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Bretagne Mit dem Hausboot durch Frankreich

Bretagne: Fluss
In sanften Bögen zieht sich die Vilaine durchs Land.
© Jonas Nefzger
Die Landschaft zieht vorbei, hier und da geht’s zum Bummeln in einen der Orte: Viola Keeve und ihre Familie sind mit dem Hausboot durch die Bretagne geschippert und haben die Langsamkeit entdeckt.

Hausboot in der Bretagne. Vier Worte genügen – und alle sehen verzückt aus. Austern satt, herrliche, wilde Natur, grünes Keltenland. Meine Tochter, 16, mein Mann und ich kennen Frankreichs äußersten Westen nicht, aber wer schon mal dort war, schwärmt davon. Trotz des Wetters. 50 Wörter für "grau" beziehungsweise "Wolken" soll es geben. Wir sind auch noch nie Hausboot gefahren und sprechen so gut wie kein Französisch.

Egal, an Bord sind wir ja unter uns. Und, um es gleich zu sagen: Für bretonische Verhältnisse war das Wetter ein Traum – nur Sonne. Schlemmen, schwimmen, ab und zu eine Schleuse. Anfangs scheinen sie viel zu schmal für den Pott. Aber nach und nach klappen die Abläufe besser, werden wir sicherer Viel los ist nicht auf der Vilaine und dem Oust, südlich von Rennes. Steinhäuser mit hellblauen Fensterläden ziehen vorbei, Kühe, Kirchen. Kinder winken, Angler manchmal. Wenn wir genug Abstand halten.

Bretagne: Pointe du Grand Mont
Am Pointe du Grand Mont gibt’s kleine Buchten.
© Jonas Nefzger

Die Menschen hier bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Vermutlich haben sie einfach auch schon viel gesehen zwischen Messac und dem alten Salzumschlagplatz Redon, wo der Nantes-Brest-Kanal beginnt. Wer mag, kann hier nämlich führerscheinfrei Hausboot fahren. Eine Familie aus New York rammt beim Einparken den Steg. Alles wackelt. Mehrmals. Zur Belustigung derer, die schon angelegt haben.

Einfach mal treiben lassen

Bevor es aufs Wasser geht, gibt’s bei "Le Boat", der Vermietung in Messac, die Einweisung. Vorwärts, rückwärts, wie dreht man? Wie knüpft man einen sicheren Knoten? Laurent, die Ruhe selbst, fährt mit zur ersten Schleuse. "Man muss das Boot spüren, dann kommt alles von allein", sagt er, lächelt und geht von Bord. Vielleicht hat er zu viel Vertrauen …

Bretagne: Hafen von Redon
Der Hafen von Redon, wo der Oust in die Vilaine fließt.
© Jonas Nefzger

Zwar bedeutet "vilaine" so viel wie "garstig", die Vilaine aber ist breit, eine Wasserautobahn, kaum Gegenverkehr. Ich lenke zu stark, fahre Schlangenlinien, allen wird leicht übel. Und ich sollte die Wasserstraßenkarte lesen. Aber: Es läuft. Bis das Eisenbahnviadukt Les Corbinières auftaucht. Imposante Bögen aus rosa Sandstein, fast 30 Meter hoch, Baujahr 1861, es gilt als eines der schönsten Frankreichs. Meine Tochter übernimmt. Schon sind wir durch, und sie verschwindet zurück an ihren Lieblingsplatz am Bug, dicht über dem Wasser, in Libellenhöhe.

Nautisch sind Vilaine, Oust und der schnurgerade Nantes-Brest-Kanal keine Herausforderung. Das richtige Revier für Hausboot-Neulinge, und überall helfen die Schleusenwärter. Manchmal muss man klingeln. Zum Beispiel bei dem Ehepaar, in dessen Haus es nach Mittagessen duftet. Man würde gern bleiben, da öffnet sich das Tor der Schleuse. "Bon Voyage!" Sie winken und gehen zurück zu Tisch.

Leben auf engstem Raum

Früher war das Leben hier weniger romantisch. Lastkähne, von Pferden gezogen, brachten auf Treidelpfaden Salz, Wein und andere Waren vom Atlantik herauf, heute nutzen vor allem Hobby-Kapitäninnen und -Kapitäne die Wasseradern aus Napoleons Zeit. Mehr als zehn Kilometer die Stunde sind nicht drin. Ein Fahrrad ist schneller.

Bretagne: Stadt
Vom Hausboot aus kann man auch Städte entdecken.
© Jonas Nefzger

Man muss sich schon sehr gut verstehen, um fünf Tage auf engstem Raum durch die Bretagne zu tuckern, im schwimmenden Mini-Haus "Caprice", zwölf Meter lang, 3,80 breit. Zwei Kabinen mit Bad, die Wohnküche, den Steuerstand an Deck mit Sitzgruppe: Mehr hat man nicht, um sich zu verteilen. Eine spannende Erfahrung, mit der wir so nicht wirklich gerechnet haben. Natürlich waren wir auch in Rennes, vor Beginn der Tour, gemeinsam unterwegs. Aber eben mit mehr Auslauf.

Bretagne: Hausboot
Zwölf Meter lang, knapp vier breit, sehr gemütlich.
© Jonas Nefzger

Die Hauptstadt der Bretagne, in der man das grandiose Bier "Duchesse Anne" und Cidre, den herben Apfelschaumwein, trinkt, die Mittelalter und Moderne beheimatet und so viele junge Leute, hat uns sofort begeistert. Viele ziehen aus Paris her – in die Provinz. 200 000 Menschen leben hier, was vergleichsweise überschaubar ist. Unser Hotel, "Le Magic Hall", war mal ein Kino. In einem schalldichten Raum setzt sich meine Tochter ans Schlagzeug. Wo gibt es das!?

Ein kulinarisches Fest

In der Crêperie "La Saint-Georges" essen wir Crêpes und Galettes. Letztere die salzige Variante aus Buchweizen. Ich nehme "Giorgio Armani", mit Foie gras und gegrilltem Apfel. Auch das Menü im "La Table de Balthazar", gelobt vom "Guide Michelin", ist köstlich: grüne Bohnen, Meeresspargel, Seeteufel. Und dann der Marché des Lices, auf dem man sich am Samstag trifft, einem der schönsten, größten Märkte des Landes und ein Schauspiel für sich: Ganz früh kommen die Köchinnen und Köche der Restaurants, später junge Familien, zuletzt Studentinnen und Studenten. Wer ein Brett mitbringt und ein Getränk bestellt, darf alles Gekaufte rund um den Markt verzehren. Wir kehren lieber ein, Selbstversorgung werden wir an Bord ja lange genug haben. Sitzen auf den Liegestühlen im Hof der "Ty Anna Tavarn" in der Sonne.

Bretagne: Picknick
Die Bank am Ufer der Vilaine hat so gelockt …
© Jonas Nefzger

Unsere Einkäufe nehmen wir schließlich mit an Bord. Wer weiß, denken wir da noch, wann wir das wieder bekommen: gesalzene Butter, Tomaten, Ziegenkäse mit Rosmarin, "Kouign Amann", bretonischen Salzkaramellkuchen. Den Wolfsbarsch grillen wir am Abend. Ein Fest!

Bretagne: Feigen mit Frischkäse
Feigen mit Frischkäse – einfach gut.
© Jonas Nefzger

Wir sind weit gekommen in den letzten Tagen, das sollten wir auch: Im Künstlerdorf La Gacilly, wo wir morgen Station machen wollen, gibt es nur wenige Anlegeplätze. Wer zu spät kommt, muss zurück nach Glénac und eine Stunde hinlaufen. Im letzten Licht sitzen wir auf einer Leitplanke und trinken Rosé, die "Caprice" schaukelt vor dem Brücklein gegenüber. Neben uns liegt nur ein Boot. Mit Piratenflagge! Na dann … Morgens sind wir die Ersten, die aufbrechen. Klamm ist es am Steuerstand, als wir ablegen. Das sind Momente, die bleiben: Kaffee im Nebel, Störche nisten im Baum, Stille.

Sightseeing und pure Natur

Bretagne: Aff
Der Aff ist ein kleiner Nebenfluss des Oust.
© Jonas Nefzger

Mittags biegen wir in den Aff, nur noch sechs Kilometer pro Stunde dürfen wir fahren und hoffen, dass uns niemand entgegenkommt. Der Seitenarm des Oust ist Teil des Sumpflands, verwunschen, kurvenreich, ein Traum von einem Fluss: am Ufer Seerosengelb, Schilfgrün, das Violett der Fingerhüte.

Bretagne: Redon
Viola Keeve (r.) und ihre Tochter beim Landgang in Redon.
© Jonas Nefzger

Die frühe Abfahrt hat sich gelohnt. In jeder Hinsicht: In La Gacilly finden wir vor einem Blumen-Wehr im Hafen einen Platz – mit Strom- und Wasserversorgung. Wir gehen erst mal einkaufen. 1930 wurde der Naturkosmetik-Pionier Yves Rocher hier geboren, 46 Jahre war er Bürgermeister von La Gacilly, sein Sohn fördert Frankreichs größtes Outdoor-Dokumentarfoto-Festival, das hier im Sommer stattfindet. Im Dorf essen wir Salzkaramelleis, sehen großflächige Aufnahmen berühmter Fotograf:innen und besuchen Yves Rochers Botanischen Garten. 1500 Pflanzenarten, ein Bambushain, rosagelbe Ochsenherztomaten. Zwei pflücke ich, einen Baguette-Automaten (!) finden wir auch, das Abendessen steht. Zurück an Bord haben wir Katzen-Besuch, meine Tochter und ich füttern sie. Mein Mann sonnt sich derweil. Jeder kann tun, was er will. Herrlich!

Bretagne: Botanischer Garten
Der Botanische Garten in La Gacilly
© Jonas Nefzger

Und dann geht’s zurück, aber für die Île aux Pies, für uns der vielleicht schönste Ort der Tour, nehmen wir uns noch mal Zeit. Meine Tochter geht klettern. Das Revier ist berühmt, aber nichts für mich und meine Höhenangst. Zusehen reicht, wenn sich beim letzten Parcours alle Holzrollen der Baumwipfel-Strecke drehen. Wir schwimmen, essen Artischocken. Am Abend spiegeln sich die Granitfelsen im Wasser. Morgen geben wir die "Caprice" ab. Doch wir kommen wieder. Bestimmt!

Bretagne: Port aux Moines
Im Anschluss an die Flusstour lohnt ein Abstecher ans Meer, z. B. nach Port aux Moines.
© Jonas Nefzger

Violas Reisetipps für die Bretagne

Hinkommen

Von Frankfurt nach Rennes gibt es Direktflüge der Lufthansa (ab 169 Euro), der Zug (TGV) ab Paris braucht eineinhalb Stunden.

Rumkommen

Das Hausboot. Vier Nächte auf der "Caprice" (zwei Kabinen mit Bad, dazu Küche und Salon) ab Messac (40 Kilometer südlich von Rennes) kosten bei Le Boat ab 699 Euro, Betriebskosten ca. 295 Euro (April bis Oktober; Tel. 061 01/557 91 75, leboat.de). Maximal dürfen sechs Personen an Bord, darunter mindestens zwei Erwachsene. Kein Bootsführerschein erforderlich.

Die Route. Messac – Redon (sehenswert: die Abteikirche St. Sauveur) – Île aux Pies (das größte Klettergebiet der Bretagne) – La Gacilly (Highlights: Botanischer Garten und das Museum "Maison Rocher") – Messac. Die Strecke ist 120 Kilometer lang und hat sechs Schleusen, reine Fahrtzeit ca. 18 Stunden auf Vilaine, Oust, Aff und dem Nantes-Brest-Kanal. Extra-Tipp: anschließend mit dem Auto ans Meer fahren, nach Port aux Moines und Pointe du Grand Mont.

Übernachten

Le Magic Hall. Früher Kino, heute gemütlich-cooles Hotel mitten in Rennes. Die Lobby hat Wohnzimmer-Charme, das Frühstück mit Bioprodukten ist üppig, und ein Musikstudio gibt es auch. DZ/F ab 119 Euro (Rennes, 17 rue de la Quintaine, Tel. 299 66 21 83, lemagichall.com).

Genießen

Bretone. Die Dachterrasse im Haus des Jugendstil-Mosaikkünstlers Isidore Odorico (1893–1945) ist umwerfend, das Essen auch: z. B. Galette mit Jakobsmuscheln, Parmesan und mit Cidre flambiertem Lauch für 13,50 Euro (Rennes, 7 Rue Joseph Sauveur, Tel 221 07 62 44).

Bretagne: Brioche
Die handgemachten Brioches fallen hier etwas größer aus.
© Jonas Nefzger

La Saint-Georges. Die Crêperie ist eine Institution. Hier werden köstliche, fantasievoll belegte Galettes serviert. (Rennes, 11 Rue du Chapitre, Tel. 299 38 87 04, creperie-saintgeorges.fr).

Bretagne: Restaurant
Im schicken "La Table de Balthazar" werden aus lokalen Bioprodukten fabelhafte Menüs (ab 50 Euro; Rennes, 19 Rue Maréchal Joffre, Tel. 299 32 76 14, hotel-balthazar.com)
© Jonas Nefzger

Boutique Sarzeau. Wenn es nach dem Fluss ans Meer geht: Am Golf du Morbihan verkauft Alain Chartier Patisserie: Éclair Framboise (Himbeere), Éclair Kouign Amann (Salzkaramell, Madagaskar-Vanille) … (3,50 Euro; Sarzeau, 25 Rue du Général de Gaulle, Tel. 297 43 27 37, alainchartier.fr).

Erleben

Jardin Botanique. In La Gacilly, dem Geburtsort von Yves Rocher, sitzt man im Botanischen Garten zwischen Arnika, Kornblumen und Malven. Ein Museum zeigt, wie der Bretone "grüne" Schönheitspflege erfand (5 La Croix des Archers, jardinbotanique-yvesrocher.fr).

Bretagne: Kletterpark
Der Kletterpark auf der Île aux Pies bietet sieben Parcours mit allen Schikanen (escapades-verticales.fr).
© Jonas Nefzger

Telefon

Die Landesvorwahl von Frankreich ist 00 33.

Mehr Infos finden: atout-france.fr und bretagne-reisen.de

Zuweilen unterstützen uns Agenturen, Hotels oder Veranstalter bei den Recherchen. Unsere Reportagen und Informationen sind dadurch in keiner Weise beeinflusst.

Brigitte

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