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Island Ein Roadtrip durch den "wilden Westen"

Island: Süden der Westfjorde
Landschaft im Süden der Westfjorde
© Imke Lass
Während der Süden Islands in den wärmeren Monaten ziemlich überlaufen ist, hat man den "wilden Westen" gefühlt immer wieder ganz für sich – wie Christine Dohler auf ihrem Roadtrip feststellte.

"Treten Sie ein und fürchten Sie sich nicht", ruft uns Árný Rós Gísladóttir laut lachend entgegen. Sie führt uns durch das Seemonster-Museum Skrímslasetrið in dem kleinen Fischerort Bíldudalur. Hier, an den lang gezogenen Küsten des Fjords Arnarfjörður, soll es besonders viele Sichtungen von mysteriösen Meereskreaturen gegeben haben – und immer noch geben. "Das bestätigen unzählige Zeugenaussagen von Fischern und anderen Einheimischen", sagt sie verschwörerisch lächelnd.

Island ist meine zweite Heimat

Das sind nur zwei Gründe, weshalb Island meine zweite Heimat ist: die lebhafte Fantasie und die Liebe zum Geschichtenerzählen, inspiriert von der wahrhaft einzigartigen Natur. Kein Land habe ich häufiger besucht. Weil die Mischung so stimmt, weil alles noch nie-gesehen-noch-nie-erlebt erscheint, und weil der schräge Humor der Leute meiner ist. Auch bei meiner zehnten Reise verfalle ich immer noch in Ohhhs und Ahhs, wenn ich vor einem monströsen Wasserfall wie dem 100 Meter hohen Dynjandi ("der Dröhnende") stehe und vor lauter Berauschtheit keine originelleren Worte finde. Zum Glück hört man mich nicht, denn die Wassermassen sind so laut wie ein Föhn am Ohr.

Island: Moosgedecktes Haus
Auenland? Nein, historische moosgedeckte Häuser in Hrafnseyri
© Imke Lass

Während sich die meisten Gäste vor allem im Süden auf dem "Golden Circle" bei den bekanntesten Geysiren und Wasserfällen drängeln, fahre ich in die abseits gelegenen Westfjorde. Die zerklüftete Halbinsel ist der geologisch älteste Teil Islands und noch nicht so überlaufen, was vor allem damit zu tun hat, dass die Region erstens von der berühmten Ringstraße, die fast um die ganze Insel führt, nur tangiert wird, zweitens als Reiseziel nur von Mai bis September zu empfehlen ist, was beides zu drittens führt: einer ziemlich überschaubaren touristischen Infrastruktur.

Atemberaubende Natur – nur für uns

Vermutlich wird sich Letzteres über kurz oder lang ändern, schon weil der Kult-Reiseführer "Lonely Planet" die Gegend zum besten Ziel 2022 erkoren hat. Wegen der rund 22 000 Quadratkilometer grandioser Natur mit Wander- und Radwegen. Mit Chance sieht man arktische Füchse, Wale und Seehunde oder kommt Papageitauchern ganz nahe. Wer hier herumkommen will, kann das gut über den Westfjords Way tun – eine rund 950 Kilometer lange Strecke längs der Ränder der Halbinsel.

Island: Mahnmal
Klemus Bjarnason wurde 1690 wegen Hexerei zum Tode verurteilt.
© Imke Lass

Wir mieten uns direkt ab dem Flughafen Keflavík ein Auto, um sie in fünf Tagen zu erkunden. Bis Holmavík am Westufer des Fjords Steingrímsfjörður soll es gehen – nicht ganz unsportlich. Wir fahren nordwärts, und schon wenige Kilometer nach der Hauptstadt Reykjavik wandert der Blick über moosbewachsene Lavafelder und dramatische Felsformationen, gleichmütig grasende Islandpferde und Schafe. Durchs offene Fenster strömt der typische Geruch schwefelhaltiger Quellen.

Hinter jeder Kurve breitet sich eine neue filmreif wilde Kulisse aus, und alle paar Kilometer gibt’s eine neue Aussicht, für die wir sofort wieder anhalten müssen. Wenn etwa ein Fjord, der eben noch türkis wie das karibische Meer dalag, im nächsten Moment an die schottischen Highlands erinnert. Und immer wieder haben Fotografin Imke und ich das Gefühl, alles gehörte uns allein.

Island: Klippen von Látrabjarg
Die Klippen von Látrabjarg sind bis zu 450 Meter hoch.
© Imke Lass

Magie, Spektakel und ganz viel Staunen

Jeden Tag kommen wir spät am Abend in einem neuen gemütlichen Hotel an. Schon unsere erste Unterkunft, das Gasthaus "Nýp", setzt den Ton: kein Gedöns, sondern Self-Check-in und gerade mal sechs puristische Zimmer, die aber alle eine Spur Originalität haben, etwa mit ausgewählten Büchern und Kunstwerken. Es wirkt, als wolle es nur einen ganz kleinen Fußabdruck hinterlassen und der Hauptdarstellerin – der Landschaft – ganz bescheiden den Vortritt gewähren.

Island: Kirche
Die Kirche in Hrafnseyri.
© Imke Lass

Im weiteren Verlauf unserer Reise werden wir noch in einem alten Buchladen übernachten und auf einem Islandpferdehof mit einen Pool im Gewächshaus und einem frei laufenden Papagei. Vor dem Schlafengehen verabreden wir uns oft noch mit den anderen Gästen: Wenn jemand ein Nordlicht am Nachthimmel sieht, darf er alle anderen wecken. Doch meist ist es ja so: Wer Seltenheiten wie Naturphänomenen und wilden Tieren auf einer Safari hinterherjagt, kann nur enttäuscht werden. Viel besser ist es, wenn die Magie wirken darf, und man unerwartet in Momente des Staunens verfällt.

Island: Islandpferde
Islandpferde haben hier viel Auslauf.
© Imke Lass

So wie wir jeden Morgen, wenn der Wetterbericht – Anfang September absolut ungewöhnlich – wieder nur Sonne vorhersagt. Und dann, als wir während einer Fahrpause beim Blick in den Fjord plötzlich eine gewaltige Flosse auf- und abtauchen sehen. Wir rühren uns nicht, sind völlig gebannt. Nur ab und zu entfährt uns ein "Boahhh", wenn die Schwanzflosse des Wals aus dem Wasser steigt. Wieder eines dieser Naturspektakel, die uns zeigen, dass in den Westfjorden der Weg das Ziel ist und die Erlebnisse ganz beiläufig daherkommen.

Ein Fünf-Sterne-Spa für zwischendurch

Noch eines muss man wissen, wenn man hier reist: Es gibt nicht viele Lokale zum Einkehren, kaum Supermärkte jenseits größerer Ortschaften, wie dem hübschen Fischerdorf Ísafjörður mit seinen Holzhäusern in Türkis, Rot oder Gelb. Dafür aber legen wir oft einen Zwischenstopp ein, ziehen uns am Kofferraum fix um oder schlappen mit dem Bademantel direkt vom Hotel zu einer der vielen Outdoor-Badewannen, um unter einem Felsen oder direkt am Straßenrand in Laugarnes bis zum Kinn in einem natürlichen Hot Pot zu versinken. Schneller und schöner habe ich noch in keinem Fünf-Sterne-Spa entspannt: konstant warmes Wasser, Blick in unbebaute Natur und in der Nase Meeresluft, die nach Salz und Algen riecht.

Island: Naturpool
Im warmen Naturpool genießt unsere Autorin den Blick auf den Fjord Breiðafjörður.
© Imke Lass

Dass uns dabei auch noch die Sonne ins Gesicht scheint, finden wir wirklich luxuriös. Immerhin ist Island berühmt für sein unberechenbares Wetter, das im Westen noch wilder aufspielt und die Halbinsel im Winter oft unpassierbar macht. Die Einheimischen, mit denen wir sehr einfach ins Gespräch kommen, erzählen uns jedenfalls laufend: "Du kannst hier alle Jahreszeiten an einem Tag erleben." Wenig verwunderlich also, dass sie sich nicht drum scheren, auch bei Minusgraden schwimmen gehen und sich bei jeder Wetterlage viel Mysteriöses erzählen.

"Wir sind den Extremen der Natur so nah, dass man auch die Gefahren benennen muss, und die wurden gern in furchteinflößende Geschichten verpackt", hat uns Árný Rós Gísladóttir bei unserem Seemonster-Museum-Besuch noch erzählt. Und tatsächlich habe ich unterwegs oft gedacht: Hier könnte ein geheimnisvolles Tier leben. Am letzten Tag war ich für eine Sekunde, als ich gegen die untergehende Sonne blinzelte, sogar überzeugt: Da ist Förulalli, das See-Ungeheuer! Liegt einfach auf einem Felsplateau in den leichten Fjordwellen! Doch als ich dann näher heranzoomte, war es doch nur eine Robbe.

Unsere Reisetipps für Islands Westfjorde

Hinkommen & Rumkommen

Die isländische Airline Play fliegt in rund vier Stunden ab Berlin Brandenburg direkt nach Reykjavík (flyplay.com). Von dort nimmt man sich am besten einen Mietwagen mit Allradantrieb – die Fahrt zur Halbinsel im Nordwesten dauert etwa drei Stunden. Mehr Infos zur Route unter visiticeland.com/de/article/the-westfjords-way

Übernachten

Nýp. Ruhiges, familiäres Gasthaus mit Blick auf den Fjord und künstlerisch gestalteten modernen Zimmern. Das Frühstücksbuffet (ca. 17 Euro) muss vorbestellt werden. DZ ab ca. 120 Euro (Nýp 371, Skardsströnd, Tel. 891 86 74, nyp.is).

Flókalundur. Das Hotel sieht auf den ersten Blick wie eine Raststätte aus – hat aber erstaunlich luxuriöse Zimmer. Ein großes Restaurant gibt’s auch, und man kann im Bademantel zur natürlichen heißen Quelle Hellulaug laufen. DZ/F ab ca. 230 Euro (Vatnsfirði, Patreksfjörður, Tel. 456 20 11, flokalundur.is).

Pálshús. Neue Pension in einem hübschen Holzhaus mit Garten, Gemeinschaftsbad und gut ausgestatteter Küche. Nur Selbstversorgung! DZ ab ca. 175 Euro (Aðalstræti 3, Patreksfjörður, über booking.com).

Island: Gasthaus
"The Old Bookstore" in Flateyri ist das charmanteste Gasthaus auf der Halbinsel – und gehört zum ältesten Buchladen des Landes (DZ/F ab 190 Euro, flateyribookstore.com).
© Imke Lass

Heydalur. Ein Pferdehof mit rustikalen Zimmern und Apartments. Sehr geeignet für alle, die auch Reit- oder Seekajaktouren machen wollen. Zum Aufwärmen geht’s dann in die Thermalquellen. DZ/F ab ca. 150 Euro (Heydalur 401, Ísafjörður, Tel. 456 48 24, heydalur.is).

Fosshotel Reykjavík. Super Lage mit Blick auf den Hafen – ideal für die letzte Nacht vor dem Abflug oder direkt nach der Ankunft! DZ/F ab ca. 195 Euro (Þórunnartún 1, Reykjavík, Tel. 531 90 00, fosshotel.is).

Genießen

Stúkuhúsið. Gemütliches Restaurant mit Blick auf den Fjord und ausgezeichneten Fischgerichten. Beste Wahl: der Fang des Tages (ca. 26 Euro) oder – wie in vielen Restaurants üblich – die Tagessuppe mit Brot für ca. 10 Euro (Aðalstræti 50, Patreksfirði, Tel. 456 14 04, stukuhusid.is).

Island: gebratener Lachs
Gebackener Lachs im Restaurant "Stúkuhúsið" in Patreksfjörður.
© Imke Lass

Litlibær. Das Café in einem typischen Grassodenhaus liegt auf einer Anhöhe an der Straße 61 zwischen Súðavík und Hólmavík. Beliebt: Waffeln mit Sahne plus eine Riesenkanne Filterkaffee für ca. 13 Euro (litlibaer.is).

Erleben

Island: Dagrún Ósk Jónasdóttir und ihr Vater Jón Jónsson
Dagrún Ósk Jónasdóttir und ihr Vater Jón Jónsson führen das Sheep Farming Museum in Hólmavík.
© Imke Lass

Skrímslasetrið. Das Seemonster-Museum ist interaktiv gestaltet und eine lustige Abwechslung (nicht nur) für Regentage. Ein Café gehört auch dazu. Von 15. Mai bis 15. September, Eintritt ca. 6 Euro (Strandgötu 7, Bíldudalur, Tel. 456 66 66, skrimsli.is).

Island: Fjord
Der Suðurfirðir lässt tief blicken.
© Imke Lass

Einkaufen

Sætt & Salt. Tolle Auswahl an edlen handgemachten Schokoladen und Pralinen (Langeyrarvegur 3 b, Súðavík, Tel. 893 04 72).

Gallerí Koltra. Strickwaren und Co. – originell, handgemacht und aus der Region (Hafnarstræti 5, Þingeyr, Tel. 456 83 04).

Telefon

Die Vorwahl lautet: 003 54

Zuweilen unterstützen uns Agenturen, Hotels oder Veranstalter bei den Recherchen. Unsere Reportagen und Informationen sind dadurch in keiner Weise beeinflusst.

Brigitte

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