Anzeige

Knigge: Richtig benehmen in der Kirche

Wer nicht regelmäßig in die Kirche geht, fühlt sich dort oft unsicher. Verstohlen imitiert man die Bewegungen der anderen Besucher, brummt halblaut die unbekannten Lieder mit und betet vor allem darum, jetzt bloß nicht peinlich aufzufallen. Die wichtigsten Stilregeln von A bis Z.

Wir haben den Pfarrer Johannes Pricker von der katholischen St. Antonius-Gemeinde in Hamburg gefragt, welche Benimmregeln es in der Kirche zu beachten gilt, und sie in alphabetischer Reihenfolge zusammengestellt. Unser Tipp: Lesen Sie sie durch - und entspannen Sie sich! Denn es ist nicht schwer, sich in der Kirche angemessen zu benehmen.

Altarraum: Im Allgemeinen sind Kirchen ja sehr gastfreundlich. Treten Sie ein, hier ist die Orgel, dort der Turm, Kerzen gibt's da drüben. Doch eines sehen Gemeindemitglieder gar nicht gern: Wenn Touristen einfach so in den Altarraum spazieren. Denn dieser Bereich gilt als besonders ehrwürdig, oft ist er deshalb mit einer Kordel abgesperrt. Hier hält der Pfarrer den Gottesdienst, und in einigen katholischen Kirchen steht hier ein Schränkchen namens "Tabernakel", der das Allerheiligste enthält: den Leib Christi in Form einer Hostie. Also bewahren Sie Distanz.

Beten: Ansprache Gottes, für viele Menschen der Grund, in die Kirche zu gehen. Auf welche Art gebetet wird, bleibt jedem persönlich überlassen. Die übliche Gebets-Haltung sind die gefalteten Hände (ein Zeichen des "sich Sammelns"). Sie können sie aber auch ineinander legen oder vor das Gesicht halten. Auch Ihre Entscheidung: ob Sie gemeinsam mit anderen oder lieber alleine beten. Und wenn Sie im Gottesdienst nicht in das Vaterunser einstimmen, ist das ebenfalls in Ordnung. Hauptsache, Sie lassen anderen Betenden ihre Ruhe.

Cola: Sollte genauso wie Eistüten, Pommes und Kaugummi draußen bleiben. Speisen und Getränke gibt es in der Kirche nur nach dem Gottesdienst.

Dackel: Hat nichts in der Kirche zu suchen, genauso wenig wie andere Hunde oder Haustiere.

Fotografieren: Ist in den meisten Kirchen erlaubt, nur während eines Gottesdienstes sollten Sie darauf verzichten, um die Gemeinde nicht zu stören. Bei Hochzeiten machen viele Pfarrer eine Ausnahme, sprechen Sie das aber auf jeden Fall vorher ab.

Geld: Für den örtlichen Kindergarten oder die Straßenkinder in Brasilien - in der Kirche wird regelmäßig für besondere Projekte Geld gesammelt. Diese Kollekte findet meistens nach an einem Gottesdienst statt und ist vollkommen freiwillig. Es wird Sie also niemand für einen schlechten Menschen halten, wenn Sie nichts spenden. Peinlich ist es hingegen, wenn Sie im Klingelbeutel nach Wechselgeld kramen. Denken Sie also daran, vor dem Kirchgang Kleingeld einzustecken.

Haut: Wird in der Kirche nicht gern gesehen, jedenfalls nicht zuviel davon. Zwar ist die Kleiderordnung in den meisten deutschen Kirchen nicht mehr so streng wie zum Beispiel in Italien - dort stehen vor manchen Kirchen Schilder mit Anweisungen zu Rock- und Ärmellänge. Doch wenn Sie sicher gehen wollen, verzichten Sie auf ärmellose Oberteile, tiefe Dekolletés und Miniröcke. Tipp: Nehmen Sie an sommerlichen Tagen eine Strickjacke mit, dann können Sie auch das Neckholdertop anbehalten.

Kinder: Kennen Sie ein Kind, das gerne stundenlang auf harten Bänken sitzt und Erwachsenen beim Reden zuhört? Wir auch nicht. Darum wird sich sicher niemand daran stören, wenn die Kleinen ein bisschen quengeln oder herumlaufen. Erklären Sie Kindern dennoch vor dem Besuch einer Kirche, dass es sich hierbei nicht um einen Spielplatz handelt. Stecken Sie ein paar Bilderbücher ein, mit denen sie sich ruhig beschäftigen können. Viele Kirchen bieten sonntags auch in einem Nebenraum einen speziellen Kindergottesdienst an. Und wenn Ihr Kind trotzdem alles zum Heulen findet, können Sie jederzeit mit ihm raus gehen.

Lieder: Für viele ist das Singen der schönste Teil des Gottesdienstes, andere kriegen schon beim Anblick des kleinen roten Büchleins schlechte Laune. Es zwingt sie natürlich keiner, die Kirchenlieder mitzusingen, und Sie müssen auch nicht so tun als ob, indem Sie den Mund auf und zu klappen. Aber lassen Sie den anderen ihre Freude und rollen Sie nicht mit den Augen - und wenn die Nachbarin noch so schief singt.

Mützen: Auch wenn Ihr Sohn die Baseballkappe sonst nur zum Schlafen absetzt - in der Kirche haben Männer die Kopfbedeckung abzunehmen. Frauen hingegen können ihre Hüte aufbehalten.

Nachahmen: Die sicherste Taktik, um in der Kirche nicht peinlich aufzufallen. Aber verkrampfen Sie sich nicht dabei: Es ist vollkommen in Ordnung, wenn Sie sich nicht jedes Mal wie die anderen hinknien, hinsetzen, aufstehen, wieder hinknien ...

Oblate: Brotstücke, die beim Abendmahl die Gegenwart Gottes vergegenwärtigen sollen. Auch hier gilt: Wenn Sie Hemmungen haben, das Gebäck in den Mund zu nehmen, lassen Sie es. Auf keinen Fall sollten Sie sich in der Kirche verstellen. Im Gegenteil: Für Gläubige haben die Rituale eine wichtige Bedeutung, und darum könnten sie es als Affront auffassen, wenn Sie diese nur zur Schau mitmachen.

Quatschen: Die Kirche ist ein Ort der Stille und der Besinnung. Unterhalten Sie sich also möglichst gedämpft und stellen Sie auf jeden Fall Ihr Handy aus, wenn Sie den Kölner Dom oder die Sacré Coeur besichtigen. Während des Gottesdienstes ist Tuscheln mit dem Nachbarn tabu.

Respekt: Wichtigste Regel für das Verhalten in der Kirche. Und nicht nur dort.

Sitzreihen: Falls Sie sich unbedingt durch eine vollbesetzte Sitzreihe drängeln müssen: Im Gegensatz zum Kino oder Theater wendet man den Sitzenden in der Kirche den Rücken zu. Denn das Gesicht sollte immer zum Altar gewandt sein.

Taschentücher: In der Kirche weiß man nie, wann einen die Rührung überkommt. Nehmen Sie also ruhig einen kleinen Vorrat mit. Und wenn die Nase läuft, schnäuzen Sie sich! Das stört weniger als endloses Schniefen.

Uhr: Wichtiges Utensil, um Zuspätkommen zu vermeiden (siehe auch >Sitzreihen). Planen Sie vor einem Gottesdienst immer ein bisschen Zeit ein, um noch mal auf die Toilette zu gehen, um sich mit anderen Besuchern zu unterhalten oder um sich zu sammeln und den Alltagsstress abfallen zu lassen.

Verwandte, nächste: Sitzen bei Hochzeiten, Taufen oder Trauergottesdiensten immer vorne in der ersten Reihe.

Weihwasser: Erinnert an die Taufe und befindet sich in einem Behälter am Eingang katholischer Kirchen. Gläubige tauchen für gewöhnlich Daumen und Zeigefinger hinein und bekreuzigen sich damit. Wenn Sie nicht katholisch sind, müssen Sie das natürlich nicht machen. Keinesfalls sollten Sie das Wasser aber missbrauchen, etwa um sich zu erfrischen oder anderen Schabernack zu treiben.

Zuflucht: Egal, ob Sie an Liebeskummer leiden oder einfach nur nachdenken wollen - in der Kirche sind Sie immer willkommen und können sichergehen, dass man Sie in Ruhe lässt. Zumindest, wenn sich die anderen Besucher an die obigen Regeln halten.

Text: Michèle Rothenberg Fotos: Clipart

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel