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Ina Müller: "Der Bolero ist ein Sex-No-go"

Nach dem großen Erfolg ihres letzten Albums legt Ina Müller mit neuen gereiften Songs nach. Im Interview spricht sie über geltungssüchtige Menschen, junge Männer, reife Frauen und welche Musik bei der Erotik gar nicht geht.

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BRIGITTE.de: Frau Müller, ist das für Sie eigentlich Arbeit, womit Sie Ihr Geld verdienen?

Ina Müller: Es ist ein großes Glück. Ich rufe tatsächlich jeden Morgen im Bett ein dreifaches Halleluja gen Himmel aus Dankbarkeit, weil ich es überwiegend nicht als Arbeit empfinde. Ich kann kreativ sein, Musik machen - und das ist für mich viel, viel toller als die meisten anderen Sachen. Immerhin habe ich einige Jahre klassisch von 9 bis 18 Uhr gearbeitet, da kam es nicht so sehr auf Kreativität an - sondern mehr auf simples Funktionieren. Ich weiß mein Glück zu schätzen. Sollte man tatsächlich nach dem Tod wiedergeboren werden, hätte ich Angst: Es könnte nur schlechter werden.

BRIGITTE.de: Sie sind an einem interessanten Punkt in Ihrer Karriere. In den vergangenen Jahren sind Sie immer bekannter geworden, schon lange kein Geheimtipp mehr, werden sogar für die "Wetten, dass..."-Nachfolge ins Gespräch gebracht. Was ist das für ein Lebensgefühl?

Ina Müller: Ich empfinde mich selbst nicht als Star. Der schleichende Übergang von Underdog zu ein bisschen bekannt, bis hin zu bekannter hat mich nicht traumatisiert. Ich kann ungestört durch Hamburg laufen. Beeinträchtigt bin ich nicht. Ich renne sonntags immer noch, wenn alle um die Alster rennen, auch um die Alster - und werde selten angesprochen. Wohl auch, weil ich viel zu schnell vorbei laufe. Im Ernst: Ich fühle mich extrem wohl mit meinem Status, ich habe mich da reingegroovt. Es ist kein Ober-A-Promi-Status, der sicher sehr schwierig ist.

BRIGITTE.de: Ein Song auf dem neuen Album, "Paparazzi", beschreibt das Gefühl, dass stets beobachtet und beachtet zu werden, auch eine Sucht sein kann.

Ina Müller: Der Song widmet sich einer ganz bestimmten Art von Promi- oder Möchtegern-Promitypen. Als der Kachelmann verhaftet wurde, schoss zum Beispiel eine Indira nach vorn und zeigte der Klatschpresse ihre SMS vom Wettermann. Dann erklärte sie der Welt, wie der Mann wirklich ist. Ein solches Verhalten von öffentlichkeitssüchtigen Menschen empfinde ich als sehr scheußlich. Es gibt Menschen, die wirklich alles tun, um in der Presse stattzufinden. Das prangere ich an. So ist die Idee zu diesem Lied entstanden. Mit mir selbst hat das wenig zu tun.

BRIGITTE.de: Ihr neues Album klingt noch reflektierter als "Liebe Macht Taub". Und auch nicht mehr so verspielt. Spiegelt das Ihre momentane Lebensphase wider?

Ina Müller: Ich bin ja auch wieder reifer geworden, so ist das Album auch ein bisschen reifer und dicker im Sound als das vorige. Und: Ja, es spiegelt die letzten drei Jahre wider. Natürlich ist einiges passiert seitdem. Die Songs handeln von meiner Single-Phase, von all den Erfahrungen, bestimmte Situationen wie starkes Verliebtsein oder Liebeskummer, von Menschen, die ich in der Zeit kennengelernt habe. Sie handeln auch von einigen, die ich nicht mehr sehe, aber die am Ende des Tages ihr Lied bekommen.

BRIGITTE.de: Sie müssen nicht zum Therapeuten, Sie reden mit Ihrem Songschreiber Frank Ramond?

Ina Müller: Ich war in der Tat noch nie beim Therapeuten. Das Texten hilft schon über vieles hinweg. Wenn ich auf der Bühne stehe, erzähle ich auch zwischen den Songs etwas: das hilft mir dann auch noch.

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BRIGITTE.de: Texten Sie alles gemeinsam mit Ramond?

Ina Müller: Wir fahren eine Woche weg, sitzen täglich zehn Stunden zusammen, und ich erzähle ganz viel über mein Leben. Songs wie 'Pottkarsten' oder 'Handtaschen' entstehen tagsüber. und Liebeslieder, wenn Alkohol mit im Spiel ist. Dann löst sich meine Zunge natürlich. Ich selbst habe lange Kabarett gemacht, also Themenideen habe ich genug. Ich bin eine Männerversteherin, und Frank ist ein Frauenversteher - und er kann diese Verbindung einfach genial in Worte fassen.

BRIGITTE.de: Sie sind eine wirkliche Männerversteherin. Sie singen von Angst einflößenden Pilotinnen und Chirurginnen: "Gleichberechtigung schön und gut, aber nicht mit mir." Meinen Sie das ernst? Sind Frauen zu emotional und damit unzuverlässiger als Männer?

Ina Müller: Ich kenne mich doch selber. Es gibt doch diese Tage, da sind wir hormongesteuert und schlecht drauf. Wir sind dann so, dass ich eben lieber keine Frau am Steuer eines Flugzeuges haben möchte, die auch so drauf ist. Natürlich ist das alles ein bisschen überspitzt formuliert.

BRIGITTE.de: Was ist mit Gleichberechtigung innerhalb einer Beziehung. Einige Ihrer Songs handeln von emotionalem Ungleichgewicht. Geht das? Partnerschaften, in denen einer mehr liebt als der andere?

Ina Müller: In einer Beziehung liebt doch meistens einer mehr als der andere. Ich habe das selten anders erlebt. Es kann aber trotzdem toll sein. Es stimmt ja nie immer alles. Wenn man selbst derjenige ist, der zu sehr liebt und fast verrückt wird, ist es natürlich hart. Denn da ist jemand, den man nicht voll und ganz, mit Haut und Haaren kriegen kann. Das muss man erstmal wegstecken.

BRIGITTE.de: Und heute?

Ina Müller: Das ist ja das Schöne am Älterwerden. Die ganzen Erfahrungen, die ich gesammelt habe, rentieren sich eben irgendwann. Auch wenn ich auf das eine oder andere Erlebnis hätte verzichten können. Wenn wir älter werden, werden wir gelassener und wissen besser, was wir von einer Beziehung erwarten.

BRIGITTE.de: Wie bleibt der Sex in einer langjährigen Beziehung spannend? Ist Fremdgehen - vielleicht auch nur in der Phantasie - eine Lösung?

Ina Müller: Der Motor für sexuelle Anziehung ist doch Neugier. Ich singe 'Fremdgehen' auch mit einem Lachen und leicht ironisch. Es geht darum, dass man sich immer wieder neu kennenlernen möchte, um dieses Kribbeln zurück zu bekommen. Richtige Rollenspiele allerdings liegen mir nicht. Ich könnte - wohl auch wegen meiner kabarettistischen Einflüsse - damit nicht ernst umgehen. Aber mit einem Treffen in einem billigen Hotel könnte sich vielleicht ein spannendes Spiel ergeben. Naja, ich singe nur drüber und müsste sofort laut loslachen, wenn mir ein Mann mit Latexuniform käme.

BRIGITTE.de: Musik und Erotik?

Ina Müller: Es gibt musikalische No-gos beim Sex. Der Bolero zum Beispiel ist das Allerletzte. Dicht gefolgt von Barry White. Es muss nicht immer Soul-Musik, viel Saxophon oder gar Jazz sein. Tom Jones, der vermeintlich geile Hecht, geht auch gar nicht. Ich habe schon häufiger angeregt, mal eine CD mit guter Sex-Musik zu machen. Eine Compilation 'Schöner poppen mit Ina' könnte ich mir gut vorstellen. (Lacht.)

BRIGITTE.de: Und was wäre da drauf?

Ina Müller: Al Green zum Beispiel. Jedenfalls nicht Oasis. Ich witzel im Song 'Britpopp' über einen Mann, der seiner Jugend hinterher weint, und der ein Foto rausholt und seine große Liebe Britt zeigt - und immer noch Oasis hört, wenn er Britt poppt.

BRIGITTE.de: Immer Oasis beim Sex?

Ina Müller: Auf gar keinen Fall. Außerdem mache ich mich ein bisschen lustig über diese Jungs, die in den 90ern mal so hip waren, es aber verpasst haben zu bemerken, dass Britpop nicht mehr der musikalische Nabel der Welt ist.

BRIGITTE.de: Der Song 'Mit Mitte 20' handelt von jungen Männern, die 'noch nicht ranzig' sind. Sind die süßer als die Ü-40-Jährigen?

Ina Müller: Es gibt süße und hässliche junge Männer - ebenso wie es süße und hässliche alte Männer gibt. Das kann man natürlich nicht pauschalisieren, und ich bevorzuge auch keine Kategorie. Es muss nicht der junge, der mittelalte oder ein älterer Mann sein. Sexy finde ich Männer, die selbstbewusst sind ohne diese übertriebene Macho-Pavian-Männlichkeit. Männer die ausstrahlen, dass sie glücklich sind. Und wenn sie dann noch ein Talent haben, das mich beeindruckt ... Ach, ich muss halt einfach verliebt sein! Das Alter ist dann egal. (Lacht.)

BRIGITTE.de: Sie sind genervt von den Fragen nach Ihrem 17 Jahre jüngeren Freund?

Ina Müller: Aus dem Alter bin ich raus, schnell genervt zu sein. Das blocke ich freundlich ab. Und: Muss man sich heute wirklich noch wegen eines jüngeren Mannes erklären?

Info

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Am 18.02.2011 erscheint das neue Ina-Müller-Album mit dem Titel "Das wär dein Lied gewesen". Die Allround-Künstlerin hat Gold und Platin mit ihren Alben erreicht, Auszeichnungen wie den "Deutschen Fernsehpreis", "Deutscher Comedypreis" und den "Grimme Preis" für Ihre Latenight-Show "Inas Nacht" erhalten. Die 45-Jährige singt für ihr drittes hochdeutsches Album über die verschiedensten Phasen des Lebens und der Liebe. 13 Songs über 13 Männer und Frauen, die in ihrem Leben eine Rolle spielen oder spielten. Ob in "Fremdgehen", "Mit Mitte 20" oder "Pottkarsten" - jeder bekommt sein Lied.

Fotos: Mathias Bothor. Interview: Silja Schriever

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