"Les Misérables" ist der Event-Film des Jahres. Vor der Kamera haben sich jede Menge bekannte Hollywood-Größen und hoffnungsvolle Nachwuchsschauspieler zusammengerottet. Ob die Aussicht auf Award-Nominierungen sie angelockt hat? Oder können Sie sich vorstellen, warum sonst sich Gladiator Russell Crowe freiwillig in eine Uniform zwängen würde, um 158 Minuten in eine Kamera zu trällern? Wir auch nicht.
Fest steht: Wer auf starbesetztes Hollywood-Kino steht, bekommt mit "Les Misérables" einiges geboten. Hugh Jackman und Russell Crowe stehen sich als guter Ex-Häftling Jean Valjean und böser Ex-Aufseher Javert gegenüber. Die Sympathien sind hier natürlich ganz klar verteilt, aber die Rolle des Bösewichts steht Crowe richtig gut. Anne Hathaway, übrigens ausgebildete Sopranistin, rührt als Prostituierte Fantine immerhin mit ihrer Darbietung von "I dreamed a dream" unser Herz. Ebenfalls mit von der Partie: Sacha Baron Cohen ("Borat") und Helena Bonham Carter als skurril-schmieriges Wirtshaus-Paar, Amanda Seyfried ("Mamma Mia") als Fantines unschuldige Tochter Cossette und Eddie Redmayne als Revoluzzer Marius. Für männliche und weibliche Augen gibt es also einiges zu gucken und zu schmachten.
Wer Musicals mag, wird "Les Misérables" lieben. Denn hier wird vor allem: gesungen, gesungen, gesungen. Nicht nur Lieder, auch gesprochene Sätze werden geträllert - glücklicherweise auf Englisch. Und die Musik ist wirklich schön. Im Vorfeld wurde viel über die Sangeskünste der Darsteller gelästert. Wen es nicht stört, dass in "Les Misérables" keine Profisänger spielen, wird es überleben. Und wer sein Kinoticket für ein Musical löst, bekommt für sein Geld ordentlich was geboten.
Sie stehen nicht so darauf, dass Schauspieler in Filmen singen? Dann machen Sie am besten einen großen Bogen um "Les Misérables". Denn dort wird gesungen, was das Ohr aushält. Und zwar auf Englisch: Bringen Sie also Ihre Lesebrille mit, wenn Ihr Englischunterricht schon länger zurückliegt und Sie nicht die allerbesten Augen haben - um der Handlung zu folgen, werden Sie die Untertitel brauchen.
Verfilmungen guter literarischer Werke können ganz schnell daneben gehen. Wenn Sie das Buch nicht gelesen haben, haben Sie auch nichts zu befürchten. Das gilt auch für "Les Misérables". Sollten Sie das Buch allerdings gelesen haben und glühender Fan dieses Werkes sein, sparen Sie sich die Verfilmung besser. Sonst sind Sie am Ende vermutlich enttäuscht.
Kaum ein Film wurde in jüngerer Vergangenheit so lange vor dem offiziellen Filmstart so stark beworben und gehypt. Mehr als 70 Nominierungen und 30 Awards hat "Les Misérables" auf internationalen Filmfestspielen schon bekommen. Nach bereits drei Golden Globes in den Kategorien "Bester Film", "Bester Hauptdarsteller in einem Musical oder einer Komödie" (Hugh Jackman) und "Beste Nebendarstellerin in einem Film" (Anne Hathaway) soll die Verleihung der Academy Awards am 24. Februar die Krönung werden: "Les Misérables" hat acht Oscar-Nominierungen erhalten. Können diese Nominierungen lügen? Nein. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.
Wo sind bloß die Zeiten hin, in denen Filme überschaubare 90 Minuten lang waren? Wenn Sie eine schwache Blase haben, sollten Sie sich gut überlegen, ob Sie "Les Misérables" unbedingt im Kino sehen wollen. Oder Sie fragen vorher nach, ob der Film mit Pause gezeigt wird. Natürlich macht der Film auf großer Leinwand mehr her - aber die 158 Minuten können sich schnell länger als zweieinhalb Stunden anfühlen.