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Havelland: Abenteuer im Hausboot

Havelland: Abenteuer im Hausboot
© Andreas Lustig / Shutterstock
Zauberhaftes Havelland: Wer wie Cornelia Gerlach mitsamt seinem Ferienhaus im Havelland unterwegs ist, erlebt die ganz große Freiheit.

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Es ist ganz einfach: Ich gehe auf die Veranda, setze mich in den Gartenstuhl, nehme das Steuerrad in die Hand und gebe Gas - und schon schiebt ein Außenbordmotor das Fundament unseres Hauses und alles, was darauf steht, übers Wasser. Eben noch sahen wir die Backsteintürme vom Dom zu Brandenburg, dann die grünen Hinterhöfe der schmalen Bürgerhäuser. Ein Fischereibetrieb mit Netzen, die in der Sonne trocknen, gleitet am Fenster vorbei, Gartenlauben und ein Segelverein, wo Menschen sitzen und grillen. "Da brütet jemand", sagt Finie leise. Tatsächlich: Im Dickicht sitzt eine Graugans, den Kopf hochgereckt, und wacht über ihr Gelege.

Finie, 4, und Lilli, 7, sind mit mir, drei weiteren Frauen und einem Hund im Havelland unterwegs - und mit einem Haus. Wo wir vorbeikommen, gucken die Leute, denn dies ist kein herkömmliches Hausboot, sondern ein kleines Blockhaus, das schwimmen kann.

"Mein kleiner Amazonas" nennt unser Vermieter die Havel. Der Fluss mit seinen Windungen, Altarmen, Ablegern und Seen, mit den vielen kleinen Buchten, Stränden und stillen Ecken ist wie geschaffen für Expeditionen wie unsere. Nach Westen, zur Elbe hin, wird die Havel immer stiller, ein Naturschutzgebiet. Nach Osten hin wird sie kulturell interessant, verbindet die Schlösser von Paretz und Potsdam mit Berlin. Wir haben uns für die dritte Variante entschieden: In der Stadt Brandenburg haben wir den Flusslauf verlassen und steuern nun nordwärts über den Beetzsee.

Der verengt und verbreitert sich an vielen Stellen, oft weiß man bis kurz vor der nächsten Kurve nicht, ob die Gewässerkarte lügt oder die Seenkette tatsächlich weitergeht. Dann tut sich im Schilf eine Durchfahrt auf, von Fischreusen gesäumt, von Bäumen überschattet.

Wo es uns gefällt, halten wir an. Und lenken ganz langsam die Veranda auf den Strand zu. Die Kinder liegen auf dem Bauch und gucken ins Wasser, wenn sie Grund sehen, sollen sie rufen. "Gruuuund!" Die Anker - Eisenstangen, die durch eine Röhre rutschen - nageln das Hausboot an den Boden des Sees. Wie angenehm es ist, wenn das Ferienhaus ortsunabhängig ist, zeigt sich, als wir abends an einem kleinen Strand Halt machen wollen, und auf einmal Musik angeht. Ein paar Jugendliche lagern in der Nähe. Wir legen einfach den Rückwärtsgang ein, tuckern zurück auf den See und suchen ein anderes Plätzchen, wo uns nur die Nachtigall in den Schlaf singt.

Am Morgen weckt mich ein Schnarren. Ich öffne die Augen. Sehe zum Fenster raus. Blicke ins Schilf. Da wippt ein Teichrohrsänger, auch Rohrspatz genannt, an den Stängel geklammert. "Tscharr, tscharr, tschirrak", schmettert er, so aufgeregt, als könne er den Tag kaum erwarten. Von meinem Bett aus kann ich sehen, wie die Federn an seiner Kehle beben. Eine zweite Stimme fällt in den Gesang ein. Finie ist wach. Mit ihrem Singsang weckt sie Lilli. Und bald sind wir alle munter.

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Pyjama aus. Gummistiefel an, schon sind die Kinder ins Beiboot geklettert, mit einem leeren Joghurtbecher, einem Kescher und einem Fernglas bewaffnet, um das fremde Ufer da drüben einmal genauer zu erkunden. Es quakt vielstimmig aus den Sümpfen. Samt Hund stapfen wir los, durch die grüne Uferzone und weiter über einen Spargelacker landeinwärts, immer dem Quakkonzert entgegen, zum nächsten See, einem Wasserloch inmitten von geheimnisvoll-grünem Dickicht.

So muss das Havelland früher einmal ausgesehen haben: Es war ein einziger großer Morast. Bis im Jahr 1718 Friedrich Wilhelm I. die Region dann trockenlegen ließ und aus dem Sumpf sehr gutes Land wurde, um Butter und Käse und Obst für Berlin zu produzieren. Das Wasser ist heute zwar gezähmt, dennoch ist immer noch reichlich davon geblieben. Ein beträchtlicher Teil des Westhavellands steht unter Naturschutz, dort leben unter anderem Seeadler, Schnepfen und Biber.

"Oäk, oäk" und "Reck-keck-keck-keck-keck", so grässlich können wahrscheinlich nur Seefrösche lachen. Je näher wir kommen, desto gewaltiger wird das Konzert. Zu sehen ist nichts. Die Kinder klettern auf eine uralte Weide, aber nicht mal durchs Fernglas lassen sich die Frösche blicken. Wie geht das an? Geisterfrösche? Finie gruselt sich bei dem Gedanken. Unheimlich, so viele fremde Geräusche zu hören und doch nichts zu sehen. Wir stapfen zurück zu unserem Hausboot - wie Abenteurer, die unverrichteter Dinge von einer Urwald-Expedition zurückkehren.

Meine Freundinnen sind derweil joggen gewesen, am Ufer entlang bis zum nächsten Gutshof: zum Backsteinschlösschen von Mötzow mit seinen vielen Türmchen. Stolz präsentieren sie uns jetzt, was sie erbeutet haben: zwei Tüten voll mit Frischem. Das Domstiftsgut Mötzow nennt sich Vielfruchthof. Im Frühsommer gibt es dort Spargel, im Hochsommer Heidel- und andere Beeren.

Wir lichten den Anker und tuckern zurück, legen mitten in der Stadt Brandenburg an. Durchs Fenster sehen wir jetzt die Liegestühle einer Strandbar und die schlank aufragenden gotischen Bögen der Ruine der Klosterkirche. Unser Expeditionsschiff hat sich in eine Stadtvilla verwandelt - in Fußgeh-Entfernung zur Altstadt und schicken Restaurants.

Havelland: Die Route plus Reisetipps

Die Route

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1. TAG: Frühmorgens los und von Plaue nach Süden unter der historischen Brücke hindurch am Schloss Plaue vorbei über den Plauer See und die Untere Havel-Wasserstraße auf den Breitlingsee zur "Malge" (Gartenlokal). Landgang auf der Kanincheninsel, die auf der Nordseite der Südspitze einen geschützten Ankerplatz hat. Weiter über die verträumte Brandenburger Niederhavel durch die Stadt Brandenburg/Havel auf den Beetzsee. Links liegt die Regattastrecke, auf der Ruderer und Kanuten ihre Wettkämpfe austragen. Die kleine Insel nördlich davon nennen Einheimische liebevoll Acapulco: schöne Plätze mit flachem Sandstrand! Für die Nacht gegenüber von Radewege am Strand ankern oder den Anleger von Radewege nutzen.

2. TAG: Hinter Radewege wird der See schmal und kurvig. Bade- und Angelstopp am Strand von Ketzür. Zurück nach Brandenburg/Havel.

3. TAG: Früh weiter nach Plaue, Rückgabe des Bootes am Vormittag. Gesamtstrecke der Drei-Tages-Tour: 56 km.

Karten: Z. B. Rad-, Wander- & Gewässerkarten. Havelseen 1 und 2, 1:35 000, Verlag Grünes Herz, je 4,10 Euro.

Tipps

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Rumkommen Ein langes Wochenende mit dem Bungalow- Boot in der Hauptsaison 250 Euro, eine Woche 695 Euro (jeweils zuzüglich Brennstoff und Endreinigung). Wochenendtörns sind maximal zwei Wochen vor Reisebeginn buchbar. An Bord gibt es ein Doppelbett, ein breites und bequemes Schlafsofa sowie bei Bedarf zusätzlich noch zwei Matratzen. Wer keinen Sport boot füh rerschein "Binnen" hat, kann sich vor Ort eine dreistündige, theoretische und praktische Einweisung geben lassen und anschließend für 30 Euro einen Charterschein erwerben (Aquare Charter, Große Mühlenstr. 10, 14774 Brandenburg- Plaue, Tel. 033 81/28 46 61, Fax 89 06 62, www.bunbo.de).

Genießen Inspektorenhaus in Brandenburg. In einem restaurierten Fachwerkhaus neben dem Rathaus bereitet Koch Michael Zemlin leckere regionale Gerichte zu. Drei-Gänge-Menü ab 29 Euro (Altstädtischer Markt 9, Bran denburg, Tel. 033 81/327474, www.inspektorenhaus.de).

Bräuhaus Kneipe Pur. Eher kurios, ist aber defi nitiv einen Abend wert: mit selbst gebrautem Bier und vor allem spannenden Jazz-Konzerten (Lewaldstr. 23A, 14774 Brandenburg- Plaue, Tel. 03381/40 34 66, www.kneipepur.de).

Buhnenhaus. Klassisch- schönes, frisch renoviertes Ausflugslokal. Deftige Hausmannskost und frischer Fisch aus der Region, z. B. Forelle aus der Buckaue auf Müllerin Art für 8,90 Euro. Mit dem Hausboot kann man direkt am Garten landen (Buhnenhaus 1, Brandenburg, Tel. 033 81/619 00 90, www.buhnenhaus.de).

Gasthaus Malge. Volkstümliches Restaurant mit Biergarten am Breitlingsee. Mit Anleger, Badestrand und dem Havelfahrradweg direkt vor der Haustür. Zanderfilet auf Blattspinat für 12,90 Euro (Malge 1, Brandenburg, Tel. 033 81/628 50, www.malge-brandenburg.de).

Anlegen Brandenburg/Havel am Salzufer. Direkt neben dem Liegeplatz ist das Slawendorf, ein Freilichtmuseum zur Vorgeschichte der Region. Von hier kommt man zu Fuß auf die Dom-Insel und in die Altstadt mit ihren mit telalterlichen Wehrtürmen. Auf dem Wochenmarkt am Katharinenkirchplatz bieten Bauern regionale Produkte an (Mo.-Fr. 8-17 Uhr, Sa. 7-12 Uhr).

Strand von Ketzür. Wunderbar zum Baden, netter Spaziergang zur restaurierten Bockwindmühle. Die Dorfkirche aus dem 13. Jahrhundert ist eine der schönsten der Mark Brandenburg. In der "Töpferei & Mosterei" verkaufen Kai Braß und Linde Rosenmüller selbst gepressten Saft (Ketzürer Dorfstr. 30, Mi.-Fr. 15-18 Uhr, So. 14-18 Uhr, Tel. 03 38 36/205 23).

Ankern vor Bagow. Hier hatte die Familie von Ribbeck viele Jahrzehnte ihren Sitz. Das Rittergut ist allerdings leider nur durch den Zaun zu sehen. Am anderen Ufer, in Päwesin, betreiben bud dhistische Nonnen einen Bäckerladen mit kleinem Café.

Domstiftsgut Mötzow. Vom Anleger in Radewege oder vom Strand am gegenüberliegenden Ufer aus kann man hierhin laufen oder radeln und sich ausgiebig mit herrlich frischem Obst und Gemüse aus der Region eindecken (Gutshof 1, Butzow, Tel. 03 38 36/20 80, www.vielfruchthof.de, Hofladen tägl. 8-19.30 Uhr).

Lesen Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland. Theodor Fontanes Gedicht als Bilderbuch, illustriert mit Holzschnitten von Nonny Hogrogian (Beltz-Verlag, 5,95 Euro).

Das große Buch vom Angeln. Lustiger Begleiter für Bootstouren mit Kindern. Von Casper Verner-Carlsson, illustriert von Sven Nordqvist, dem Erfinder von Pettersson und Findus. Man lernt, wie man Fische fängt, und einiges über das Leben im Wasser (Oetinger-Verlag, 12 Euro).

Das Reise-Taschenbuch Brandenburg. Viel über die Region und die Eigenheiten ihrer Bewohner (Dumont-Verlag, 14,95 Euro).

Info Tourismusverband Havelland, Theodor- Fontane-Str. 10, 14641 Ribbeck, Tel. 03 32 37/85 90 30, www.havellandtourismus.de

Herunterladen: Zehn Traumrouten durch Deutschland

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Die Hausboottour durchs Havelland ist nur eine von zehn Traumrouten, die mehr als 20 Mitarbeiterinnen von BRIGITTE recherchiert, bereist und zusammengestellt haben: An märchenhaften Flüssen, durch herrliche Bergwelten oder zwischen zwei Meeren, zu zauberhaften Gärten, Parks und ganz besonderen Orten. Für Tagesausflüge, Wochenend-Trips oder längere Reisen. Lust bekommen?

Für jede der zehn BRIGITTE-Traumrouten gibt es eine genaue Beschreibung mit Karte und wunderbaren Tipps zum Übernachten, Genießen und Ansehen. Hier können Sie das BRIGITTE-Extra mit den zehn Traumrouten durch Deutschland als PDF herunterladen

: Traumrouten herunterladen (für Abonnentinnen ist der Service kostenlos, Nicht-Abonnentinnen zahlen 2 Euro). Sie möchten erstmal blättern? in den Traumrouten blättern

Fotos: Lisa Hörterer Illustration: Fiete Koch Text: Cornelia Gerlach Ein Artikel aus BRIGITTE Extra / Beilage BRIGITTE 17/10

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