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Hunger nach Leben

Natalia Wörner ist schön, klug, selbstbewusst und reich an Lebenserfahrung. Vor einer Kamera läuft sie zur Hochform auf. Das beweist die Schauspielerin in einem opulenten Fernsehfilm und auch, wenn sie für BRIGITTE die neuen Anzüge trägt.

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BRIGITTE: Schleswig-Holstein, Hamburg, Paris, New York - das sind die Schauplätze des TV-Zweiteilers "Der Seerosenteich", in dem Sie die Hauptrolle spielten - die Rolle der Modemacherin Isabelle Corthen. Waren das auch Ihre Lebensstationen?

Natalia Wörner: Außer Schleswig-Holstein eigentlich alle, lustigerweise. Wenn ich es von hinten aufrolle: Ich habe zehn Jahre in Hamburg gelebt, ich habe in Paris gelebt ...

BRIGITTE: ...in der Zeit, als Sie als Model arbeiteten?

Natalia Wörner: Ja. Und später dann für vier Monate noch mal, als ich mit Gérard Depardieu "La Machine" gedreht habe. Na ja, und in New York war ich immer wieder, auch zur Schauspielschulzeit. Insofern waren die Drehorte für diese Produktion schon spannend: Man kommt an Orte zurück, wo man sich selbst mal ins Leben entlassen hat.

BRIGITTE: Was hat Sie sonst noch an dem TV-Projekt gereizt?

Natalia Wörner: Erst einmal die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Johannes Fabrick, mit dem ich ja schon andere Filme gedreht habe. Wir haben immer wieder einen neugierigen Blick aufeinander. Ich wusste, dass Johannes, der ja auch das Drehbuch geschrieben hat, aus der Romanvorlage von Christian Pfannenschmidt einen Stoff destillieren wird, der sich auf die Biografie einer Frau einlässt.

BRIGITTE: Die Frauenfigur, die Sie verkörpern, ist am Anfang 18, am Schluss 44 Jahre ...

Natalia Wörner: ... ja, das ist ein Leckerbissen für jede Schauspielerin, so etwas zu spielen. Nach vorn zu gucken und zurückzugucken. Da sagt man "Ey", das ist 'ne Rolle, die gibt's ganz selten. Außerdem konnte ich dem Ganzen noch ein Stück meiner eigenen Geschichte einflöten - insofern war das ein Superangebot.

BRIGITTE: Vorlage für die Figur sei, so munkelt man, Jil Sander. Ihr Leben, ihre Karriere. Ist da was dran?

Natalia Wörner: Eigentlich müssten Sie das den Autor fragen. International gesehen gibt es auf jeden Fall viele Vorbilder, die in der Modebranche quasi eine Karriere vom Tellerwäscher zum Millionär gemacht haben. Jil Sander hat eine ganz andere Biografie: Sie war Moderedakteurin bei einer Frauenzeitschrift und hat nicht, wie Isabelle Corthen, als kleiner Lehrling in einem Modeatelier angefangen, bei Puppe Mandel ...

BRIGITTE: ... einer älteren Modeschöpferin ...

Natalia Wörner: ... dargestellt von Hannelore Elsner, die die junge Isabelle Corthen in einer unglaublich erotischen Szene küsst. Klar, irgendwie hat die Geschichte auch was mit Jil Sander zu tun. Alle guten Geschichten haben was mit dem wirklichen Leben zu tun: Da hat jemand den Mut, mit seiner Kreativität in der Modewelt ein Signal zu setzen, spielt eine Vorreiterrolle, erfindet etwas Neues, das streng und puristisch im Ausdruck ist. Und scheitert erst einmal mit der Idee, aus Barockem etwas Schlankes zu machen.

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BRIGITTE: Nicht alles verraten, sonst drückt das womöglich noch auf die Einschaltquote!

Natalia Wörner: Grauenvoll, wie sich diese Diskussion um die Einschaltquote verselbständigt hat auf eine Ebene, wo man sich radikal davon befreien muss. Und einen Film einen Film sein lässt und sich über eine gute Quote freut und eine schlechte hinnimmt. Aber sie ist eben nicht egal, die Einschaltquote. Nicht für die Produzenten, nicht für die Regisseure und leider Gottes auch nicht für die Schauspieler. Sogar die fangen untereinander an, über die Quoten zu reden, als ob das zwangsläufig etwas über die eigene Qualität aussagen müsste. Das tut es wirklich nicht.

BRIGITTE: Sie gingen gleich nach dem Abitur als Model nach Paris?

Natalia Wörner: Ja. Ich wusste zwar instinktiv, was ich wollte, nämlich Schauspielerin werden, wusste aber nicht, wie ich das machen sollte.

BRIGITTE: Erst mal nichts wie weg aus Ihrer Heimatstadt Stuttgart?

Natalia Wörner: Für mich war die Idee, mich in die Welt zu werfen, die absolut verlockendste.

BRIGITTE: Modeln als Mittel zum Zweck, um Geld zu verdienen?

Natalia Wörner: Mein Ziel stand fest: New York. Dort wollte ich am Lee Strasberg Actor's Studio Schauspielunterricht nehmen, und genau das habe ich auch getan.

BRIGITTE: Warum haben Sie nicht die übliche Prozedur durchlaufen, den harten Weg in Deutschland? Bewerbung an einer staatlichen Schauspielschule in München, Hamburg oder Berlin. Mal bis in die vorletzte Runde, mal bis in die letzte, eine Absage nach der anderen, und irgendwann klappt's endlich?

Natalia Wörner: Ich weiß nicht, ob der härtere Weg der ist, der vor der eigenen Haustür stattfindet, in der eigenen Sprache. Ich jedenfalls wollte auf diese Schule. Nachträglich ein Traum, der von mir überromantisiert wurde. Diese Schule wird komplett überschätzt.

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BRIGITTE: Was sagte Ihre Mutter zu Ihren Plänen?

Natalia Wörner: Meine Mutter ist Lehrerin und sehr auf Sicherheiten bedacht, zwangsläufig. Meine Eltern hatten sich getrennt, als meine Schwester und ich noch sehr klein waren. Natürlich hatte meine Mutter große Ängste und Bedenken. Sie war überzeugt, das wird eine Katastrophe mit mir.

BRIGITTE: Sie sind in einem reinen Frauenhaushalt groß geworden?

Natalia Wörner: Allerdings. Es gab auch noch meine Großmutter und meine Urgroßmutter, beide Kriegerwitwen. Starke, selbstbewusste Frauen. Bei uns zu Hause wurde Frauenpolitik gelebt, aber nicht aus Ideologie, sondern eher umständehalber.

BRIGITTE: Wie kamen Sie als junges Mädchen damit klar, dass Sie von Ihrer Mutter in Ihrem Berufswunsch weder unterstützt noch motiviert wurden?

Natalia Wörner: Mit dieser latenten Ablehnung fertig zu werden, das belastete mich sehr. Was zur Folge hatte, dass ich ganz wenig von mir erzählt habe. Ich konnte ihr ja meine eigenen Ängste nicht offenbaren, denn natürlich zweifelte ich streckenweise selbst an dem, was ich da machte. Es gab Momente, wo ich mich gern schwach gezeigt hätte.

BRIGITTE: Aber Sie hielten durch. Und standen seit Ihrem Abitur auch ökonomisch immer auf eigenen Beinen. Hatte die Welt des schönen Scheins und der Models etwas Attraktives für Sie?

Natalia Wörner: Nur bedingt. Obwohl das damals, also gegen Ende der achtziger Jahre, alles sehr en vogue war und man permanent von Topmodels redete. Nein, für mich war das Ganze eher ein Ticket in die Welt. Ich konnte Städte inhalieren und Menschen und Sprachen, und ich habe das alles aufgesogen. Ich hatte einen großen Hunger nach einem anderen Leben.

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BRIGITTE: Sie sind eine sehr schöne Frau. Kann das für Ihren Beruf nicht von Nachteil sein? In dem Dreiteiler "Der Laden" nach der Romanvorlage von Erwin Strittmatter spielten Sie eine verhärmte Bäuerin und sahen selbst in Kittelschürzen hinreißend aus.

Natalia Wörner: Es gab eine Zeit, wo ich dachte, das ist ein Problem. Aber inzwischen habe ich nicht mehr den Ehrgeiz, gegen die Natur anzugehen. Ich weiß, dass ich sehr wandelbar in meinem Ausdruck bin. Und darauf kommt es an bei der Schauspielerei.

BRIGITTE: Warum um alles in der Welt musste die Figur der Isabelle Corthen blond sein? Wird da nicht ein Klischee bedient? Mädels aus Schleswig-Holstein haben nun mal blond zu sein?

Natalia Wörner: Erst mal entspricht es in der Tat der Romanvorlage, und zweitens ist es doch eine schöne optische Überraschung, finde ich. Warum soll man nicht als Schauspielerin auch mit seinem Äußeren spielerisch umgehen? Außerdem macht Blond weicher und jünger. Das ist einfach so. Dadurch hatten wir zum Beispiel auch mehr Möglichkeiten, die verschiedenen Altersstufen glaubwürdig zu erzählen. Wir haben ja sonst auf jegliche andere Form von Spezialmaske verzichtet, was es da so an Tricks gibt.

BRIGITTE: Aber Sie sind das Gegenteil von einer Blonden.

Natalia Wörner: Ich hab halt lange dran gearbeitet, blond zu denken, und bin gescheitert...(Lacht.)

BRIGITTE: Gescheitert?

Natalia Wörner: Na ja, das ist jetzt reine Koketterie, aber ich fühle mich schon ganz wohl als Dunkelhaarige. Das hat ja auch was damit zu tun, wie man so in der Welt rummarschiert. Und Blond ist Blond. Schon eine merkwürdige Signalfarbe. Irgendjemand sagte mal: Jede Schauspielerin muss einmal blond sein. Das hatte ich jetzt auch.

BRIGITTE: Isabelle Corthen ist am Schluss des TV-Filmes "Der Seerosenteich" 44, sehr reich und sehr einsam. Sie selbst sind jetzt 35 und, soweit ich weiß, im Moment solo. Wie sehen Sie sich mit 44?

Natalia Wörner: Nicht so, o Gott. Nein, ich sehe mich eher arm und glücklich ... Natürlich gibt es in meinem Leben Fragen, einiges, das nicht geklärt ist. Aber ich habe nicht das Gefühl, etwas grundverkehrt gemacht zu haben. Nein, dem Beispiel von Belle Corthen zu folgen, das ist nicht mein Plan. Also, ich kann mir schon vorstellen, dass ich mit 44 Mutter bin. Spätestens. (Lacht.)

Interview: Karin Weber-Duve Fotos: Esther Haase Produktion:Wiebke Broecker Frisuren und Make-up:David Glover/ Bigoudi

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