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Abenteuer Natur Mit dem Campingbus durch Norwegen

Norwegen: der Preikestolen
© AlexanderNikiforov / Adobe Stock
Wo es diese irre Landschaft gibt? In Norwegen! Wie man da am besten hinkommt? Mit dem Campingbus – wie BRIGITTE-Redakteurin Swolke Karberg und Fotograf Florian Grill.

Mir war nicht klar, wie dunkel es draußen sein kann. In der Stadt ist es nie so finster, dass ich meine eigenen Füße nicht sehen kann. Die tasten jetzt in den neuen Wanderschuhen – den ersten meines fast 40-jährigen Lebens – auf riesigen Felsbrocken vorsichtig nach Halt. Da ich ziemlich fiese Höhenangst habe, versuche ich stoisch, den Kegel meiner Stirnlampe nur direkt nach vorn zu richten, bloß nicht zur Seite in den Abgrund. Ein halber Quadratmeter Fels flackert für zwei Sekunden vor mir auf, und ich versuche ihn mir so gut wie möglich einzuprägen, damit meine Füße den nächsten Schritt dorthin planen können. Aus dem Dunkel über mir höre ich die Stimme meines Freundes: "Jetzt komm, das ist doch voll easy!" Florian ist an der Schweizer Grenze aufgewachsen, da saugt man den sicheren Tritt mit der Muttermilch auf. Beim Abstieg werde ich später feststellen, dass er recht hatte. Im Tageslicht entpuppt sich der vermeintliche Abgrund als bewaldeter Hang, und die Felsbrocken wurden offensichtlich von Menschenhand zu Treppen aufgeschichtet.

Wir wollten die ersten am Preikestolen sein

Diese Nachtwanderung ist das erste Highlight, das wir für unsere dreiwöchige Campingtour durch Südnorwegen eingeplant haben. Die Stunden, bis der Wecker um halb vier klingelte, haben wir in unserem Wohnmobil auf dem Parkplatz verbracht, um möglichst die ersten am Preikestolen zu sein – einer Felsplattform, die über dem Lysefjord thront und ein Touristenmagnet ist. Sie quellen aus den Reisebussen heraus in den Wald, durch den die erste kleine Etappe des gut zweistündigen Aufstiegs führt. Es gilt als Geheimtipp schon oben zu sein, wenn die unten gerade erst ihre Funktionsjacken anziehen. So erlebt man bei gutem Wetter einen wunderschönen Sonnenaufgang über dem Fjord.

Ich bin damit beauftragt, Florian ganz nah am Abgrund zu fotografieren, das klassische Preikestolen-Bild, und sterbe tausend Tode. Aber ich tue ihm den Gefallen. Als ich mit dem Posieren dran bin, halte ich – stehend! – lieber etwas Abstand zur Kante. Zum Glück sieht man auf dem Foto nicht, wie meine Knie gezittert haben. Aber ich bin immer noch unfassbar stolz auf diesen Moment, in dem ich im wahrsten Sinne des Wortes dahin gegangen bin, wo die Angst ist. Was sich im weiteren Verlauf der Reise noch als sinnvolle Therapiemaßnahme herausstellen wird.

Der Urlaub beginnt auf der Autobahn

Unser Abenteuer begann vier Tage zuvor mit einem Großeinkauf für 250 Euro – Norwegen soll ja so unfassbar teuer sein. Mittlerweile kann ich sagen: Das stimmt nur bedingt. In großen Supermärkten kosten die Basics an Lebensmitteln tatsächlich nicht weitaus mehr als bei uns. Nur Süßigkeiten, auf die eine Zuckersteuer erhoben wird, und Alkohol reißen schnell ein Loch in die Urlaubskasse. Allerdings sollten alle, die sich wie wir selbst versorgen und abends auch mal ein Gläschen trinken wollen, die komplizierten Einfuhrbestimmungen genau studieren (siehe unten). Mit einer bis auf das letzte Promille ausgetüftelten Zusammenstellung aus Wein, Gin und Cidre sowie viel zu viel Schokolade im Gepäck fahren wir los. Ich liebe diesen Moment, wenn wir uns mit unserem mobilen Zuhause in Hamburg auf die Autobahn einfädeln. Genau da beginnt der Urlaub, und ich werde tiefenentspannt.

Erstes Ziel: Hirtshals am nördlichen Ende Dänemarks. Mit der Fähre ist man von dort aus in gut drei Stunden in Norwegen. Die einigermaßen unattraktive Hafenstadt Kristiansand lassen wir nach dem Anlegen direkt links liegen. Wir wollen möglichst schnell in die Natur. Ich freue mich aufs Wandern, auf Pfifferlinge und Blaubeeren direkt aus dem Wald und auf die Stille. Florian hat nur eines im Kopf: Angeln. Er hat sich fest vorgenommen, einen Lachs zu fangen. Ich hoffe inständig, dass dieser Plan gelingt. Einerseits, weil ich Lachs sehr mag, andererseits, weil ich meinen Liebsten gut gelaunt brauche. 21 Tage auf sieben Quadratmeter Van-Wohnfläche: eine kleine Herausforderung für jede Beziehung – besonders wenn das Wetter nicht mitspielt.

Das Wohnmobil haben wir vor eineinhalb Jahren aus einem nackten Lieferwagen gebaut – mit Ikea-Küche, die gleichzeitig Kleiderschrank ist, und einem Bett, das sich mit wenigen Handgriffen zur Sitzecke mit Esstisch verwandelt. Strom kommt über die Solarpanels auf dem Dach, das frische Wasser zum Kochen und Abwaschen aus einem 80-Liter-Tank unter dem Auto. Auch eine Toilette ist mit an Bord, aber auf eine Dusche haben wir bewusst verzichtet, das geht mit biologisch abbaubarem Shampoo auch prima draußen. Für uns reicht der luxuriöseste Spa-Bereich der Welt nicht an das Erlebnis heran, im tiefsten Wald mit den Füßen im feuchten Moos zu stehen, während man sich einseift. In Norwegen sieht man das auch ganz entspannt und macht kein großes Aufheben um ein paar nackte Touris bei der Körperpflege.

Hinter jeder Kurve ein neues Postkartenmotiv

Hinter jeder Kurve der Landschaftsroute Ryfylke in Fjordnorwegen eröffnet sich ein neues Postkartenmotiv. Anfangs halten wir noch bei jedem spektakulären Wasserfall an, später beschränken wir uns dann auf die zunehmend lapidar geäußerte Feststellung: "Guck, mal ein Wasserfall!“ In Norwegen gibt es davon gefühlt so viele wie bei uns Fleckvieh. Und mindestens so viele Tunnel. Man sollte meinen, dass man Straßentunnel als erwachsener Mensch nicht mehr sonderlich aufregend findet. Doch weit gefehlt: In den oft kilometerlangen Röhren aus blank behauenem Granit fühlen wir uns wie Kinder, die in der künstlichen Bergwerkskulisse eines Vergnügungsparks für die Wildwasserbahn anstehen.

Norwegen: Wasserfall
Berauscht  Die vielen Wasserfälle im Nationalpark Hardangervidda begeistern Brigitte-Redakteurin Swolke Karberg
© David / Adobe Stock

Einen Nachteil hat dieses Erlebnis jedoch: Auf der anderen Seite der Felswand ziehen die schönsten Panoramen ungesehen vorbei. Bald finden wir heraus, dass neben vielen der neueren Tunnels außen noch die alte Straße vorbeiführt. Also biegen wir immer mal wieder vor dem dunklen Halbrund scharf abund holpern über die verwucherten Nebenstrecken. Das dauert natürlich viel länger, manchmal müssen wir auch Steine wegräumen, wird aber mit dem Blick auf knallblaue Fjorde belohnt. Sie wechseln ihre Farbe mit dem Wetter, das fantastisch ist. Zum Glück habe ich entgegen aller Warnungen von Schon-mal-da-Gewesenen ganz optimistisch meinen Bikini eingepackt. Er wartet neben der Wollmütze in der Ikea-Küche.

Wanderung zum Folgefonna-Gletscher

Bei bestem Wetter schlagen wir unser Lager für zwei Tage am Ufer eines kleinen Bergsees auf, um Kraft für unser nächstes großes Vorhaben zu sammeln: eine Wanderung zur Zunge des Folgefonna-Gletschers. Der Bikini und ich liegen in der Sonne, während neben mir das Schmelzwasser der Schneefelder in den See plätschert. Verrückt. Bei unserem vorherigen Stopp in dem kleinen Küstenort Jelsa hat Florian die ersten Fische gefangen, sodass wir jetzt auf fast 1000 Metern frische Makrelen grillen.

Vom Meer bis hierher sind wir nur anderthalb Stunden gefahren. Norwegen könnte die Lösung für all jene Paare sein, die alle Jahre wieder die Diskussion führen, ob es lieber in die Berge geht oder ans Meer. Wir haben dieses Problem zum Glück nicht. Dafür geraten wir beim Fahren regelmäßig aneinander, weil wir sehr unterschiedlicher Auffassung darüber sind, was auf den Schotter-Serpentinen ein sicherer Abstand zur Straßenkante ist.

Zwischen Campern und Hochlandrindern

Endlich angekommen, erwartet uns eine Überraschung: Hochlandrinder teilen ihre Weide mit den Campern. Ihr findiger Besitzer hat für die zweibeinigen Gäste sanitäre Einrichtungen errichtet und eine Schranke, an der man mit Kreditkarte bezahlen kann. Sogar einen natürlichen Pool, gespeist vom Gletscherbach, gibt es hier. Die zotteligen Rinder stehen da, als wäre es nie anders gewesen. Auch der Gletscher, der blassblau in Sichtweite hoch über der Wiese liegt und einen eisigen Hauch nach unten schickt, scheint sie nicht zu beeindrucken. Uns dagegen fasziniert er sehr – schon beim Frühstück am nächsten Morgen starren wir die ganze Zeit auf die Eismassen.

Der Aufstieg ist nicht ohne. Ich muss mich an Seilen die Felsen hochziehen, über glitschige Steine balancieren und Brücken ohne Geländer überqueren. Als mir aber sogar Fünfjährige und Hunde entgegenkommen ("Moment mal, bedeutet das, die waren alle schon oben ???“), komme ich mir ziemlich albern vor und kämpfe die Welle der Angst erfolgreich nieder.

Swolke Karberg: ein Gletscher in Norwegen
Sportlich – Der Aufstieg zum Folgefonna-Gletscher hat es in sich. An besonders steilen Stellen sind Seile befestigt, an denen man sich hochzieht
© Friedberg / Adobe Stock

Der Matrefjord - eine türkisfarbene Lagune voller Lachse

Nachdem meine "Ist das hoch!!“-Challenges bewältigt sind, ist Florian dran. Wir fahren weiter zum Matrefjord, der als Angelrevier weltberühmt und beinahe absurd schön ist, Schweinswale inklusive. Und ausgerechnet in dieser türkisfarbenen Lagune fängt mein Freund also den ersten Lachs seines Lebens. Davon erfahre ich morgens um sieben, als ich durch die offenen Hecktüren blinzle – und mich zu Tode erschrecke. Zwei Zentimeter vor meiner Nase baumelt ein blutverschmiertes, silbernes Ungetüm an der Hand eines extrem glücklichen Florians. Wir feiern den Fang mit Van-Cuisine de luxe. Genau für diesen Moment haben wir sogar ein Heißräucheröfchen dabei. Wir schneiden Sashimi, und ich backe Blinis, auf die wir dann den Lachsrogen legen. Es ist warm genug, um im T-Shirt bis zur Mitternachtssonne draußen zu sitzen.

Kaum ist die Mission Lachs erfüllt, wird das Wetter schlechter. Trotzdem fahren wir noch für einige Tage in den Hardangervidda, die größte Hochebene Europas. Dort liegt noch Schnee, und unsere Standheizung bollert gegen die Minusgrade. Das Kondenswasser strömt an den Scheiben runter. Kaum zu glauben, dass ich vor wenigen Tagen noch im Bikini vor dem Van saß. Jetzt trage ich alles am Leib, was ich dabei habe. Auch die Wollmütze. Und in mir das gute Gefühl, dass ich nichts umsonst eingepackt habe.

Norwegen im Campingbus

Gut zu wissen

Wo darf ich stehen ? Auf dem Land überall. Man muss nur einen Mindestabstand von 150 Metern zur nächsten bewohnten Behausung einhalten. Privatbesitz ist natürlich ausgeschlossen.

Welche Regeln sollte man beachten ? Den Platz so verlassen, wie man ihn vorgefunden hat, keinen übermäßigen Lärm machen und nicht länger als zwei Tage an einem Ort bleiben

Wie viel Alkohol darf man ins Land bringen? Erlaubt sind 3 Liter Wein und 6 kleine Dosen Bier pro Person. Oder: 1 Liter Hochprozentiges, 1,5 Liter Wein und 6 Dosen Bier (statt Bier auch 2 Liter Cidre).

Wann ist die beste Reisezeit? Ende Juni bis Anfang September. Zu dieser Zeit hat man die größte Chance, alle Pässe befahren zu können.

Mögliche Extrakosten: Besonders im Süden des Landes gibt es viele Mautstraßen – der Preis richtet sich nach dem Gewicht des Autos.

Brigitte

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