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Ausgehtipps: Berlin!

Berlin bei Nacht: Mit diesen Ausgehtipps werden Sie bis zum Morgengrauen durchfeiern. Wo sonst geht das so gut wie in der Hauptstadt?

Berlin, 22 Uhr: Der Galerist lehnt in der Tür des Charlottenburger Altbaus, begrüßt meine Freundin Alice und mich. "Hereinspaziert! Holt euch was zu trinken!" Wer hätte das gedacht? Ausgerechnet Guido W. Baudach, Berlins Galerist mit Krawall-Programm, der besonders unangepasste Künstler bevorzugt, ist in den bürgerlichen Westen gezogen, der bis vor Kurzem noch als biedere No-go-Area galt. Jetzt traut sich eine junge Kunstszene her, die vom Mitte-Schick genug hat. Heute eröffnet Jürgen Klauke mit Fotos früher Performances. Mit seiner Halbglatze sieht er nicht annähernd so brutal-grotesk aus wie auf den Bildern. Der kleine Raum hallt vor Lachen und Gemurmel. Wir schieben uns an den Fotografien entlang. "Großartig", raunt ein Mann mit Rauschebart. Er deutet auf ein Bild, das den Künstler mit lackierten Nägeln zeigt. Da lärmt es aus der Küche: "Der Wein ist alle!"

Zeit zu gehen. Und zwar ins "Bonfini", Berlins angesagte Plattenbau-Trattoria am Alexanderplatz, wo der Wirt und die Gäste Programm sind und nicht die Pasta, die nie "al dente" ist. Im Windfang sammelt sich Zigarettenqualm. Alice und ich huschen hinein, Bruno, der Wirt, lotst uns vorbei an Ben Becker, der hier regelmäßig auftaucht. "Was trinkt ihr?", fragt Bruno und linst zum Nebentisch. Dort bezirzt der Drummer der Einstürzenden Neubauten seine Flamme. Mit seiner Hillbilly-Haartolle wirkt er wie aus der Zeit gefallen. Wir bestellen Spritz mit Aperol, Spaghetti mit Scampi. Der Künstler an der Bar, der auf jeder Vernissage auftaucht, prostet herüber und ruft: "Ich such gerade ein Atelier! Falls ihr mal was hört . . . "

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Wir schieben Nudeln auf dem Teller herum. "Scusa, schon wieder weich?" Bruno räumt den Tisch ab. Wir lachen, trinken mehr Spritz und lauschen der Lästerei über Pop-Literatur neben uns. Dann wollen wir weiter, zum Poetry-Slam im "Heimathafen Neukölln". Hier reihte sich in den 20ern Kino an Tanzsalon an Theater. Heute findet man das Haus zwischen Handy-Geschäft und Kosmetikstudio. Der Wettbewerb läuft schon. Vor dem Samtvorhang steht eine Asiatin und rattert die Geschichte von ihrem Job beim Vietnamesen herunter. Sie schraubt sich mit Worten schneller und höher, bis der nächste an der Reihe ist. Der erzählt von seinem Lieblingsspielzeug, "mein Karton", der seine Welt war. Das Publikum grölt, der nächste zieht Fratzen beim Reden. Wie machen die das, dass ihnen nichts peinlich ist?

Das gilt auch fürs Publikum im "King Size". Es ist Mitternacht, und der winzige Laden an der Friedrichstraße platzt aus allen Nähten. Türsteher Klaus bugsiert uns rein. Die Menge klebt vorm DJ-Pult, wo zwei Ladies mit Hornbrillen zur "Queen's Night" bitten. Skandalautorin Helene Hegemann wirft ihre Mähne, Jonathan Meeses Hitler-Porträt hängt schief, die rohen Wände drohen einzustürzen. Wir trinken, schreien, tanzen. Dann, durchtränkt von Beats, Drinks und Schweiß, wanken wir hinaus, blinzeln in den Morgenhimmel, sinken auf die Bordsteinkante. "Brauchen Sie Hilfe?", fragt ein Tourist. Alice und ich prusten los. Eine "Queen's Night" in Berlin endet nun mal in der Gosse.

Ausgehtipps

King Size Club. In dem winzigen Parterre-Laden mit gut bestückter Bar und Mini-Tanzfläche spürt man das Flair des abgedrehten Berlin. Kunstwerke von Jonathan Meese oder Katja Strunz an den roh belassenen Wänden und die Nähe der Clubbesitzer zur Kreativszene machen den Ort zum Hotspot für Künstler, Yuppies, Promis und verkrachte Existenzen. Hier mischt sich alles zu dem, was das ursprüngliche Berlin ausmacht: eine Dresscode-freie Zone, in der es jeder nach seiner Façon bis in die Morgenstunden krachen lassen kann (Friedrichstraße 112b).

• Bar 1000. Im Epizentrum um das "Grill Royal", "King Size" und "Cookies" ist die Bar der Treff für ein Publikum zwischen 20 und 40. Schauspieler, Models, Medienleute und alle, die so aussehen, tanzen oder lümmeln sich in der Lounge-Landschaft (Schiffbauerdamm 11, www.tausendberlin.com).

• Cookies. Berlins angesagtester Club unweit vom Brandenburger Tor, wo alle aussehen, als wären sie auf dem Weg zum MTV-Casting. Tanzen und Trinken zu ausgewählten DJ-Gigs gibt allen ein gutes Gefühl, solange man nicht stundenlang vor dem Eingang Schlange stehen muss (Behrenstr. 55, www.cookies-berlin.de).

• Cussler. Abgeschrammte Do-it-yourself- Bar. Die jungen Künstler Dominik Steiner und Ralf Dereich hängen hier dienstags und freitags Bilder an die Wände, legen laute Musik auf und bedienen Freunde und jeden anderen - Hauptsache, die Stimmung stimmt (Kottbusser Damm 9).

• Weekend. Hipper Club in einem Plattenbau am Alexanderplatz: Hier, über den Dächern Berlins, feiert die Neuberliner Szene in futuristischem Ambiente. DJ-Klänge begleiten den Blick auf den Sonnenaufgang überm Fernsehturm (Alexanderplatz 5, www.week-end-berlin.de).

• Kaffee Burger. Kult-Tanzwirtschaft aus DDR-Zeiten mit Konzerten und Lesungen hinter Spitzengardinen. Wladimir Kaminer widmete dem Burger seine "Russendisko" (Torstr. 60, www.kaffeeburger.de).

• Edelweiß. Kreuzberger Jazzclub mit alpinem Einschlag, vorwiegend junges Publikum. Dienstags Jam-Session (Görlitzerstr. 1-3, Haus 2, www.edelweiss36.com). • Heimathafen Neukölln. Hier lebt das alte Volkstheater wieder auf. Im Salon nebenan wird getrunken und diskutiert (Karl-Marx-Straße 141, www.heimathafen-neukoelln.de).

• Universum Lounge. In der Bar der Schaubühne am Ku'damm kann man der Mondlandung und des alten Berliner Westens gedenken (Kurfürstendamm 153, www.universumlounge. com).

• Vagabund. Die Charlottenburger Tanz- Institution; früher lief hier Romy Schneider auf, heute zehrt der Laden von alten Zeiten, ist aber gerade mit seinem Trash-Charakter sehr unterhaltsam (Knesebeckstr. 77, www.vagabund-berlin.de).

Genuss bei Nacht

Lass uns Freunde bleiben. Lässige Café-Bar mit Ost-Charme in einem der letzten unverputzten Häuser in Mitte. Bier, Wein, Ia-Espresso und drei Kuchensorten für drinnen und draußen (Choriner Straße 12, Tel. 81 89 78 04, www.ruf-mich-nie-wieder-an.de).

• B. Bonfini. Herrlich schräger Italiener am Alexanderplatz, im Parterre eines Plattenbaus. Gemischtes bis szeniges Publikum. Auf knallgelben Wänden hängen Promi-Fotos, Insider-Porträts und Flohmarkt-Relikte. Einfache italienische Küche, z. B. Pasta mit Scampi für 9,50 Euro, Glas Wein ab 3,50 Euro (Memhardstr. 3, Tel. 24 72 66 70, www.bonfini.de).

• Manzini. Leger-elegantes Bistro-Restaurant im alten Westen, berühmt für den guten Bellini, 5,40 Euro, und das Safranrisotto mit Spinat und Scampi, 15,80 Euro (Ludwigkirchstr. 11, Tel. 885 78 20, www.manzini.de).

• Jolesch. Österreichisches Eckrestaurant in Kreuzberg mit wuseligem Wirtshaus- Charme. Legendär: das Schnitzel mit Kartoffel- Vogerl-Salat für 14,80 Euro (Muskauer Straße 1, Tel. 612 35 81, www.jolesch.de).

• Schlesisch Blau. Hier wird gegessen, was auf den Tisch kommt: ein Viergang-Menü mit französischem Touch für unschlagbare 15 Euro. Salat ist immer dabei, Suppe holt man aus dem Bottich. Umso länger dauert die Weinauswahl (Köpenicker Str. 1a).

• Simela. Berlins einzige Dinkel-Pizzeria. Der griechische Besitzer führte hier vorher ein Schmuckgeschäft, heute bietet er bei Bedarf auch gluten- und lactosefreie Teigwaren an. Pizza mit Gorgonzola, Birne, Walnüssen und Rucola für 2,50 Euro/Stück oder eine ganze für 6,50 Euro. Tipp: dazu ein Glas Champagner für 9 Euro (Kantstr. 146, Tel. 81 61 26 00). • Curry 36. Für diese legendäre Wurst steht man auch nachts noch Schlange (Mehringdamm 36).

• Balikci Ergün. Türkisches Fischrestaurant in den S-Bahnbögen. Die Wände und Decken sind gespickt mit Zetteln voller politischer Kommentare, Fußballfanpost oder Nonsens. Türkische Familienväter sitzen hier bei Grillfisch, gebratenen Sardinen und Weinblättern. Speisen ab 2,50 Euro (Lüneburger Str. 382, Tel. 397 57 37).

• Liquidrom. Badeparadies bis 24 Uhr, mit Sauna, Salzwasserbecken, Unterwassermusik und Konzerten. Zwei Stunden für 19,50 Euro (Möckernstr. 10, www.liquidrom-berlin.de).

• Rikschafahrt. Für die "Lichter der Großstadt"-Tour kann man sich von einem radelnden Guide durch die Straßen ziehen lassen; wer lieber selber fährt: Fahrradmiete pro Tag 9 Euro (www.berlin-rikscha-tours.de).

Übernachtungstipps

• nhow Music und Lifestyle Hotel. Direkt an der Spree zwischen Kreuzberg und Friedrichshain, mitten in der Clubszene - mit futuristischem Design von Karim Rashid. DZ/F ab 192 Euro (Stralauer Allee 3, 10245 Berlin, Tel. 290 29 90, Fax 29 02 99 20 00, www.nhow-hotels.com/berlin).

• Ellington Hotel. Der Klassiker im alten Westen. Das elegant-nüchterne Architekturdenkmal von 1928, damals Hotspot der internationalen Jazz- Szene, liegt perfekt zwischen Ku'damm, KaDeWe und Zoo. DZ/F ab 128 Euro (Nürnberger Str. 50-55, 10789 Berlin, Tel. 68 31 50, Fax 683 15 55 55, www.ellington-hotel.com).

• Design Rooms. Wer nichts gegen ein Bad für alle hat, kann in der urigen Vier-Zimmer-Altbauwohnung zwischen Vintage-Designmöbeln im typischen Berlin-Mitte-Style übernachten. DZ/F ab 60 Euro (Brunnenstraße 152, 10117 Berlin, Tel. 21 38 34 98).

Lesen Das unbekannte Berlin. Was man über Berlin noch nicht weiß - in sieben wunderschönen Stadtspaziergängen (Ellert & Richter, 9,95 Euro).

Telefon Vorwahl von Berlin: 030.

Infos Berlin Tourismus z. B. im Hauptbahnhof, Tel. 62 72 13 03, www.berlin.de

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Fotos: Urban Zintel, Steffen Roth, Plainpicture Text: Gesine Borcherdt BRIGITTE, Heft 18/11

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