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Anguilla: Geheimtipp in der Karibik

Wenn gestresste Europäer einen Ort suchen, an dem sie gepflegt abhängen können, dann ist Anguilla die erste Wahl. Nirgendwo geht Nichtstun so einfach wie hier.

Was macht man bloß auf Anguilla? Die Insel ist nur 90 Quadratkilometer groß. Sie bietet keine Sehenswürdigkeiten. Sie ist flach wie eine Flunder. Sie ist heiß und staubig. Es gibt keinen Berg oder gar einen Vulkan wie auf den anderen Antilleninseln. Eine Inselrundfahrt erübrigt sich, weil die Insel nicht rund, sondern lang ist. Anguilla heißt schließlich "Aal" auf Spanisch. Die Hauptstraße, die eher ein breiter Feldweg ist, führt von einem Ende zum anderen. Das war's eigentlich.

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Was ist auf so einem Aal also zu tun? Sich in der Sonne aalen und im Wasser baden, es ist so klar, dass man bis zu 30 Meter weit sieht. Wenn gestresste Europäer und Amerikaner einen Ort suchen, an dem sie gepflegt abhängen können, dann ist Anguilla die erste Wahl. Nirgendwo sonst lenkt so wenig vom Nichtstun ab wie in der winzigen Inselrepublik. Es gibt kein Kino, kein Theater, keine Spielhölle, keine Shopping-Mall, keine Souvenir-Shops und keinen Markt mit einheimischem Kunsthandwerk, weil es auch kein einheimisches Kunsthandwerk gibt. Die Hauptstadt The Valley besteht aus einem Supermarkt, einer Post, einer Polizeiwache, einer Tankstelle und der einzigen Ampel der Insel. Ein Gefängnis steht dort auch, aber das ist meistens leer, da es auf Anguilla auch praktisch keine Kriminalität gibt.

Eine Insel ohne Sehenswürdigkeiten, Naturschätze und Städte - ist das nicht extrem langweilig? Wer so denkt, hat das Karibik-Prinzip nicht verstanden. Es geht auf einer Insel wie Anguilla nicht darum, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit zu erleben. Diese Insel ist die Antithese zu einem Action-Urlaub. Nein, was wir auf Anguilla lernen, ist der Verzicht auf Effektivität. Die Anguillaner nennen diese hohe Kunst der Totalentspannung "Liming" - durchhängen lassen.

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Wir tasten uns langsam an diesen Zustand heran. Als Übungsfeld dienen 33 Strände, alle mit feinem weißen Sand. Die Ausrüstung ist schnell gepackt, Handtuch, Badehose, Sonnenbrille und Sonnenschutzcreme reichen. Ein Buch würde nur ablenken. Es geht darum, zu fühlen, nicht zu denken.

Lange stehen wir das Nichtstun aber als Anfänger nicht durch. Also ziehen wir weiter ins "Reggae Café", eine rot, grün und gelb gestrichene Hütte mit Strohdach an der Shoal Bay. Die eineinhalb Kilometer lange Bucht taucht immer wieder auf den Listen der schönsten Strände der Welt auf. Das Küchenpersonal spielt Domino, und bis der bestellte Eistee auf dem Tisch steht, vergeht eine ganze Weile. Aber warum sollte hier auch einer in Hektik ausbrechen?

Der einzige feste Termin an diesem Tag ist der Sonnenuntergang um kurz nach sechs, danach ist Feierabend. Also schauen wir eine weitere Weile den Albatrossen zu, die am Himmel über der Shoal Bay ruhig ihre Kreise ziehen und darauf warten, dass etwas passiert. Es passiert aber nichts.

Die einzigen Sehenswürdigkeiten auf der Insel sind die Prominenten, die in den Luxushotels residieren. Bruce Willis, Eric Clapton, Naomi Campbell waren hier, Janet Jackson und Tom Cruise mieten sich gern Villen mit Personal und Pool, die 8000 Dollar am Tag kosten. Die Einheimischen freuen sich darüber, weil der Edel-Tourismus dafür sorgt, dass der Lebensstandard auf Anguilla weit höher ist als auf den Nachbarinseln.

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Politisch ist die Insel weitgehend unabhängig. Als autonome britische Kronkolonie können die Einheimischen beinahe tun und lassen, was sie wollen. Wirtschaftlich gesehen ist Anguilla ebenfalls eine Insel der Seligen. Wer von den 12 500 Einwohnern Gewinn macht, muss keine Einkommensteuer zahlen. Es kommen zwar nicht viele Touristen, nur etwa 45 000 pro Jahr, aber jeder von ihnen lässt im Schnitt 500 Dollar pro Tag auf der Insel.

Ich mache mit vergleichsweise wenig Geld auf Anguilla Urlaub, im Guesthouse "Body & Soul". Vielleicht kommt so ein Aufenthalt sogar eher dem "Liming" nahe. Ich werde gezwungen, den Tag in einer Hängematte zu verbringen, einen Hummer von den Fischern am Strand zu kaufen und ihn auf einem offenen Feuer zu grillen. Und dabei erreiche ich gerade das richtige Maß an Bewegung.

Reise-Infos Anguilla

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Reisezeit Karibik: Von Dezember bis April, in der "Trockenzeit", ist Hochsaison. Viele Gäste kommen auch in den Monaten Mai bis Juli; die Inseln sind dann grüner, die Preise günstiger, und es gibt meistens nur kurze Schauer.

Unterwegs: Am besten mit dem Mietwagen - für eine Fahrerlaubnis muss man einen gültigen Führerschein vorlegen und eine Gebühr zahlen. Gewöhnungsbedürftig: Auf Anguilla herrscht Linksverkehr, aber fast alle Autos werden rechts gesteuert.

Telefon: die Vorwahl für Anguilla: 001/264.

Hotels

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Lloyds Bed & Breakfast: nettes Gästehaus im Hauptort The Valley. Frühstück im britischen Stil, Zimmer mit Blümchentapete und rosa Häkeldeckchen (P.O. Box 52, The Valley, Tel. 4972351, Fax 4973028).

Body & Soul: Die deutsche Fitness-Trainerin Susi Geyer-Schröder vermietet ein schönes Appartement direkt am Strand von Sandy Ground. Mit Küche, einem Doppelstockbett und bruchsicherem Ikea-Geschirr ideal für Familien. Appartement für zwei und vier Personen (Tel. 4978363, oder über Tom Geyer, Grafenberger Allee 89, 40237 Düsseldorf).

Restaurants

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Reggae Grill: Cocktails, Gegrilltes, Sandwiches und Eisbecher unter Palmen. Sonntags Livemusik, meistens Reggae (Shoal Bay, Tel. 4972120.)

Johnno's: Strandlokal, neben den Tischen stecken Fackeln im Sand, es läuft Jazzmusik, samstags spielen Livebands (Sandy Ground, Tel. 4972728).

Scilly Cay: eine winzige Insel, auf der nur ein Restaurant steht. Eudoxie Wallace bereitet dort den besten Hummer zu, frisch aus dem Meerwasser, mit einer süß-scharfen Currysoße (Tel. 4975123, täglich von 11 bis 17 Uhr, außer Mo.)

Geld: Auf Anguilla gilt der Eastern Caribbean Dollar, aber US-Dollars werden überall akzeptiert. Info: Anguilla Tourist Board, P.O. Box 1388, The Valley, Anguilla B.W.I., Tel. 4972759, Fax 497 27 10, www.anguillaguide.com oder www.anguilla-vacation.com.

Lesetipps Karibik: Nelles Guide "Karibik. Kleine Antillen" (12,90 Euro). Interessante Lesestücke im Geo Special "Karibik" (12,75 Euro).

Text: Titus Arnu Fotos: Bethel Fath

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