Anzeige

Florian David Fitz: "Glück? Wird überschätzt"

Den Schauspieler Florian David Fitz finden alle toll. Weil er so gut aussieht und fantastische Filme macht. Aber was wissen wir wirklich über ihn? Eine Begegnung mit Deutschlands neuem Multitalent

Es ist nicht ganz einfach, ein Mann zu sein. Zumindest dann, wenn man Florian David Fitz gegenübersitzt. Denn egal, in welcher Kategorie man sich mit ihm vergleicht: Man kann nicht gewinnen. Du kannst singen, Mann? Glückwunsch. Dann schau mal auf Youtube Fitz' Auftritt bei "Inas Nacht" an und üb schön weiter. Du kannst Klavier spielen? Toll! Auch unter dem Piano liegend, blind mit überkreuzten Händen? Kann der Fitz nämlich. Du findest, du siehst gut aus? Stell dich hinten an, Meister. Denn Fitz ist nach dem Vorbild griechischer Götter geschnitzt worden. Der Mann weiß nicht mal, wie man das Wort Makel schreibt. Selbst diese kleine Narbe auf der Nase, die er sich mit 15 beim Sturz durch eine Glastür zugezogen hat, wirkt seltsam perfekt bei ihm. Es passt ins Bild, dass er auch noch irrsinnig nett ist. Und fröhlich und klug über seine Arbeit spricht.

Davon hat Florian David Fitz, 37, reichlich, kaum ein deutscher Schauspieler hat zuletzt so viel gearbeitet und dabei an Profil gewonnen wie er. In zwei Kinofilmen ist er bis Weihnachten zu sehen: Seit ein paar Tagen in "Die Vermessung der Welt". Und ab dem 20. Dezember spielt er in "Jesus Loves Me", für den er auch das Drehbuch geschrieben und Regie geführt hat, den Heiland persönlich. Ein bisschen Lampenfieber hatte er schon vor seinem Regiedebüt. Angst sogar, vor Schauspielgrößen wie Henry Hübchen und Hannelore Elsner, denen er, der Frischling, auf einmal Anweisungen geben sollte. Das fühlte sich komisch an. "Aber ich habe schnell gemerkt: Die vertrauen mir", sagt Fitz.

Ein Biergarten am Viktoriapark in Berlin-Kreuzberg. Es ist einer der letzten schönen Tage des Jahres, Mittagszeit, aber Hunger hat Florian David Fitz nicht. Bloß Wasser bitte, still. Am Nebentisch sind zwei junge Mütter im Aufbruch begriffen, ihre sehr kleinen Babys in den Armen, sie blicken verstohlen herüber, beginnen ihr Gespräch von vorn und setzen sich doch wieder hin. Fitz macht so was mit den Frauen. "Der Bekanntheitsstatus ist eine Herausforderung für mich", sagt er, "ich bin froh, dass ich schon Mitte 30 war, als der in mein Leben getreten ist." Er erzählt von Lisa Fitz, der Kabarettistin, eine Cousine zweiten Grades. "Die hat mal zu mir gesagt: Die Bekanntheit gibt und nimmt dir etwas. So einfach kann man es auf den Punkt bringen." Nach dem Abi ging Fitz 1994 in die USA. Am Boston Conservatory studierte er vier Jahre lang Schauspiel und Gesang, blieb danach noch ein Jahr in New York, arbeitete als Kellner. Er hat gar nicht erst versucht, als Schauspieler in den USA Fuß zu fassen "Ich wusste ja, dass ich wieder nach Deutschland kommen wollte." 1999 tauchte Fitz erstmals im Fernsehen auf, eine Nebenrolle in "Der Bulle von Tölz". Danach rutschte er irgendwie mit: hier mal eine Pilcher-Schmonzette, dort eine Rolle in "Soko 5113", reichlich TV-Filme namens "Mädchen, Mädchen" oder "Die Liebe hat Vorfahrt". Aber Mitte 2008 kam Schwung in seine Karriere. Damals gab er in der saukomischen und trotzdem intelligenten Arztserie "Doctor's Diary" den Mediziner Marc Meier - schnöselig, verletzend, extrem lustig. Und abgründig. Wer die RTL-Serie kannte, hat sie geliebt.

image

Sie machte den Münchner auch für das Kino interessant. "Für ‚Männerherzen' musste ich trotzdem mehrfach zum Casting", sagt Fitz. "Der Kinomarkt ist nämlich ein ganz anderer als der Fernsehmarkt. Da wird genau hingeguckt und gefragt: Bringt der mir Leute ins Kino?" Heute wissen wir: Er bringt. Mehr als eine Million Zuschauer sahen vor zwei Jahren "Vincent will Meer", einen Film über einen jungen Mann mit Tourette-Syndrom, für den Fitz erstmals ein Drehbuch schrieb. Er bekam den Deutschen Filmpreis. Für das Buch. Und für seinen Vincent. Er hatte sich reingekniet in diese Rolle, die er sich selbst auf den Leib geschrieben hatte. Mit all seinem Perfektionismus, der ihn manchmal auch belastet, wenn er sich selbst nicht genügt. Aber viel wichtiger: Er muss spüren, was er tut. "Wenn man an eine Rolle geht, muss man ja seine Seele mitnehmen", sagt er, "da wundert man sich, was man alles vorstellen kann. Wir haben erstaunlich viele Möglichkeiten in uns. Und nicht nur solche, die uns gefallen." Und nun: Carl Friedrich Gauß. Detlev Buck hat "Die Vermessung der Welt" verfilmt. Und Fitz die Rolle des brillanten, unglücklichen Mathematikers gegeben. Wie Fitz dessen Wesen durchleuchtet, ist atemberaubend. Er hat ihn begriffen: als einen, der seiner Zeit voraus war und deshalb nicht verstanden wurde.

Ich war ein Kind, das alles in Frage gestellt hat, das war sehr anstrengend für meine Eltern.

"Aber er will so gern verstanden werden!", sagt Fitz. "So einen muss man bei seiner Einsamkeit packen." Er kann gut nachempfinden, wie es dem Gauß gegangen sein mag. Er war auf seine Weise einsam, als Kind. Zwar hatte er einen guten Freund, Sebastian, mit dem er Nachmittage lang Legosteine ineinandersteckte; aber die meiste Zeit versteckte er sich hinter Büchern. Und er sah seltsam aus - er hatte eine Sehschwäche, ein Brillenglas musste zugeklebt werden. "Bei den Pfadfindern habe ich viel auf die Mütze bekommen", sagt er, "aber ich habe damals den Ehrgeiz entwickelt, mich durchzubeißen. Irgendwann, mit etwa 13 Jahren, konnte ich mich wehren." Ein "Mama-Kind" sei er gewesen, mit seinem Vater war es schwieriger, "mein Vater hat extrem viel gearbeitet und war sehr unter Druck". Aber die Distanz zwischen den beiden ist mit der Zeit kleiner geworden. "Ich war ein Kind, das alles in Frage gestellt hat, das war sehr anstrengend für meine Eltern. Mein Vater sagte dann immer: Ich bin der Ältere, ich muss mich nicht mehr ändern. Aber er hat sich später geändert, von sich aus. Und das finde ich super, das nehme ich mir zum Vorbild." Er lebt noch immer in München, ist immer noch mit Sebastian befreundet, und er sieht seine Eltern häufig. Er bewundert und beneidet sie um die Klarheit in ihrem Leben. "Meine Eltern hatten immer ein klares Weltbild und feste Wertvorstellungen, das finde ich super. Wenn jemand geht oder stirbt, wenn sich etwas verändert, dann hat diese Generation Rituale und Traditionen, um damit klarzukommen.

Eines der Babys am Nebentisch wimmert leise. Fitz lächelt hinüber. "Wie alt ist es denn?", fragt er mit echtem Interesse, "ist doch ganz frisch geschlüpft, oder?" Sechs Wochen, antwortet die Mutter und erzählt ein bisschen von dem neuen, schönen, aussaugenden Leben mit Kind. Ob er sich auch Kinder wünsche? "Die biologische Bereitschaft dafür ist definitiv da", sagt Fitz, "seit sieben Jahren reagiere ich anders auf Kinder. Mit Nestbautrieb." Ob es jemanden gibt, mit dem er sein Leben und die biologische Bereitschaft teilt? Es lohnt nicht, danach zu fragen. Zu seinem Beziehungsstatus gibt Fitz grundsätzlich keine Auskünfte. Er gilt als Dauersingle, ausgerechnet der Frauenschwarm schlechthin, aber belegt ist das nicht. Bei all seiner aufgeräumten Freundlichkeit wahrt Fitz eine unüberbrückbare Distanz. Glück? Wird überschätzt, sagt er, "Zufriedenheit ist viel wichtiger." Und der Liebe wird auch zu viel Bedeutung beigemessen: "Die arme Liebe wird zu Tode gequatscht. Sie ist so ein bisschen ein Lückenfüller für leere Magazinseiten geworden. Es gibt so viele sinnliche, erfüllende Erlebnisse, auf denen nicht ‚Liebe' draufsteht." Er zum Beispiel sei gerade in den Bergen gewesen. "Wenn man dann nach einer Wanderung in einen Wasserfall springt, dann hat das nichts mit dem Kopf zu tun. Das ist etwas für die Seele, für das Herz."

Florian David Fitz: "Glück? Wird überschätzt"
© Imago/Fabian Matzerath

Es steckt viel von seiner Seele in "Jesus Loves Me", nach einem Buch von David Safier. Ein Film, in dem Jesus an einem Donnerstag auf die Erde hinabsteigt, um die Menschen neu kennen zu lernen - und das Jüngste Gericht vorzubereiten. Den Weltuntergang hat der Herr nämlich für den darauffolgenden Dienstag angesetzt. Doch unten angekommen, verliebt sich die chaotische Marie (Jessica Schwarz) in ihn, auch Jesus findet Gefallen an ihr. Der Erzengel Gabriel und der Teufel, auch auf Erden weilend, haben ihre eigenen Interessen, was einen gewissen Einfluss auf die ordnungsgemäße Durchführung der Apokalypse hat. Ja, es ist eine Komödie - aber Fitz hat ihr eine tiefere Dimension gegeben. "Wenn ich Jesus an meiner Seite habe oder plötzlich Gott gegenübersitze, dann habe ich doch ein paar Fragen", sagt er, "zum Beispiel: Was soll das alles hier? Was will er von uns? Warum lässt er bestimmte Sachen zu? Für mich geht es ums Erwachsenwerden und auch ums Loslassen.

Liebe bedeutet ja nicht nur, jemanden einfach nur haben zu wollen. Marie will Jesus. Wir alle möchten irgendjemanden haben. Wie Kinder. Im Film heißt es: Liebe ist ein Haus mit vielen Zimmern. Man muss ja nicht im Flur stehen bleiben." Er wird leidenschaftlich bei diesem kleinen Monolog, und man weiß nicht so recht: Redet er immer noch über seinen Film? Oder doch über sich und die Fallstricke der Liebe, über die er gestolpert ist? Die Antwort bleibt er schuldig - zu persönlich, findet er. Die Arbeit an "Jesus Loves Me" war seine Feuerprobe. Zum ersten Mal hörten dutzende von Menschen auf ihn und warteten auf seine Entscheidungen. "Ich hatte keine Chance, müde zu werden", sagt er und grinst. "Zuviel wurde mir das nie. Im Gegenteil. Ich habe festgestellt: Das liegt mir." Stressresistent ist der Mann also auch noch. Man sollte wirklich gar nicht erst versuchen, mit ihm mithalten zu wollen.

Text: Stephan Bartels Foto: Urban Zintel

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel