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Wieder vereint: Kate Winslet und Leonardo DiCaprio

Elf Jahre nach dem Blockbuster "Titanic" sind Kate Winslet und Leonardo DiCaprio erstmals wieder gemeinsam in einem Film zu sehen. Nach der großen Romantik spielen sie in dem Ehedrama "Zeiten des Aufruhrs" das exakte Gegenteil: die Desillusionierung der Liebe im Allltag.

Tom Hanks erfand einen neuen Begriff für das, was Kate Winslet und Leonardo DiCaprio damals zugestoßen war: das PTSS, das "Post-Titanic-Stress-Syndrom". Über Jahre bestimmte es das Leben der beiden Menschen, die mit Anfang 20 dem Ruhm, der durch den erfolgreichsten Film aller Zeiten über sie hereinbrach, nicht gewachsen waren. "Damals habe ich mich wie ein Astronaut gefühlt", sagte DiCaprio später einmal. "Irgendwie habe ich die Erde umkreist und mit Befremden geschaut, was da gerade mit diesem DiCaprio passiert." Mit einem Schlag war er der Schwarm aller Teenie-Mädchen, die Presse verfolgte jeden seiner Schritte und schrieb sogar auf, was in seinem Einkaufswagen lag: Deo! Brokkoli! Shampoo!

Kate und Leo, das war 1997 international das neu erkorene Traumpaar. genau das, was sich die Welt nicht von ihnen wünschte: Sie suchten nach Rollen, um aus dem Image auszubrechen, DiCaprio gab über Jahre keine Interviews mehr, er dachte sogar darüber nach, den Job ganz aufzugeben. Und auf gar keinen Fall spielten sie in einem Film gemeinsam - bis heute.

Vor der Kamera gingen sie elf Jahre getrennte Wege, drehten unabhängig voneinander Kostümfilme und Agententhriller, Winslet wählte starke Frauen, die immer für etwas kämpften, DiCaprio verfilmte Biografien wie "Catch Me If You Can" über den Hochstapler Frank Abagnale oder "Aviator" über den besessenen Flugpionier Howard Hughes; und am liebsten spielte er harte Kerle, CIA-Agenten wie gerade in "Der Mann, der niemals lebte"- das Gegenteil des weichen Jack, der vom Unterdeck der "Titanic" kam und einem Mädchen aus der Oberschicht zeigte, wie unbeschwert das Leben sein kann.

Privat galt DiCaprio in den Jahren nach "Titanic" als der Mann, der die Models verführte (Kirsten Zang, Amber Valetta, Gisele Bündchen, zuletzt über drei Jahre die Israelin Bar Rafaeli), Winslet dagegen verachtete den Magerwahn der Models, heiratete, bekam eine Tochter, trennte sich, heiratete wieder, bekam einen Sohn. Er war im Herzen der ewige Single, sie der Familienmensch. Er pries die Schönheit der Frauen, sie sagte Sätze wie: "Nach zwei Kindern hängen meine Brüste runter wie die Ohren eines Hundes."

Für die Öffentlichkeit wirkte es, als würden beide auf unterschiedlichen Planeten wohnen, doch in Wahrheit kamen die Schauspieler privat nie voneinander los. Zu "Titanic"-Zeiten wurde ihnen ein Verhältnis angedichtet, aber es war nicht die Erotik, die sie anzog. Vielmehr teilten sie den gleichen Humor und den ähnlichen Lebensweg im Beruf: der Ausstieg aus den nicht gerade wohlsituierten Verhältnissen in ihrer Kindheit, der frühe Wunsch, auf eine Bühne zu steigen, die Anstrengungen, sich den Job anzueignen, der große Ruhm gleich zu Anfang der Karriere und die Erfahrung, mit den größten Regisseuren zu arbeiten, die das Kino bietet.

Die ganzen Jahre über tauschten sie sich aus, sie telefonierten regelmäßig mitten in der Nacht, schickten sich Drehbücher, wenn einer von beiden eine interessante Rolle angeboten bekommen hatte. "Wir wussten, wenn wir je wieder etwas gemeinsam machen werden, dann muss der Film groß und emotional sein", sagt Kate Winslet. "Dann las ich 'Revolutionary Road', ein Buch von Richard Yates aus dem Jahre 1961. Der Roman ist so schmerzvoll und gleichzeitig so wundervoll zu lesen durch all die Wahrheit, die in der Geschichte steckt." Das Buch handelt von einem Ehepaar in den 50er Jahren, dessen Liebe in einem Alltag voller Spießbürgerlichkeit zerbricht. Sie hatten einmal große Träume, wollten nach Paris und das Leben spüren. Dann landeten sie in einem Haus in der Vorstadt, bekamen zwei Kinder - und jetzt, mit 30, leben sie so, wie sie es vor der Ehe verachteten.

Kate Winslet wollte diese Liebesgeschichte unbedingt verfilmen, gerade weil sie so anders war als die kitschige Variante in "Titanic". Zwei Jahre arbeitete sie an dem Plan, dann hatte sie ihren Mann Sam Mendes ("American Beauty") als Regisseur gewonnen - und Leonardo DiCaprio für die zweite Hauptrolle. Auch wenn dies bedeutete, dass sie vor den Augen ihres Mannes mit ihrem Freund Leo Sex in der Küche haben sollte.

Zum ersten Mal wollten sie es noch einmal wagen: ein Film für beide. Der Reiz lag darin, diesmal die Kehrseite einer Liebe zu zeigen: das Sterben der Gefühle. Das Ende. Wer das Ergebnis sieht, erkennt, dass Winslet und DiCaprio zusammengehören wie Jack Lemmon und Walter Matthau, wie Elizabeth Taylor und Richard Burton, wie Ernie und Bert. "Zwischen Leo und mir gibt es keine Hemmungen", sagt Winslet. "Wir hatten beim Dreh nie Angst, uns anzuschreien, uns niederzumachen. Es gab keinen Gedanken, was der andere von einem denkt oder wie man wirkt." Die Menschen am Set, die bereits zuvor mit DiCaprio gearbeitet hatten, raunten ihr irgendwann zu: "Du bringst eine Seite an ihm hervor, die wir noch nie an ihm gesehen haben." Darüber lacht sie erfreut. Natürlich weiß sie das längst.

Was Winslet und DiCaprio in dem neuen Film "Zeiten des Aufruhrs" zeigen, haut einen aus dem Kinosessel. Es sind nicht nur die starken Szenen, wenn beispielsweise der Ehemann nach einem Seitensprung nach Hause kommt und sie dasteht, die Kinder im Arm, und für ihn "Happy Birthday" singt. Man braucht gar nicht erst in seine feuchten Augen zu gucken, um selbst zu empfinden, wie er sich in dem Moment fühlt. Was den Film ausmacht, ist die ungeheure Präsenz, mit der Winslet und DiCaprio ihre Rollen ausfüllen. Schon allein, wie DiCaprio als Frank Wheeler seinen Kopf hält, wenn die Schwere des Lebens ihn niederdrückt. Wie er sie anschreit und rumwütet, sie diabolisch anguckt, während Winslet als April immer mehr zusammensackt. Auf eine Weise wollen beide ihre Liebe retten, nicht emotional verhungern wie ihre Nachbarn, und dann scheitern sie trotzdem, an ihrer kleinbürgerlichen Umgebung und dem Irrglauben, Sicherheit sei wichtiger als das Abenteuer.

Bei diesem Film geht die Zuschauerin mit durch alle Anstrengungen zweier Liebender, die so viel Zwiespalt aushalten müssen. Man möchte an die mögliche Veränderung im Leben dieser zwei Menschen glauben, wünscht ihnen die Kraft, das Ruder noch herumzureißen, und stürzt mit ab, wenn sich jede Hoffnung zerschlägt. Wer einmal erlebt hat, wie eine große Liebe zu Ende geht, und weiß, wie viel Kraft das kostet, der wird erst recht schätzen können, wie glaubhaft die beiden das alles spielen. Man sieht ihnen die Strapazen während des Drehs schon auf der Leinwand an. "Danach fühlten wir uns, als hätten wir einen Autounfall hinter uns, bei dem sich das Auto fünfmal überschlagen hat", sagt Winslet.

Neben diesem Film wirkt "Titanic" mit dem romantischen Blick auf die Liebe fast wie ein Anfängerstück. In "Zeiten des Aufruhrs" sind sowohl die Geschichte als auch die Schauspieler wesentlich erwachsener, tiefgründiger, klüger. Rein äußerlich hat Winslet das Weiche und Runde verloren, man nimmt ihr ab, dass sie im Leben den Schmerz kennen gelernt hat. Und DiCaprio sieht endlich nicht mehr aus wie ein Internatsschüler, der sich am Wochenende auf Mama und Papa freut.

Noch viel entscheidender ist: Schauspielerisch sind Kate Winslet und Leonardo DiCaprio hier so gut wie nie zuvor. Sie wirken noch klarer und hingebungsvoller als früher. Es gibt keine Szene, bei der man als Zuschauer denkt: "Das hätten sie besser noch mal gedreht." Obwohl im Laufe ihrer Karriere beide mehrfach für den Oscar nominiert worden sind, scheint es, als ob sie einander gegenseitig bräuchten, um das Größte aus sich herauszuholen.

"Ich hatte bisher fünf Nominierungen", sagt Kate Winslet im Hinblick auf die nächste Oscar-Verleihung am 22. Februar. "Jetzt muss das Ding gerechterweise mal her!" In diesem Monat werden die Nominierungen bekannt gegeben. Dann steht fest, ob Winslet diesmal für "Zeiten des Aufruhrs" nominiert ist oder für die Literaturverfilmung "Der Vorleser", in dem sie eine ehemalige KZ-Aufseherin spielt. Wenn alles gut läuft, könnten Winslet und DiCaprio beide einen Oscar gewinnen. 1994 sagte DiCaprio einmal, nachdem er den Oscar nicht erhielt: "Gut. Mir wäre sicher etwas Peinliches passiert. Ich wäre gestolpert oder hätte geweint." Mittlerweile ist es für beide an der Zeit, die Trophäe überreicht zu bekommen. Es würde einen nicht wundern, wenn sie auch dies am selben Abend erlebten.

Text: Andrea Hacke Ein Artikel aus der BRIGITTE 02/09

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