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Aktivurlaub in der Türkei

BRIGITTE-Mitarbeiterin Katja Michel bereiste die Lykische Küste mit Boot und Rad, um mal so richtig loszulassen.

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Die Berge dampfen. Vergangene Nacht hat es geregnet, jetzt holt die Sonne das Wasser in den Himmel zurück. Dicke weiße Nebelwolken steigen aus den duftenden Pinienwäldern ringsherum auf. Sanft fallen die Berge zur Küste hin ab, unten leuchtet tiefblau das Meer. Und auf der glatten Wasserfläche liegen wie riesengroße, schlafende Tiere die zwölf Inseln vor Göcek.

Ich bin gerade erst abgestiegen. Zwei Stunden hat es gedauert, mit dem Mountainbike hier hochzufahren. Zwei Stunden, in denen ich das Gefühl bekam, dieser Berg sei verzaubert: Mit jedem Pedaltritt schien die Steigung steiler zu werden; und das Knirschen des Schotters unter den Reifen klang wie ein boshaftes Kichern. Doch jetzt ist der Bann gebrochen. Wir sind oben. Meine Beine zittern noch leicht, doch mein Atem kommt zur Ruhe. Und ich selbst sowieso. Das ist das Schönste beim Mountainbiken - die Aussicht, die man sich erkämpft hat. Wann habe ich zum letzten Mal so weit geguckt?

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Den Kopf frei kriegen durch Sport und Entspannung, das war das Ziel dieser Reise. Erst hatte ich ein Wellness-Wochenende geplant. Doch ich war so im Arbeitsstress gefangen, dass die Worte Shiatsu und Thalasso in meinen Ohren klangen wie Namen ausländischer Geschäftsleute. "Mach doch lieber Aktivurlaub, da lenkst du dich ab und kommst auf andere Gedanken", hatte mir eine Freundin daher geraten; und ich buchte diese Gruppentour in der Südtürkei. "Boot & Bike" heißt sie: Wir übernachten auf einer Gulet, einem traditionellen türkischen Motorsegelboot, das vor der Lykischen Küste kreuzt. Tagsüber erkunden wir auf unseren Rädern die wilde, zerklüftete Landschaft zwischen Antalya und Marmaris, in der Griechen, Römer, Osmanen und andere Völker ihre Spuren hinterlassen haben: uralte Felsengräber, Ruinenstädte - und ehemals verlassene Siedlungen wie Kayaköyü, zwischen deren Geisterhäusern Eidechsen herumhuschen und Cafés für Touristen eröffnet haben. Nachmittags kehren wir dann auf das Boot zurück, baden in Buchten mit smaragdgrünem Wasser und fallen abends müde ins Bett. Wann bin ich zum letzten Mal vor dem Frühstück ins Meer gesprungen?

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"Merhaba!", guten Tag, ruft eine alte Frau am Wegesrand und winkt. Sie trägt ein Kopftuch, einen langen, geblümten Rock; und im Gesicht ein Lächeln, das uns zu umarmen scheint. Wir sind auf den Rädern in die Bucht von Sarsala unterwegs - fahren auf Schotterwegen zwischen weißen Häuschen hindurch, die sich zu Dörfern zusammengekauert haben. Die tief stehende Sonne taucht alles in ein goldenes Licht, so dass ich zu träumen beginne.

"Nicht schneller werden", raunt Schnarri da plötzlich neben mir, "fahr einfach so weiter!" Schnarri heißt eigentlich Harald und ist einer unserer beiden "Teamer", wie sich die Reiseleiter nennen. Sein sorgenvoller Ton lässt mich hochschrecken: Schnarri ist ein drahtiger, durchtrainierter Typ - einer, der sich so schnell vor nichts fürchten muss. Was, zum Kuckuck, ist hier also los?

Dann höre ich es auch: Ein Hund läuft bellend hinter uns her. "Kann sein, dass der beißt", orakelt Schnarri. In meiner Fantasie verwandelt sich das Tier bereits in einen riesigen Höllenhund, packt mich, apportiert mich in die lykische Unterwelt oder zumindest an einen Touristenstrand. Doch da ebbt das Gebell schon wieder ab - der Möchtegern-Zerberus hat aufgegeben. Erleichtert fahren wir weiter. Hinter den Baumspitzen taucht jetzt ein Minarett auf, und der Muezzin beginnt seinen monotonen, fremdartigen Ruf. Wann habe ich mich zum letzten Mal so weit weg gefühlt?

Drei Tage zuvor, im Flieger nach Dalaman, waren Alltags- und Job-Sorgen noch in meinem Kopf herumgeschwirrt wie hyperaktive Moskitos. Doch jetzt merke ich, dass der Urlaub Besitz von mir zu ergreifen beginnt - mich beschäftigen elementare Bedürfnisse: Ich sitze an Deck unseres Bootes, der "Taner 3", und habe Hunger. Es ist ein Hunger, der sich echt und gesund anfühlt, mit dem mein Körper das zurückfordert, was ich ihm abgetrotzt habe. Auf einem Holztisch türmt sich auch schon das Abendessen: gewürzter Joghurt, Salat, panierter Blumenkohl, Auberginen, Hähnchenschnitzel, gegrillter Fisch, Reis und Nudeln. Der nächste Tag kann kommen.

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Mit einem Ausflugsboot schippern wir heute gemütlich durch das Flussdelta von Dalyan. Breite, hellbraune Schilfflächen durchziehen die blauen Wasserarme. Wir passieren eine alte Schleuse aus Holz. In die schroffen Felswände am Ufer sind dutzende Häuserfassaden gehauen, hinter denen sich Höhlen befinden. Das also sind sie - die berühmten lykischen Felsengräber.

Was es mit den Lykiern genau auf sich hatte, ist bis heute ein Rätsel. Man weiß, dass sie eine eigene Sprache und ein Alphabet mit 29 Buchstaben hatten. Dass Homer sie in seiner "Ilias" erwähnte. Doch über ihre Herkunft und Identität spekulieren Wissenschaftler bis heute. So wie wir über diese Gräber aus dem 6. bis 4. Jahrhundert vor Christus: Wie ein Dorf, das vor Urzeiten versteinert wurde, thronen die Häuser über uns. Ihre Front erinnert an griechische Tempel, ihre dunklen Öffnungen gähnen aus dem hellen Fels, stumm, geheimnisvoll: Was hat die Lykier dazu bewogen, diese Fassaden so weit droben mühevoll in den Stein zu schlagen? Welche Vorstellung hatten sie vom Jenseits, vom Tod?

Mit den Rädern fahren wir anschließend weiter nach Kaunos. In der antiken Ruinenstadt wuchert verdörrtes Gras über Säulen und verwittertes Gemäuer. Wir klettern die steilen Stufen zur Akropolis hinauf: Der Blick von oben über das tiefblaue, sumpfige Delta ist wunderschön. Das römische Theater der Stadt steht fast noch wie früher. Das müssen wir ausnutzen - wir albern ausgelassen herum, testen die Akustik des alten Gebäudes: Wann habe ich zum letzten Mal Gedichte aufgesagt, einfach so, zum Spaß?

Abends sehe ich, dass jemand auf meine Handy-Mailbox gesprochen hat. Ich habe den Code vergessen, um meine Nachrichten im Ausland abzuhören - doch inzwischen ist mir das völlig egal. Eine leichte Brise zieht herauf, weht die Gedanken an den Alltag ins Meer; und die Wellen wiegen mich sanft in den Schlaf.

Einmal übernachten wir sogar draußen an Deck anstatt in unseren Doppelkabinen. Die "Taner 3" liegt in einer kleinen Bucht, es ist kühl, wir wickeln uns in dicke Decken. Über uns leuchten Sterne. Wir reden und reden, über Sternbilder und unsere Lieblingsfernsehserien "Desperate Housewives" und "Grey's Anatomy". Irgendwann sind wir schließlich ruhig, trinken Bier aus Dosen und schauen in den Nachthimmel. Das ist ja fast schon kitschig, denke ich Stadtmensch ein wenig spöttisch, kurz vor dem Einschlafen. Aber: Wann habe ich zum letzten Mal eine solche Stille erlebt?

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"Turn around", sagt Hayrettin, der Masseur, und gibt mir einen Klaps. Dann rubbelt er mit einem rauen Handschuh an meinem Rücken herum. Jetzt bin ich doch noch in einen Wellness- Tempel geraten - allerdings in einem türkischen: Wir sind in einem Hamam, einem Dampfbad. Hayrettin hat dunkle Haare, einen imposanten Schnurrbart, eine mächtige Nase; und er gerät ins Schwitzen, während er an mir herumknetet. Ich liege auf einer Marmorplatte. Die warme Luft hat mich träge gemacht, dichter Dampf lässt alles verschwimmen. "Have a shower", sagt Hayrettin jetzt. Danach seift er mich mit Kernseife ein. Ich versinke in Bergen aus Schaum und komme mir vor wie ein Kind in der Badewanne.

Und dann unsere letzte Tour. Auf den höchsten Berg dieser Reise führt sie, und unsere Rollenverteilung ist mal wieder die übliche: "Findest du das eigentlich gar nicht anstrengend?", frage ich unseren Teamer Dominik schnaufend. "Nein, in deinem Tempo eigentlich nicht", sagt er und grinst dabei souverän, so dass ich mich neben ihm fühle wie ein Dreirad strampelnder Schlumpf. Wir fahren eine steile Serpentinenstraße hoch. Mir ist heiß unter meinem Fahrradhelm. Ich muss mal wieder kämpfen, um im Sattel zu bleiben. Aber jetzt schieben? Auf den letzten Metern? Auf keinen Fall.Noch zwei Tritte in die Pedale - dann bin ich oben. Und wehmütig. Er wird mir fehlen, dieser erste Moment auf dem Gipfel. Die klare Luft. Der betörende Duft der Pinien. Die sanft gewellten Berge. Und natürlich das Meer. Ich sage stumm auf Wiedersehen. Wann werde ich mich das nächste Mal so zufrieden fühlen?

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Info: Türkei per Boot & Bike

Tagsüber Rad fahren, nachmittags auf einer Yacht entspannen - das ist das Konzept der "Boot & Bike"-Tour. Außer in der Türkei bietet der Veranstalter auch Touren in der kroatischen Kvarner Bucht an, in Süd- und Mitteldalmatien und auf den Ionischen Inseln. Die Räder werden kostenlos gestellt. Übernachtung an Bord in Doppelkabinen; Einzelkabinen auf Anfrage gegen Aufpreis. Eine Woche an der Lykischen Küste inklusive Flug, zum Beispiel mit Condor (www.condor.com), und Halbpension ab 779 Euro pro Person (Frosch Sportreisen, Gasselstiege 24, 48159 Münster, Tel. 02 51/927 88 10, Fax 927 88 50, www.frosch-sportreisen.de).

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Text und Fotos: Katja Michel Karte: Gabi Wilhelmi BRIGITTE Heft 16/2007

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