerdig, mit Zugang zum Garten. Einfache, helle, teilweise kolonial anmutende Ausstattung, tolle Bäder, Internet im Zimmer. DZ/F ab 105 Euro (20 Victoria Highway, Kununurra, Tel. 08/91 66 56 00, Fax 91 69 11 72, www.thekimberleygrande.com.au).

Kimberley Croc Backpackers YHA Jugendherberge, einfache, saubere Zimmer mit Klimaanlage, teils Zugang zur Veranda, auf der man grillen kann. Pool zwischen Palmen. DZ ab 33 Euro (120 Konkerberry Drive, Kununurra, Tel. 08/91 68 27 02, Fax 91 69 31 22, www.kimberleycroc.com.au).

Bungle Bungle Wilderness Lodge Mitten im Purnululu-Nationalpark, man schläft in befestigten Zelten, hat Waschräume. Geführte Touren in die Bungle Bungles. Geöffnet April bis Oktober. DZ/F ab 107 Euro (APT Kimberley Wilderness Adventures, Tel. 03/92 77 84 44, Fax 95 21 07 21).

Genießen

Die Restaurant-Auswahl in Kununurra ist begrenzt, in den großen Hotels kann man aber gut und meist preiswert essen, am schönsten im Kimberley Grande Hotel: entweder drinnen im großen Irish Pub oder draußen im Hof. Burger und Steaks und australische Spezialitäten wie in Rotwein geschmortes Känguru oder auch der gegrillte Nationalfisch Barramundi (Adresse links).

The Boab Bookshop & Café In dem Buchladen mit eng stehenden Tischen gibt es ein üppiges Frühstück; auf Eier mit Speck muss man bei vollem Haus allerdings schon mal 20 Minuten warten, Eilige nehmen die süßen Teilchen von der Theke (114B Coolibah Drive, Tel. 08/91 69 25 74).

Ansehen

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Bungle Bungle Rundflüge über den Nationalpark und Tagesausflüge mit Flugtransport von Kununurra mit Alligator Airways. Die in der Reportage beschriebene Tour ist Package 2A. Unbedingt Hut, Sonnenmilch, feste Schuhe und Wasserflasche mitbringen. Inkl. Picknick und Teestunde 280 Euro pro Person, Kinder 230 Euro (Tel. 08/91 68 13 33, Fax 91 68 27 04, www.alligatorairways.com.au).

Mirima National Park Kununurras Naturpark liegt nur zwei Kilometer vor der Stadt. Wanderwege führen durch die herrlich bizarren roten Sandsteinformationen. Großartig: der Blick vom Aussichtspunkt auf Kununurra. Mit ein wenig Glück sieht man auch Dingos und Wallabys. 5 Euro

Lesen

Australiens Farben Wunderschöner Bildband, der Menschen und Landschaften im Outback zeigt, Fotos von Bill Bachman, Texte von Tim Winton (Frederking & Thaler, 19,90 Euro).

Australien Der aktuelle Reiseführer für alle, die den gesamten Kontinent bereisen und nicht alles haargenau im Vorhinein planen wollen. 1228 Seiten mit unzähligen Informationen und Karten (Lonely Planet Deutschland, 28,50 Euro).

Info

Kununurra Visitor Centre, PO Box 446, Kununurra 6743, Tel. 08/91 68 11 77, www.kununurratourism.com

Fotos: Getty Images(1), iStockphoto(3) Ein Artikel aus der BRIGITTE 02/09

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