Jedes islamistische Attentat trägt zur Zerrüttung und Verunsicherung unserer Gesellschaft bei, schürt Angst und Misstrauen. In dieser aufgeheizten Atmosphäre tut es gut, dass sich Karen Krüger auf "Eine Reise durch das islamische Deutschland" begeben hat und mit Muslimen spricht, nicht über sie: Sie besucht einen Bestatter, der die Beerdigung eines erschossenen Nigerianers organisiert, und erklärt ganz nebenbei muslimische Bestattungsrituale sowie den Gottesbegriff, der dahintersteht. Eine Imamin kommt zu Wort, der Gründer des Modelabels "Styleislam", Menschen, die den Dschihadisten nahestehen, und solche, die ihren Glauben abgelegt haben. Sie beschreibt die Ehe zwischen einer Muslimin und einem Christen und erzählt, wie herzlich die Eltern den Schwiegersohn aufgenommen haben und dass dieser sich den Koran des Schwiegervaters leiht. Die Botschaft ist nicht neu, aber wichtiger denn je: Neugier und Offenheit erleichtern das Zusammenleben. Die Autorin urteilt nicht, sie fragt nach, was ihren Gesprächspartnern ihre Religion bedeutet und wie sie zur deutschen Gesellschaft stehen. Die Mischung aus Alltagserlebnissen und Hintergrundwissen vermittelt überraschende Einblicke und trägt jedenfalls mehr zum Verständnis zwischen den Kulturen bei als die endlose Debatte ums Kopftuch. Karen Krüger beschreibt, wie nach dem 11. September aus Gastarbeitern Muslime wurden und wie bedrückend das für viele ist. Sie selbst, Tochter eines Lehrers, lebte als 14-Jährige in der Türkei und besuchte dort vier Jahre lang eine deutsch-türkische Schule. Das hat ihren Blick geweitet - dem Buch jedenfalls tut das erlebte Wissen über die islamische Kultur gut. Eine lange Reportage, aber keinen Moment langweilig. (352 S., 20 Euro, Rowohlt Berlin) Hier könnt ihr das Buch bestellen