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Norwegen-Urlaub: Die besten Tipps für eine atemberaubende Tour

Norwegen
© Severin Wohlleben
Norwegen auf die sanfte Tour: Unterwegs mit Bahn, Bike und Boots - entlang einer der schönsten Eisenbahnstrecken Skandinaviens.

Jetzt mal ganz langsam

Blomheller ist die vielleicht kleinste Bahnstation der Welt. Gelbes Holzhäuschen, Bank davor, zwei Meter Bordstein am Gleisbett. Da stehen wir, zwei Wanderer in knallfarbenen Outdoor-Jacken, die ziemlich nassgeregnet auf einen Zug warten.

Klare Sache, eigentlich. Der Zug kommt, bremst, der Lokführer guckt uns an. Dann gibt er Gas und fährt davon. Und wir bleiben im südnorwegischen Nirgendwo zurück und schauen uns an wie zwei Touristen-Seppel, die gerade keine Ahnung haben, was sie falsch gemacht haben.

Dabei kann man ganz generell nicht allzu viel falsch machen in Norwegen. Die Dinge haben ihre Ordnung, das Tempo ist moderat, die Menschen - wenn man in dem außerhalb Oslos leeren Land mal welche trifft - sind nett, helfen weiter. Es gibt nur ein paar Dinge, die man wissen sollte. Zum Beispiel, dass man einem Zugführer durch Winken signalisieren muss, wenn man mitfahren möchte.

Norwegen
Mit dem Zug durch Norwegen. Das weckt Erinnerungen bei unserer BRIGITTE-Redakteurin
© Severin Wohlleben

Vor unfassbaren 35 Jahren war ich das letzte Mal in Norwegen, Interrail nach dem Abitur, fünf 18-Jährige zwischen Schule und Zukunft, vor allem interessiert daran, nichts tun zu müssen. Mit dem Bahnpass sind wir durchs Land gebummelt, und eine Strecke ist mir besonders in Erinnerung geblieben, die sympathischen Namen ihrer Endstationen dazu: Myrdal, ein kleiner Ort am Rande der Hardangervidda, der größten Hochebene Europas, und, ein bisschen weiter nördlich: Flam.

Nur 17 Kilometer liegen zwischen den beiden Orten, aber 860 Höhenmeter - was den Reiz der Strecke ausmacht. Eine alte Holzbahn, die Flambahn, arbeitete sich damals sehr, sehr langsam und mit dauerzischelnden Bremsen das Plateau hinunter, am Fenster zogen Wasserfälle vorbei, die mehr als hundert Meter ins Nichts stürzten, und Bergrücken, an denen wir so nah entlangschrammten, dass wir sie durch die heruntergezogenen Fenster berühren konnten. Wir fuhren durch Dutzende schmale Tunnel, die Menschen vor hundert Jahren mit Dynamit in den Fels gesprengt hatten.

Durch die schönsten Landschaften Nordeuropas

Die Bahn gibt es noch, aber diesmal will ich nicht nur Zug fahren, ich will raus und diese sagenhafte Natur zu Fuß erleben. Die Flambahn ist ein Teilstück der Bergenbahn, die auf 516 Kilometern Oslo - wo unsere Reise beginnt - mit der Stadt Bergen an der Westküste verbindet und berühmt dafür ist, durch eine der schönsten Landschaften Nordeuropas zu führen.

Eigentlich ist die Bergenbahn ein ganz normaler Fernzug zwischen zwei Großstädten, allerdings ein bedächtiger und mit plüschig roten Sitzen im Speisewagen. Vor jeder Station ertönt die freundliche Durchsage, dass man in fünf bis sechs Minuten an der nächsten Station eintrifft, damit bloß niemand in Hektik geraten muss, wenn er seine Sachen zusammenrafft.

Ein paar Schlenker fahren wir durch eher triste Vororte Oslos, dann, schlagartig, verwandelt sich die Landschaft in feinstes Norwegen-Klischee: Wir sehen Seen, deren Oberflächen so klar und ruhig daliegen, dass sich das Ufer darin spiegelt, als hinge es kopfüber im Nichts. Je höher die Berge, je tiefer scheinen sie ins Wasser zu sinken. Die Bahn rumpelt in einem Tempo, das die Frage aufwirft, ob sie eigentlich ankommen will.

Schließlich, nach gut 300 Kilometern, erreichen wir Finse, vier Einwohner, 1220 Meter hoch, oder, um genau zu sein, 1222, denn so heißt das einzige Hotel im Ort, "Finse 1222". Es liegt so atemberaubend, dass wir beschließen, erst mal die vom Gletschereis gespiegelte Sonne auf der Hotelterrasse zu genießen und in aller Ruhe das frisch gebackene Rosinenbrötchen zu essen, das es beim Einchecken dazugibt.

"Finse 1222" war mal ein kleiner Laden, der die Arbeiter versorgte, die im frühen 20. Jahrhundert die Schienen der Bergenbahn durch die Gebirgszüge der Hardangervidda verlegten. Ein schmaler Schotterweg verläuft teils direkt neben, teils in einiger Entfernung zu den Gleisen: der Rallarvegen, 86 Kilometer lang, heute ein landesweit beliebter Wander- und Radweg.

Norwegen
Gletschernah Der Sommer sieht entlang der Rallarvegen-Wanderstrecke an manchen Orten mehr wie Winter aus. Autorin Meike Dinklage hat zum Glück eine warme Jacke
© Severin Wohlleben

Ihn zu laufen empfiehlt sich vor allem im Früh- und Spätsommer, wenn es schneebedingt noch oder schon wieder zu glatt zum Radeln ist. Ansonsten ist es wie überall, wo sich Fußgänger und Radfahrer die Straße teilen: Die Koexistenz ist nicht immer unkompliziert.

Der Rallarvegen beginnt direkt am Hotel

Finse liegt oberhalb der Baumgrenze, im Süden thront der Hardangerjökulen, ein fast 1900 Meter hoher Gletscher, dessen Eis wie eine Zunge Richtung Finsevatnet leckt. Sir Ernest Shackleton trainierte hier 1914 für seine Antarktis-Expedition (die ihn zum Helden eines spektakulären Überlebenskampfes im Eismeer machen sollte); heute trainieren hier vor allem Firmen ihre Mitarbeiter in Teambuilding, indem sie die Mitarbeiter gemeinsam den Gletscher besteigen lassen.

Unser Fotograf Severin Wohlleben und ich mieten uns Mountainbikes und fahren los, der Rallarvegen beginnt gleich hinter dem Hotel. Es ist herrlich, das Fahrrad tritt sich leicht, der Weg ist gut befahrbar. Wasserfälle brechen schäumend die Bergkämme hinab; Wasser ist das Einzige, was wir über Stunden hören, mal fällt es steil und tosend, mal wirbelnd, mal nur tröpfelnd und rinnsalgroß. Wir radeln durch moosgrüne Wikingerlandschaften mit wie von Hünen hineingewürfelten Felsen; die Gegend ist rau und wild und zugleich zart und friedlich.

Ich versuche, am Klischee vorbeizugucken, um so etwas wie eine verborgene Seele des Landes zu entdecken, aber es gelingt mir nicht, es ist zu schön und stimmig. Vielleicht ist Norwegen einfach so - wie man es sich vorstellt.

Noch ein Klischee passt: Am nächsten Tag regnet es. So sehr, dass eine Landlawine auf freier Strecke die Bergenbahn vorübergehend lahmgelegt hat. Eine Stunde Umweg muss der Zug fahren, dabei wollen wir nur eine Station weiter, nach Hallingskeid, dort beginnt der schönste Teil des Rallarvegens. Wir sind die Einzigen, die dort tatsächlich aussteigen. "You’ll walk - sure?", fragt der Schaffner amüsiert. Niemand läuft hier und erst recht nicht bei diesem Wetter.

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Füße hoch Unsere Autorin genießt den Blick über den Sognefjord.
© Severin Wohlleben

Und doch sind wir froh über unser Schritttempo. Wandern, heißt es, strukturiert das Denken neu. Radfahren, auch wenn es Spaß macht, eher die Muskulatur. Der Weg ist leicht zu laufen und selbst bei Regen ein Erlebnis. Nackte, hoch aufragende Felsen über einer weichen Seenlandschaft, die sich nach ein paar Kilometern in einer Schlucht zu einem wilden Fluss verengt. Dahinter, unterhalb der Baumgrenze, beruhigt sich die Natur, grünt durch, auf eine verwunschene Art. Dichte, in Farne und Flechten eingewachsene Wälder; Bäume, die sich an verwitterte Felsen krallen, ihre Wurzeln baumeln frei herab. Schilf treibt wie Frauenhaar auf kleinen Bächen, Fliegenpilze locken mit unschuldigem Rot am Wegesrand.

Das Geschenk, das uns der Dauerregen macht, ist ein dramatischer Anblick: Dampfender Nebel hüllt das Tal ein, in dem Vatnahalsen liegt, unser Etappenziel für diesen Tag. Wir laufen um den letzten See und freuen uns auf die trockenen Sachen in unserem Gepäck, das unser voriges Hotel hierher vorausgeschickt hat. Vorausschicken wollte. Nur ist es nicht angekommen. Irgendwer hat es auf den Bahnsteig gestellt und vergessen. Sieben Stunden lang. Nichts in meiner Reisetasche ist noch trocken, nicht mal trockene Socken finde ich. Gut, dass Wandern das Denken neu strukturiert. Ich hätte sonst in diversen S-Wörtern gedacht.

Für die Stärkung zwischendurch ist auch gesorgt

Zu den schönen Ritualen des Outdoorlebens in Norwegen gehören die dicken Stullen, die man sich im Hotel nach dem Frühstück macht. Niemand muss hier seine Verpflegung in der Hosentasche aus dem Frühstücksraum schmuggeln, es liegen sogar Brotpapier und Beutel für den Transport aus. Das frisch gebackene Brot ist noch warm, ich belege es dick mit Brunost, dem süßlichen Braunkäse, für den Molke so lange gekocht wird, bis der Milchzucker karamellisiert; es ist die Art Käse, die man nur mögen oder wirklich abscheulich finden kann.

So vorbereitet treten wir den Weg nach Flam an. Ein kurzes Stück ist es von Vatnahalsen nach Myrdal, dem Ausgangspunkt der Flambahn und klingendem Erinnerungsort meiner Abi-Reise. Wir arbeiten uns den in enge Schlingen gelegten Weg herunter, er führt über mehrere Hundert Höhenmeter steil bergab, durch eine tropfnasse Natur, die selbst im Spätsommer noch gesättigt ist vom Winterschnee. Das Wasser rinnt und steigt ihr aus allen Poren, den Steinen, dem Gras, den Wurzeln und Moosen. Über uns fährt die Flambahn wie Jim Knopfs Eisenbahn auf einer wie gezeichneten Linie am Bergrand entlang, es sieht aus, als würde sie gleich hinunterkippen.

Flam hatte ich als ruhigen, liebenswerten Ort in Erinnerung. Jetzt ist er voller Pubs, Food-Trucks, besitzt eine souvenierlädengeschwängerte "Mall of Norway". Im Hafen legen Kreuzfahrtschiffe an, eine Dreiviertelmillion Tagestouristen kommen jährlich. Wir flüchten auf unser Expressschiff nach Balestrand, einer Kleinstadt am Sognefjord, dem längsten und tiefsten Fjord Europas.

Norwegen
Von oben Giebel des historischen Hotels "Kviknes"
© Severin Wohlleben

Balestrand lohnt sich neben der wunderschönen Fjordlage vor allem für eine Übernachtung im "Kviknes Hotel", einem der gediegensten und ältesten Holzhotels des Landes, es erinnert in seinem alten Teil an einen Palast, aber auch an die Kulisse des Films "Shining"; alte Malerei hängt an den Wänden, in der Bar spielt ein greiser Pianist, der einst in der Carnegie Hall auftrat, Operettenmelodien. Neuzeitlicher ist die Küche: Chef Alfred verwendet regionale Produkte und fangfrischen Heilbutt aus dem Fjord.

Balestrand ist pittoreskes Norwegen pur

Balestrand ist pittoreskes Norwegen pur,mit kleiner Holzkirche, gemähtem Rasen, Apfelbäumen und Himbeerhecken. Noch einmal ziehen wir los, steigen zum Aussichtspunkt Orrabenken hinauf, 370 Höhenmeter durch Mischwald, quälen uns ein bisschen, weil die Beine noch schwer sind von den vergangenen Touren. Dann gibt Orrabenken einen atemberaubenden Blick über die Bucht frei, groß und weit, als wäre die Welt auf zwei Elemente begrenzt, Wasser und Berge, die sich gegenseitig formen und halten. Es ist Bilderbuch-Norwegen, es hilft nichts, wieder das Klischee, aber es macht auch nichts, sich einfach darüber zu freuen, dass es diese Idee von einer puren, allein dem Wesentlichen verschriebenen Welt wirklich gibt.

Fotograf Severin knotet seine Hängematte zwischen zwei Baumstämme, ich setze mich auf eine Bank, lege die Füße hoch und schaue über die Kuppen meiner Wanderstiefel über die Bucht. Unten tuckert eine Fähre durch den Fjord, von hier sieht es aus, als bewege sie sich in Zeitlupe.

Die Reisetipps für Norwegen

BESTE REISEZEIT

Das sind definitiv die Monate Mai bis September. Die Küstengebiete sind wärmer, dafür aber regenreicher als das Binnenland.

Unterwegs auf dem Rallarvegen

Ameropa bietet die siebentägige Reise "Bahn-Wandern Fjordnorwegen" entlang dem Rallarvegen an, sie führt von Oslo über Finse und Balestrand nach Bergen. Höhepunkte sind eine spektakuläre Gletscherwanderung, Fahrten mit der Bergenbahn, eine Fjordkreuzfahrt und Fahrten mit dem Expressschiff. 6 Nächte im Hotel, inkl. Frühstück ab ca. 1560 Euro, HP ca. 139 Euro extra, ohne Anreise, täglich Starts vom 1.7. bis 25.9., ameropa.de/norwegen

ÜBERNACHTEN

Finse 1222: Finse liegt am höchsten Punkt der Bergenbahn, die Aussicht ist spektakulär. Das historische, stilvolle Hotel mit toller Küche ist in der Sommersaison von Juli bis September geöffnet, denn bis in den Juni hinein kann dort oben Schnee liegen. DZ/F ab ca. 279 Euro, nse1222.no

Kviknes Hotel: Ein Haus wie ein schwanenweißes Schloss, eines der prachtvollsten Norwegens und seit Generationen in Familienbesitz. Empfehlenswert sind vor allem die Zimmer im alten Teil von 1913. Die Dimension des Restaurants ist zunächst gewöhnungsbedürftig, das Essen aber sehr gut. DZ/F ab ca. 203 Euro, kviknes.com

DIE LAUNEN DES HIMMELS

Eine super Wetter-App für Skandinavien ist Yr (www.yr.no). Man scrollt durch animierte Himmelsbilder, die Vorhersagen sind sehr zuverlässig und werden für Norwegen im 7,5-Minuten-Takt aktualisiert

ZUG UM ZUG

Eine Sammlung von Fotos der Bergenbahn und ihrer Strecke gibt es auf commons.wikimedia.org, Buchungen der Tickets sind über nsb.no möglich. Alles rund um die Flambahn, inklusive Wanderungen und Fahrradtouren auf der idyllischen Route, auf visitflam.com

FÜR DIE COUCH

Perfekt, um sich für die Reise in Stimmung zu bringen: das "Geo Special"-Heft "Norwegen", 9,50 Euro

Ein Artikel aus BRIGITTE Woman 04/2019

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