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Emilia-Romagna Italien mit einer Prise Magie

Im B&B "Il Borgo del Balsamico" schläft man nicht nur zauberhaft, die Schwestern Cristina und Silvia produzieren auch edlen Balsamico
Im B&B "Il Borgo del Balsamico" schläft man nicht nur zauberhaft, die Schwestern Cristina und Silvia produzieren auch edlen Balsamico
© Florian Jaenicke
Weil ihr Sohn Fred (18) leidenschaftlich gern kocht, fuhr Susanne Arndt mit ihm in die norditalienische Emilia-Romagna – um gemeinsam zuzubereiten, was beim Essen glücklich macht.

Da gibt es diesen Mann in Bologna, dem geht die Liebe zum Essen unter die Haut. Auf den Hals hat er eine Zwiebel tätowiert, auf den Arm einen Löffel, ein Stück Pizza auf die Hand. Kilian kommt aus Freiburg und interpretiert Bologneser Hausmannskost als Streetfood – die Hauptstadt der Emilia-Romagna, auch "die Fette" genannt, zieht Menschen mit kulinarischen Leidenschaften an. "Ich habe mir die italienische Küche selbst beigebracht", sagt Kilian zu meinem 18-jährigen Sohn Fred und gibt ihm mit auf den Weg: "Immer viel üben, sonst wird das nix!"

Wo die Leibspeisen der Kindheit virtuos gekocht werden

Fred hat auch eine Leidenschaft fürs Kochen, ganz anders als ich – ich halte die Erfindung der Tiefkühlpizza für nobelpreiswürdig. Als er neulich wieder am Herd experimentierte, sprach er in den Topf: "Ich will mal der Koch in meiner Familie sein." Sein Wunsch brachte mich auf die Idee für unsere letzte gemeinsame Reise: Warum nicht in die von Gourmets gefeierte Emilia-Romagna fahren, wo die Leibspeisen deutscher Kindheit so virtuos gekocht werden wie nirgendwo sonst?

Wir starten in Bologna, der Geburtsstadt von Tortellini, Mortadella und "Bolo". Hier lagern in einem Tresor die Originalrezepte für Tagliatelle und Ragù, wie die "Bolognese" richtig heißt, und es gibt sogar eine Eis-Uni. Gleich am ersten Morgen sind wir mit Cristina an der sonnenüberfluteten Piazza Maggiore verabredet. Sie ist eine „Cesarine", so werden die Frauen genannt, die man für Kochkurse in ihrem Zuhause buchen kann. Auf dem Platz lässt Fred sich von einem fliegenden Händler ein Armband in die Hand drücken, und während ich ihm noch hektisch "Nicht annehmen!" ins Ohr zische, zieht der Mann schon mit den Worten "You’re a good boy" von dannen, und Fred begutachtet erfreut sein Geschenk. Über den Kopf gewachsen ist er mir ja schon lange, aber erst heute stelle ich fest: Mein Sohn kriegt die kleinen Herausforderungen des Reisens deutlich entspannter geregelt als ich.

Treppen vor der Basilika in Bologna
Sitzgelegenheit Die Treppen vor der Basilika an der Piazza Maggiore in Bologna.
© Florian Jaenicke / Brigitte

Dann bummeln wir mit Cristina durch das mittelalterliche "Fressviertel" Quadrilatero hinter dem Palazzo dei Banchi, der wegen seiner 444 Fenster im Volksmund unter "Schweizer Käse" firmiert. Echt jetzt? "Ja", lacht sie, "wir denken immer ans Essen!" Wir kaufen Petersilie und Spinat für die Pastafüllung, grünen Spargel für die Soße, den Frischkäse Squacquerone und karamellisierte Feigen. Als wir die Einkäufe auf den Tresen ihrer Altstadtküche hieven, erzählt Cristina, dass sie hier das Kochen von ihrer Oma gelernt hat. All die Nudelhölzer, die an der Wand hängen, seien noch von ihr.

Schnell bekommen wir eine Ahnung davon, wie puristisch und gleichzeitig kapriziös die italienische Küche ist: Für erstklassige Pasta braucht man ein Ei auf 100 Gramm Mehl. Basta! Aber eben auch ganz viel Liebe und Gefühl. Bloß nicht zu fest kneten! "Es ist wie ein Tanz", sagt Cristina und knetet uns was vor, "und immer mit gespreizten Beinen stehen, sonst kriegt ihr Rückenschmerzen!" Das Ausrollen des Teigs sei dann "wie schwimmen: die Hände auf dem Nudelholz immer schön nach außen führen."

Pasta selber machen
Handwerk Fred presst Passatelli-Pasta in die Brühe.
© Florian Jaenicke / Brigitte

Fred hat den Dreh schnell raus. "Bravo, bravissimo!", lobt Cristina und betont, dass immer auch eine Prise Magie dabei sei: Die Luftfeuchtigkeit, die Temperatur der Hände, die eigene Stimmung, ob man seine Tage habe, spielten eine Rolle. Zumindest von letzterer Komplikation sind Fred und ich verschont, und unser Essen wird fantastisch: Die Pasta kein Vergleich zu den gummiartigen Nudeln zu Hause, schön locker, aber mit Biss, die Soßen so aromatisch wie der tiefrote Sangiovese aus den Hügeln, der rund um Bologna gedeiht. "Ich glaube, das ist das Beste, was wir jemals essen werden", sagt Fred.

Beim Eismachen brennt die Luft

Köstlich ist aber auch das Eis, das wir an der "Gelato University" herstellen. Bei der "Master Class" lernen wir von einer jungen Frau namens Franseca, dass es schon vor 14 000 Jahren Eis gab und im 19. Jahrhundert die Geschmacksrichtung Spargel. Fred hängt an ihren Lippen, und als er mit dem Schneebesen ein makelloses Aprikosensorbet rührt, fragt sie: "Fred, do you cook at home? You do everything so nice and clean!" Oooh, brennt da die Luft zwischen den beiden? Sicher ist: Fred ist nicht mehr der Vierjährige, der mir in Rom sein Zitroneneis mit den Worten "zu sauer" zurückgab.

Gefeiert Bei "Ciacco" in Parma gibt es preisgekröntes Eis – Mutige probieren das Schweineschultersorbet
Gefeiert Bei "Ciacco" in Parma gibt es preisgekröntes Eis – Mutige probieren das Schweineschultersorbet
© Florian Jaenicke

Gang nach Canossa: Unser Vergehen lautet Völlerei

Gut gesättigt machen wir von Bologna aus einen Abstecher in die hübsche Renaissance-Stadt Parma, probieren Parmaschinken und Parmesankäse und steigen anschließend ächzend in unser Turmzimmer im "Tabiano Castello" mit Weitblick in die Hügel des Apennin. Dass wir heute an diesem schönen Ort nächtigen können, haben wir wiederum Eis zu verdanken. Burgherr Giacomo erzählt, dass sein Ururururgroßvater Carlo Gatti in London als "King of Ice Cream" reich geworden sei und seiner Tochter Rosa diese Burg gekauft habe. Ein Restaurant gehört auch dazu, in der ehemaligen Parmesankäserei, wo man uns mit Köstlichkeiten aus eigenem Bio-Anbau mästet, und irgendwann sind wir nur noch: pickepacke satt.

Parmesan
Tradition Die Qualität von Parmesan wird mit Feuer besiegelt.
© Florian Jaenicke / Brigitte

Wir hätten also Grund genug, wie Heinrich IV. 1077 mit einem Gang nach Canossa Buße zu tun, und die Ruine südlich von Parma barfuß zu erklimmen. Zwar lautet unser Vergehen nicht Ungehorsam gegenüber dem Papst, sondern lediglich Völlerei, aber das erklärt dann vermutlich auch, warum wir mit dem Mietwagen hochfahren. Der Blick ist toll, und im Museum erfahren wir, dass Markgräfin Mathilde, die von hier oben ihr Riesenreich regierte, dafür sorgte, dass sich der Ruhm des edlen Aceto Balsamico an den Höfen Europas verbreitete und von dort in alle Welt: Sie soll Heinrich ein Silberfässchen davon geschenkt haben. Wie das "schwarze Gold" zwölf Jahre lang auf Dachböden reift, zeigt uns Gastgeberin Cristina am Abend noch in ihrem unfassbar geschmackvollen B&B "Il Borgo del Balsamico", bevor wir in ihren exquisiten Betten ins Fresskoma fallen.

Wir kochen nach Rezepten des legendären Pellegrino Artusi

Kein Italienurlaub ohne Meer, und deshalb machen wir uns am Morgen auf über die "Butter-Olivenöl-Grenze" in Richtung Rimini – während die westliche Region Emilia auf tierische Produkte setzt, wurde die östliche Romagna einst von Byzantinern beherrscht, die Mediterranes bevorzugten. Klar, dass wir in Forlimpopoli einen Kochstopp einlegen: Hier wurde Pellegrino Artusi geboren, der 1891 Hunderte Rezepte aus dem ganzen Land in einem Kochbuch vereinigte. Bis heute wird der Klassiker als Mitgift in jede Ehe mitgegeben, lernen wir in der "Casa Artusi", die ihm gewidmet ist.

Mit Teresa kochen wir Rezepte daraus, hantieren mit Ricotta, Parmesan, Zitrone und Salz aus der nahen Saline von Cervia. Auch bei der 72-Jährigen spielt der Pastateig die Hauptrolle: "Man muss ihn liebkosen!", predigt sie und formt mit uns kleine Kunstwerke daraus: bauchnabelförmige Tortellini, hütchenförmige Cappelletti, Pasta mit und ohne Rillen, je nachdem, wie viel Soße später daran haften soll. Es schmeckt wieder unglaublich gut, aber können wir jetzt wirklich schon italienisch kochen? "Ich habe auf jeden Fall viel Inspiration bekommen", sagt Fred bescheiden.

Bei bestem Wetter fahren wir morgens in Rimini ein, dem Epizentrum des italienischen Badetourismus und gewissermaßen unsere Wiege: Ganz in der Nähe haben sich Freds Großeltern kennengelernt. Allein die Namen der Hotels verzücken: "Imperiale", "Ambassador", drunter geht’s nicht, das Riesenrad am Endlosstrand heißt "Diamond Wheel". Wir braten unsere Bäuche in der Sonne, und noch bevor sie knurren könnten, laufen wir bei Lella zum Lunch ein und essen Piadina, warme, gefüllte Fladenbrote, mit Klatschmohnblättern, Tomate und Käse.

Nebelmaschine Rimini huldigt Federico Fellini – mit einem tollen Museum und Stimmungen, die an Filmsets erinnern
Nebelmaschine Rimini huldigt Federico Fellini – mit einem tollen Museum und Stimmungen, die an Filmsets erinnern
© Florian Jaenicke

Die 73-Jährige ist die Piadina-Königin der Stadt, sie trägt Weiß, orangefarbene Sneaker und im Gesicht unterm Blumenhut mächtig viel Lebensfreude. Meinen Sohn schaut sie so liebevoll an, als wäre er ihr Enkel, tippt mit dem Zeigefinger auf seinen blassen Arm und grinst: "Wenn die Sonne dich sieht, reibt sie sich die Hände."

Stimmt: Auch wenn Fred kulinarisch jetzt locker als Halbitaliener durchgeht, optisch bleibt er Hamburger. Aber er ist bestens vorbereitet für seine Karriere als Familienkoch: Er kann allerlei Pasta und ein exzellentes Sorbet. Ich hoffe, dass ich dann mal mitessen darf.

Unsere Reisetipps für die Emilia-Romagna

HINKOMMEN & RUMKOMMEN 

Mit der Bahn ("Super Sparpreis Europa" ab 19,90 Euro) oder mit dem Flugzeug nach Bologna, dann weiter mit dem Mietwagen.

ÜBERNACHTEN

Cristina Rossi B&B. Das ehemalige Elternhaus der "Cesarine" Cristina in der Altstadt von Bologna ist ein stiller Ort der Gastfreundschaft. DZ/F ab 179 Euro (Via Porta di Castello 6, Tel. 034 27/44 03 49, cristinarossi.it).

Tabiano Castello. Burganlage in den Hügeln von Parma mit weitem Blick, schönem Pool und zwei Restaurants. Turmzimmer mit Balkon inkl. F. ab 180 Euro (Salsomaggiore Terme, Via Tabiano Castello 4, Tel. 05 24/88 11 68, tabianocastello.com).

Zauberhafte Zimmer, Garten, Pool: Das historische Anwesen "Il Borgo del Balsamico" bei Reggio Emilia ist nicht nur ein Hideaway, die Schwestern Cristina und Silvia stellen den edlen Essig auch selbst her. DZ/F ab 130 Euro (ilborgodelbalsamico.it).
Zauberhafte Zimmer, Garten, Pool: Das historische Anwesen "Il Borgo del Balsamico" bei Reggio Emilia ist nicht nur ein Hideaway, die Schwestern Cristina und Silvia stellen den edlen Essig auch selbst her. DZ/F ab 130 Euro (ilborgodelbalsamico.it).
© Florian Jaenicke

Borgo Condé. Wohnen auf einem Weingut mit Pool und Spa. Das Essen im Restaurant "Il Borgo Divino" ist hervorragend! DZ/F ab 114 Euro (Strada Provinciale 125 Forli, Via delle Caminate 50, Tel. 05 43/94 01 29, borgoconde.it).

Agriturismo Palazzo Astolfi. Rustikale Zimmer in Hügellage mit Weitblick bis Rimini. Großer Pool, ganz viel Ruhe, und das Frühstücksbuffet biegt sich unter den hausgemachten Köstlichkeiten. DZ/F ab 135 Euro (Poggio Torriana, Piazza S. Rocco 11, Tel. 05 41/62 97 49, palazzoastolfi.it).

GENIESSEN

Berberè Pizzeria. "Beste Pizza ever" (O-Ton Fred). Favorit: kreative Sauerteigkreationen wie "Speck e Gorgonzola" für 12 Euro (Bologna, Via Petroni 9/C, Tel. 05 12/75 91 96, berberepizza.it).

Osteria del Sole. In den Gassen Käse und Mortadella einkaufen und damit wie einst Star-Regisseur Federico Fellini in der ältesten Osteria der Stadt zum Wein einkehren (Bologna, Vicolo dei Ranocchi 1/D, Tel. 03 47/968 01 71, osteriadelsole.it).

Lella al Mare. Mit ihren Piadina-Kreationen in drei Bars ist Lella, 73, in Rimini eine Institution. Herrlich: "Cassone Erbette", gefüllt mit Klatschmohnblättern, Tomate und Käse für 4,50 Euro (Piazzale Kennedy, Tel. 05 41/67 35 76, dallalella.it).

Lebensfreude Piadina-Königin Lella ist zufrieden mit Freds Appetit 
Lebensfreude Piadina-Königin Lella ist zufrieden mit Freds Appetit
© Florian Jaenicke

Ciacco. Preisgekröntes Eis im historischen Bistro oder draußen. Sehr Mutige kosten das Schweineschultersorbet. Portion 2,80 Euro (Parma, Piazza della Steccata 1a, ciaccolab.it).

ERLEBEN

"Cesarine"-Kochkurs. Bei einer Hobbyköchin zu Hause Pasta machen und gemeinsam genießen: eine tolle Erfahrung. Ab 65 Euro/Person (cesarine.it).

Test Cesarine Cristina hält unseren Pastateig für gelungen
Test Cesarine Cristina hält unseren Pastateig für gelungen
© Florian Jaenicke

Carpigiani Gelato University. Erstaunliches über Eis erfahren und in einer "Gelato Masterclass" selbst herstellen. 1,5 Stunden 50 Euro/Person (Anzola Emilia, Via Emilia, Tel. 051/650 53 06, gelatomuseum.com).

Casa Artusi. Hier kann man unter professioneller Anleitung Rezepte des legendären Kochbuchautors Pellegrino Artusi nachkochen. Pastakurs 150 Euro/Person (Forlimpopoli, Via Andrea Costa 27, Tel. 05 43/74 31 38, casartusi.it).

Castello di Canossa. Von der Ruine der Burg, die durch König Heinrichs "Gang nach Canossa" berühmt wurde, hat man einen tollen Blick. Aufstieg ca. 4 Stunden oder das Auto nehmen. Eintritt ins Museum 4 Euro, ein Café gibt’s auch (Canossa, SP73 Località Castello di Canossa, Tel. 05 22/87 71 04, castellodicanossa.com).

Käse gucken. Wie seit fast 1000 Jahren Parmesan gemacht wird, verfolgt man in einigen Käsereien live (Infos: parmigianoreggiano.com).

EINKAUFEN

Drogheria Gilberto. Feine Schokolade (auch in Tortellini-Form!) aus der berühmten Manufaktur Majani, Wein, Aceto Balsamico … (Bologna, Via Drapperie 5, Tel. 051/22 39 25, drogheriagilberto.it).

Dorothy Shop. Mode in fließenden Stoffen und leuchtenden Farben (Parma, Via N. Sauro 1/B und 13/A, Tel. 05 21/52 25 15, dorothyshop.it).

TELEFON & INFOS 

Die Vorwahl für Italien lautet 00 39, bei der Ortsvorwahl dann die 0 weglassen.

Für den Überblick: emiliaromagnaturismo.it

HEISSE KOCHTIPPS AUS ITALIEN

  • "Bolognese" 6 Stunden köcheln, beim Umrühren muss es schmatzen
  • Wenn bei Nudeln 8 Minuten draufsteht, 7 kochen
  • Pasta in der Soße fertig garen
  • Statt würfeln: halbe, ungeschälte Zwiebel zur Soße geben - fürs Aroma
  • Tiramisu ins Eisfach stellen und gefroren genießen 
Brigitte

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