Es fängt nicht gut an für mich. Bei der allerersten Übung nennt Marco, unser Bike-Guide, mich einen "Härdöpfelsack"- was auf hochdeutsch so viel wie Kartoffelsack bedeutet. Ich bin ehrlich beleidigt. Ich kenne den Typen erst fünf Minuten, was bildet der sich eigentlich ein? Außerdem mag ich es gar nicht, im Kiesbett scharf zu bremsen. Hmm. Sitze ich wirklich so spannungslos im Sattel? Ben dagegen, mein elfjähriger Sohn, bremst wie ein Ass und lächelt stolz, als er gelobt wird.
Rauf im Flow, runter im Flug
Ben und ich sind die Outdoorsportler in unserer Familie. Im vergangenen Jahr fuhren wir in Tirol mit der Gondel den Berg hoch und sausten mit den Bikes über Waldwege und Kiespisten ins Tal zurück.
Ich wollte sofort mehr davon: von der Natur, dem Kribbeln im Bauch und dem Gefühl, das alles gemeinsam zu erleben - aber gern mit etwas mehr Anstrengung. Ich wollte einen ganzen Mountainbike-Urlaub mit meinem Kind machen, aber ohne mich dabei zurücknehmen zu müssen.
Dann erzählte eine Kollegin, dass sie mit ihrem Mann im Urlaub ein E-Bike mietet, während er ohne Motor radelt. Das ist es, dachte ich: Ben bekommt Antrieb, ich kann mich abrackern, und beide sind wir glücklich. Und genau dafür sind wir jetzt hier, in Flims, im Schweizer Kanton Graubünden.
Mein Sohn lässt mich Staub schlucken
Allerdings geht es nach dem "Härdöpfelsack" auch nicht besser weiter - ich stelle fest, dass ich immer die Letzte bin. Roland, unser Fotograf, fährt öfter mal 150 Kilometer mit dem Rennrad - am Tag. Guide Marco ist eh fit wie ein Turnschuh. Und Ben rast ständig mit seinem E-Bike an mir vorbei und lässt mich Staub schlucken. "Ich bin auf Turbo!", ruft er glücklich. Mein Turbo dagegen ist auf Reserve. Aber das macht nichts, ich bin trotzdem schockverliebt: in die schroffen Berge, ins Auspowern, in dieses "Wir beide hier" mit Ben.
Fünf Stunden sind wir unterwegs, radeln vorbei an den türkisgrünen Badeseen Cauma und Cresta, bewundern die spektakuläre Rheinschlucht, essen zwischendurch leckere Graubündener Spezialitäten wie "Capuns", in Mangold gewickelte Spätzle, ziehen Ben aus einem Busch, in den er mit seinem E-Bike, einem echt schweren Teil, gekippt ist, was seiner Begeisterung aber keinen Abbruch tut.
Downhillfahren? Mein Kind verspricht mir ein Eis, wenn ich es schaffe
Am nächsten Tag läuft es für Ben sogar noch besser: Downhillfahren! Ich habe richtig Schiss, aber Ben verspricht mir ein Eis, wenn ich den gut sieben Kilometer langen Singletrail, ein schmales Wegelchen über Stock und Stein runter schaffe. Moment, wann haben wir eigentlich die Rollen getauscht?
Zu meiner Beruhigung erklärt Marco erst mal die Technik: bergab immer im Stehen, Pedalen parallel, Ellenbogen leicht zur Seite. Und nie, wirklich nie ruckartig bremsen! Okay, verstanden. Nur: Wenn man Angst hat, verkrampft man sich ja reflexhaft - und das merke ich, als wir etwa die Hälfte der 1800 Höhenmeter hinter uns haben.
Ich bin auf Adrenalin, genieße das Tempo. Doch auf einmal werde ich zu schnell und bremse an einem steilen Hügel - ruckartig. Ich rolle rückwärts und werfe mich seitlich in eine Tanne, um nicht unterm Rad zu landen. Autsch, das pikst! Zum Glück ist bis auf ein paar Kratzer noch alles dran.
Ben kriegt nichts mit, er rast jauchzend hinter Marco her, springt über Schanzen und stürzt sich die steilsten Passagen hinunter. Mit abgeschürften Beinen und blauen Flecken, aber stolz kommen wir unten an. Abends im Bett sagt er: "Mama, du fährst zwar besser hoch, aber ich besser runter."
Am nächsten Tag bin ich wieder dran: Es geht aufwärts - meine Lieblingsdisziplin auf dem Mountainbike. "Mama, warum quält man sich freiwillig einen Berg hoch, wenn man auch den Sessellift nehmen könnte?", fragt Ben verzweifelt. Er braucht öfter Pausen, manchmal schiebt er, oder Marco gibt ihm Schwung - bei der E-Bike-Reservierung ist leider was schiefgelaufen. Ich dagegen bestaune die Aussicht und spüre, wie mein Kopf ganz ruhig wird.
Mein Fazit nach drei Tagen? Großartig! Ich hatte meine Anstrengung, Ben sein Tempo und die Trails. Das machen wir wieder!
DANIELAS TIPPS FÜR RADREISEN
ÜBERNACHTEN
Rocksresort. In den puristischen, grauen Granitwohnklötzen in Laax verbergen sich moderne, aber gemütliche Appartements, auf der Plaza in der Mitte gibt es Restaurants, Shops, Cafés, Spielplatz, Supermarkt - und eine Halfpipe zum Üben. Appartement mit 2 Schlafzimmern/Tag ab ca. 430 Euro (Via Murschetg 15, 7032 Laax, Schweiz, Tel. 00 41/819 27 97 97, www.rocksresort.com).
GENIESSEN
Tegia Larnags. Gemütliche Hütte, etwa 15 Minuten Fußweg von der Talstation in Laax den Berg hoch, mit Schweizer Spezialitäten wie Käsefondue für ca. 26 Euro (Tel. 00 41/81 927 99 10, larnags.ch).
Conn. Das rustikale Restaurant liegt im Flimser Grosswald direkt am Wander und Bikeweg zur Rheinschlucht, mit grandiosem Ausblick auf die Berge. Nur zu Fuß erreichbar! Köstlich sind die "Capuns", in Mangold gewickelte Spätzle (ca. 22 Euro), und die Birnenravioli (ca. 23 Euro; www.conn.ch).
MOUNTAINBIKEN
Am besten nimmt man All-Mountain-Bikes für Ausflugstouren, sie sind wendig, stabil und auch für schwierige Trails geeignet. E-Mountainbikes boomen, also besser vorher reservieren; beste Wahl ist ein "Fully" (mit Federung an Vorder und Hinterrad) und: unbedingt von Experten einweisen lassen, weil das Tempo am Anfang nicht so einfach zu regulieren ist. Ausleihen z. B. bei "Laax Rental" (E-Bike-Fully z. B. 68 Euro pro Tag für Erwachsene, für Kinder 40 Euro; Talstation Flims und Laax, Tel. 00 41/819 27 70 73, www.laaxrental.com).
Kurse bietet die "Laax School", ein dreistündiger Gruppen-Einsteiger-Grundkurs kostet 119 Euro pro Person (www.bikeschool-flims-laax-falera.ch). Touren kann man reichlich machen: Die Region Laax-Flims-Falera im Schweizer Kanton Graubünden bietet 330 Kilometer Bikestrecken (Infos unter www.flims.com).
UNBEDINGT HINFAHREN
Schöne Ziele sind die Badeseen Cauma und Cresta, wo man sich im türkisfarbenen Wasser abkühlen kann. Einen spektakulären Ausblick auf die Berge und die 400 Meter tiefe Rheinschlucht Ruinaulta hat man von der Aussichtsplattform Il Spir.