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Olympia 2008: Chinas junge Patrioten

Teilen junge Chinesen die Kritik des Westens? BRIGITTE.de hat sich in Peking umgehört.

Mit einer gigantischen Eröffnungsfeier haben die Olympischen Spiele begonnen, die ersten Wettkämpfe gingen reibungslos perfekt organisiert über die Bühne. Doch so richtig können sich viele Menschen in Peking nicht über ihre Bilderbuch-Spiele freuen - denn die ausländische Presse bleibt kritisch. Beschränkte Internetzugänge, manipulierte TV-Bilder oder Panzer am Stadion - die Meldungen der letzten Tage waren wohl kaum im Sinne der Organisatoren. Aber auch Chinas Bildungselite reagiert zunehmend genervt auf den Medien-Beschuss. Katharina Hesse hat sie in Peking befragt.

Sarah Shen, Business Development Manager bei sohu.com, Chinas größtem Internet-Provider:

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"Die Pressefreiheit des Westens verletzt die Gefühle der Chinesen. Die westlichen Medien konzentrieren sich in ihrer China-Berichterstattung nur auf Negativberichte. Ich glaube, eigentlich geht es nur darum, dass der Westen versucht, China klein zu halten. Wir sind sehr mächtig geworden, und das gefällt dem Westen nicht. Aber letztlich seht ihr doch immer nur ein kleines Stück des Ganzen. Es ist so, als würden fünf blinde Männer einen Elefanten ertasten. Einer fühlt das Bein und sagt: der ist aber lang, ein anderer fühlt die Ohren und sagt: der ist rund! Die ganze Wahrheit kennt niemand."

Kelly Yao, Ende 20, hat Medizin studiert, arbeitet für eine Firma, die medizinische Geräte verkauft:

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"Aufgrund des Erziehungssystems müssen Chinesische Studenten non-stop büffeln und führen ein einfaches Leben auf dem Campus. Politik ist für sie kein großes Thema. Natürlich reagieren diese Studenten dann sehr emotional, wenn sie mit der politischen Realität konfrontiert werden. Im Westen werden junge Leute erzogen, individuell zu denken. Hier in China ist die Gruppe wichtig. Man denkt für sein Land. Viele Leute verstehen nicht, dass ein Sender wie CNN es wagt, die chinesische Regierung zu kritisieren. Sie wissen nicht, dass westliche Sender nicht nur China kritisieren, sondern auch andere Regierungen. Für mich ist es enttäuschend zu sehen, wie viele Webseiten und Blogs hier gesperrt sind. Wenn die Chinesischen Medien berichten, dass wir aus dem Ausland bedroht werden, warum dürfen wir uns dann nicht selbst davon überzeugen?"

Chen Jing, 21, studiert Journalistik:

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"Kritik aus den Medien ist eine ganz neue Ära in der Entwicklung Chinas, die wir begrüßen sollten, denn dieser Kulturschock hilft uns, uns auf die Zukunft vorzubereiten. Wir müssen herausfinden, wo China in der Welt steht. In dem Maße, wie das Bildungsniveau der Chinesen steigt, steigt auch der Anspruch an die Qualität der Medien, Die Pressefreiheit in unserem Land hat sich im Gegensatz zu früher etwas verbessert. Über manche Dinge kann man hier in der Presse nach wie vor nichts finden - vielleicht fürchtet die Regierung, dass Chinas Stabilität leidet, wenn die Presse hier über alles berichten darf. Ich hoffe, dass wir in der Zukunft mehr Gelegenheit haben uns mit dem Westen auszutauschen. Unsere Wirtschaft ist sehr stark, warum sollten wir auf anderen Bereichen nicht ebenfalls aufholen?"

Anonyme Studentin bei einer nationalistischen Demo:

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"Der Westen mischt sich immer in unsere Angelegenheiten ein. China entwickelt sich langsam, und wir Chinesen führen ein komfortables Leben. Aber ständig bekommen wir vom Westen zu hören, dass wir dies und das nicht haben, und dass die Entwicklung nicht schnell genug geht. Uns geht es gut. Lasst uns in Ruhe und kümmert Euch um Eure eigenen Angelegenheiten."

Ye Jianguang, Cartoonist und T-Shirt-Designer:

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"Das Olympiagerede geht mir ein bisschen auf die Nerven. Ich frage mich, ob es wirklich gut ist, die Olympischen Spiele, denen ein westliches Konzept zugrunde liegt, hier zu veranstalten. China müsste sich dem Westen anpassen, wenn es die Olympischen Spiele wirklich im Originalsinne austragen wollte."

Huang Donghua, 24, poetischer Patriot:

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"Wir haben für Frankreich im Worldcup applaudiert, Französisch ist die schönste Sprache der Welt. Wir kaufen Frankreichs Airbusse und Kraftwerk, aber seit wir das Free Tibet Banner in Paris sahen, wissen wir, dass Frankreich nicht mehr unser Freund ist. Tibet ist ein Teil Chinas so wie Korsika ein Teil Frankreichs ist. Lasst die Tibetische Flagge untergehen und die Olympische Fackel erstrahlen."

(Auszug aus einem seiner Gedichte, das er nach den Protesten in Paris während des Fackellaufs geschrieben hat)

Fotos und Interviews: Katharina Hesse

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