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Albanien Mit Boot, Bike und Flipflops die Riviera entlang

Albanien: eine Buch mit Felsen auf der linken Seite. Auf dem Sand sitzt eine Frau, neben ihr ein gelbes Kanu
© Julia Rotter / Brigitte
Albanien mausert sich zum echten Geheimtipp. Susanne Arndt war an der Albanischen Riviera wandern, paddeln, radeln und baden – und kam auch den Menschen nahe.

Zum Wandern eignet sich so ein Tanga schon mal nicht. Schon wieder muss ich mich ans Ende der Gruppe zurückfallen lassen, um ihn unauffällig zurechtzuzuppeln. Es gab nichts anderes gestern in der Hafenstadt Vlora, als ich kurz nach Wäsche suchte, während meine zwölf Mitreisenden noch Geld abhoben. Mein Koffer war am Flughafen verwechselt worden, nur ein ähnlicher saß am Schluss noch auf dem Gepäckband: Er gehörte einem Mann, und es waren Geschenke drin. Ob seine Töchter gerade meine Kleider durchprobieren?

Dieses Kopfkino trübt meine Laune bei unserer ersten Wanderung an der Albanischen Riviera noch mehr als der Regen. Durch einen alten Bergwald steigen wir auf zum Llogara-Pass, auf der dem Meer abgewandten Seite des Gebirges Mali i Çikës, das sich die Küste entlangzieht. Um uns herum das Who’s who der Nadelbäume: Mazedonische Kiefern, Bulgarische Tannen, Schlangenhautkiefern. An den mächtigen Ästen hängen Tropfen wie Glasperlen, so feucht ist es und gar nicht Mittelmeer-like, eher wie in einem Wald voller Trolle. Kein Wunder, dass die Bäume sich Felle aus zotteligem Moos umgelegt haben und sich vom Efeu umgarnen lassen. "Und auf der anderen Seite des Massivs liegen die Leute am Strand?", frage ich Guide Erald. Der versichert: "Klar, am Meer herrscht ein ganz anderes Klima!" 

Albanien: Rückaufnahme einer Frau mit Wanderrucksack, die in einer Berglandschaft geht
Gratwanderung Unsere Autorin 1500 Meter überm Ionischen Meer
© Julia Rotter / Brigitte

Als der Wald endet, jagen uns Wolkenwalzen über strohfarbene Bergwiesen, auf denen Safrankrokusse rosa blühen. Dann, auf fast 1300 Meter Höhe, sehen wir das Meer, und, Heureka, es ist türkis, wie sich das gehört! Erald erteilt uns eine erste Geschichtslektion: "Seht ihr den Palasa-Strand? Dort ist Cäsar an Land gegangen, um Pompeius zu besiegen."

An der Küste, die sich da unter uns streckt, paddeln und radeln wir die nächsten Tage gen Süden. Schon lange wollte ich wissen, was es mit Albanien auf sich hat,diesem Balkanland, das bis 1991 als Nordkorea Europas galt, an dem die Vorurteile hartnäckig kleben (Hütchenspieler! Korruption!), und von dem trotzdem alle schwärmen, die je dort waren. Apropos Vorurteile: Zwei Tage nach meiner Ankunft überreicht mir ein Busfahrer meinen unversehrten Koffer.

Auf dem Meer gibt es heute was zu sehen

Zwar habe ich jetzt meinen Bikini wieder, aber die Badeschuhe habe ich vergessen. Und so stochere ich wie ein humpelnder Neptun über den Kiesstrand von Dhërmi zum Kajak, das Paddel mehr Stütze als Dreizack. Erlöst steige ich mit Karin ein, allerdings wird ziemlich schnell klar, dass die Wellen heute stärker sind als wir. Hilflos mäandern wir übers Tintenblau, vorbei an Hotelskeletten aus Beton – Gebäude wie gefrorene Zukunft, deren Treppen hoffnungsvoll in den Himmel ragen, um dann doch nur in den Abgrund zu führen. Ist Albanien ein Land im Stillstand oder im Aufbau?

Wir rasten in einsamen Buchten, schwimmen im glasklaren Meer, dösen wohlig im Schatten. Am Gjipe-Strand erfrischen wir uns an einer Bude mit dem schönen Namen "Hamburger Donald" mit eiskalter "Pepsi". An Land kommen wir klar, auf dem Wasser kaum vorwärts, das Gebirge blickt schon spöttisch auf uns hinunter. Immer mehr Berge türmen sich am Ufer auf, als hätten sie mitgekriegt, dass es heute was zu sehen gibt:Zwei Frauen, die in einer gelben Plastikschale übers Meer irrlichtern.

Scheint so, als wäre ich schon ähnlich paranoid wie einst der kommunistische Diktator Enver Hoxha – die Landzungen, die uns im Weg liegen, ließ er perforieren für Bunker und Flakstellungen gegen imaginierte Feinde, die nie kamen. Die Agaven an den Hängen dienten als altmodische Biowaffen:Angeblich ließ Hoxha sie pflanzen, damit ihre Blätter Fallschirmjäger aufspießen wie Bajonette. In Qeparo steigen wir um aufs Rad, das mir eindeutig besser liegt.

Mit dem Rad hinein in eine Welt aus Blau

Albanien, Albanische Riviera
Auf nach Sarandë! Susanne Arndt startet ihre Fahrt ins Blaue
© Julia Rotter

Als ich am Morgen auf meine Terrasse trete, umfängt mich eine weiche Luft voller Meersalz, der Himmel trägt Schleier – perfekt für unsere Tour nach Sarandë. Und auch wenn heute die Esel am Straßenrand wie rostige Pumpen über uns Menschen lachen, die sich ohne Not auf Drahteseln die Küstenstraße hochquälen: Die Belohnung lässt nie lang auf sich warten. Nach jedem Aufstieg rasen wir johlend hinunter in eine Welt aus Blau. Unter uns liegt Korfu dösend im Meer, beginnt aber schon, sich zu rekeln und näher zu schwimmen – im Süden bei Ksamil berührt die griechische Insel fast Albaniens Küste.

Albanien: ein Strand mit Strohsonnenschirmen. Im Hintergrund sind Hügel zu sehen, die im Dunst verschwinden
Beach-Life Nach der Radtour ist der Strand von Sarandë eine Wohltat
© Julia Rotter / Brigitte

Mit den Wohnblocks, die sich an den Hang der Bucht zwängen, wirkt die Hafenstadt Sarandë wie eine kommunistische Version Monacos. Wir kaufen Pfirsiche und Feigen, eine Marktfrau klopft auf den Stuhl neben sich, wie für ein Hündchen, das hochspringen soll: "Come here, come here!" Ich setze mich zu Barda, so heißt sie, trägt Drahtbrille und kurzes graues Haar, ihr Pulli ist geflickt.Sie sieht aus wie ein Relikt aus dem Kommunismus, und so denkt sie auch. Die Demokratie, klagt sie, bringe nur Probleme, deshalb zögen die Jungen alle weg. Tatsächlich leben mindestens so viele Albaner:innen im Ausland wie in der Heimat, ausgewandert auf der Suche nach Arbeit.

Auch darum verfallen Dörfer wie das hübsche Alt-Qeparo, das sich mehrere 100 Meter über dem Meer auf eine Kuppe ergießt. Selbst die Bergstadt Gjirokastra, die einst Teil des Osmanischen Reichs war und heute zum Unesco-Welterbe gehört, wirkt verwaist: Unter den dunklen Schieferdächern starren uns leere Fensteraugen an. Sofort verstehe ich, warum der Schriftsteller Ismail Kadare seinen Heimatort als "vorzeitliches Wesen" beschrieb und befand: "Schwer zu glauben, dass sich unter diesen festen Panzern das weiche Fleisch des Lebens regt." Entsprechend überrascht sind wir, dass innen wuselig ist, was von außen so abweisend wirkt.

Albanien: ein Berg mit Gebäuden auf der Spitze. Im Hintergrund ist das Meer
Mittelalter Hoch über dem Meer und insicherem Abstand zu den Piraten erbaut, ist der Blick vom Bergdorf Alt-Qeparo sensationell
© Julia Rotter / Brigitte

Die Gassen sind voll, als wir zur Festung hochsteigen, die über dem Ort hockt und wacht. Unter uns macht sich die gigantische Dropull-Ebene breit, sie ist platt wie ein Brett und wird flankiert von elefantenfarbenen Gebirgszügen – uralte Dickhäuter mit Falten und Narben. Diese Bergwelt beengt nicht, sie berauscht mit ihrer Weite.

Tirana erzählt von der wechselvollen Geschichte des Landes

So archaisch die Natur, so dynamisch ist Albaniens Geschichte. Auf dem Skanderbeg-Platz in der Hauptstadt Tirana lasse ich vor dem Rückflug mit einer kleinen Pirouette die Jahrhunderte an mir vorüberfliegen: Den Grundstein des Kulturpalasts hat 1959 der sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow gelegt, die gelben Gebäude wurden von italienischen, Mussolini-treuen Architekten erbaut, die Et’hem Bey Moschee erzählt von der osmanischen Herrschaft, die Statue des Nationalhelden Skanderbeg vom Freiheitskampf gegen die Osmanen. Dahinter: postmoderne Hochhäuser. Von wegen Stillstand! Ich nehme so viel mit aus Albanien und lasse nur zurück: einen Tanga.

Susannes Reisetipps für Albanien

Hinkommen und Rumkommen

Rundreise. Die 9-tägige Gruppenreise "Albanien multiaktiv – die Albanische Riviera per Rad, Kajak und zu Fuß erleben" kostet ab 1750 Euro pro Person im DZ/VP, inkl. Flug, Kleinbus mit Fahrer, deutschsprachige Reiseleitung, Transfers und Besichtigungsprogramm. Durchschnittliche Fitness genügt übrigens (weltweitwandern.at).

Hotels

Hotel Sofo Llogara. Gute Wanderbasis im Llogara Nationalpark: auf 850 Meter Höhe gelegen und im Stil einer Mountain Lodge erbaut. DZ/F ab ca. 70 Euro (Llogara, Tel. 068/209 19 31, hotel-sofo.al).

Rapo‘s Resort Hotel. Gepflegte Zimmer mit Balkon zum schönen Pool. Keine fünf Minuten zum Strand! DZ/F ab ca. 50 Euro (Himara, Tel. 03 93/228 57, raposresorthotel.com).

Hotel Riviera. Aufwachen mit Meeresrauschen: entspannte Pension mit großen Zimmern an der autofreien Strandpromenade von Qeparo, jedes mit Außenbereich. Gutes Frühstück, z. B. "Petulla", warme frittierte Krapfen. DZ/F ab ca. 40 Euro (Qeparo, Rruga Plazhit, Tel. 069/629 01 58).

Guesthouse Kris. Das Natursteinhaus mit Innenhof, Terrasse und schönem Blick ins Osumi-Tal liegt ruhig am Rand des historischen Burgviertels. DZ/F ab ca. 30 Euro (Berat, Rrugica Panajot Haxhimihali, Tel. 069/540 09 79, guesthouse-kris.business.site).

Hotel Kastro. Gelegen in der Bergstadt Gjirokastra, die zum Unesco-Welterbe gehört. DZ/F ab 40 Euro (Cerciz-Topulli-Platz, Tel. 084/25 01 85)

Restaurants

Bar Kafe Opera. Perfekter Einstieg in Tirana: Auf der Terrasse des Kulturpalasts am Skanderbeg-Platz einen "Schwanensee-Eisbecher" essen (ca. 2,50 Euro).

Restorant Noeli. Hier wird Hausmannskost gekocht, z. B. "Dhia", Schwarze Ziege, 500 g ca. 8 Euro (Llogara, Tel. 068/352 91 41).

Panorama Restaurant. Am über 1000 Meter hohen Llogara-Pass gelegen – mit Meerblick-Terrasse. Mutige probieren gebratenen Lammkopf für ca. 2,50 Euro oder Herz und Leber gegrillt für ca. 6 Euro (Llogara, Tel. 069/620 12 50, panorama-restaurant.al).

Sunset Boulevard. Top für den Sundowner: Die netten Brüder Kris und Johnny servieren an der autofreien Promenade gute Cocktails, z. B. "Missionary‘s Downfall" mit Rum und Pfirsichlikör (ca. 5 Euro; Qeparo).

Ujëvara e Borshit. Location mit natürlicher Klimaanlage: Auf kleinen Plateaus im Wasserfall wird unter Platanen italienische Küche serviert, z. B. Seafood-Risotto für ca. 6,50 Euro (Borsh, Tel. 069/543 25 05).

Restorant Agimi & S. Modernes Ambiente, Terrasse und gehobene Küche, z. B. Risotto mit Trüffeln für ca. 7 Euro (Sarandë, Rruga Butrinti, Tel. 085/22 34 12, hotelagimi.com)

Beach-Restaurant "La Petite". Es werden frische Säfte und Salate unter Pinien serviert – Korfu-Blick inklusive! (Sarandë, Rruga Butrinti, Tel. 069/533 22 43)

Erleben

Festung Porto Palermo. Hinter meterdicken Mauern hauste hier auf der Halbinsel Anfang des 19. Jahrhunderts der osmanische Herrscher Ali Pascha. Vom Dach aus hat man Rundumblick über die Bucht von Porto Palermo. Eintritt ca. 2,50 Euro.

Alt-Qeparo. Einst im sicheren Abstand zu Piraten erbaut, ist das malerische Bergdorf heute halb verfallen. Der anderthalbstündige Aufstieg ab Qeparo ist steil, dafür kann man oben bummeln und bei einem Kaffee den Blick übers Ionische Meer bewundern.

Butrint. Die antike Stadt auf einer grünen Halbinsel in der Lagune von Butrint ist die meistbesuchte archäologische Stätte Albaniens. Beim Spaziergang durch das Unesco-Welterbe entdeckt man steinerne Zeugen aus 2500 Jahren Geschichte. Eintritt ca. 8 Euro.

Zitadelle von Gjirokastra. In der Festung befinden sich ein ethnologisches und ein Militärmuseum. Der kurze Aufstieg lohnt aber allein schon wegen des sensationellen Blicks über die Dropull-Ebene.

Einkaufen

Edua Healthy Shop. Drinnen kann man sich mit Souvenirs wie Raki und Honig eindecken, draußen eine "Paschasuppe" mit Hackbällchen genießen (ca. 3 Euro; Gjirokastra, Rruga Gjin Bue Shpata).

Anna Lee. Die Boutique führt feminine Mode mit traditionellen Mustern in neuer Interpretation (Tirana, Rruga Brigada 8).

Pazari i Ri. Fürs Finale in Tirana: In der modernen Markthalle am neuen Basar nach Mitbringseln stöbern und sich anschließend in einem der vielen Cafés stärken (Tirana, 600 m östlich des Skanderbeg-Platzes).

Telefon

Die Vorwahl von Albanien ist die 003 55, im Land die 0 vor der Ortsvorwahl weglassen.

Hätte ich das gewusst …

Badeschuhe für die Kiesstrände mitzunehmen wäre schlau gewesen. Und Ohrstöpsel für die Nächte – in Albanien liebt man laute Musik.

Brigitte

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