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Zwangsheirat: Auch in Deutschland kein Einzelfall

Zwangsheirat: Auch in Deutschland kein Einzelfall
© Jörn Peper
Eine "Panorama"-Reportage erzählt, wie die junge Türkin Hanife K. an ihrer Zwangsheirat zugrunde ging.

"Zeugnis einer Zwangsheirat"

"Zwangsheirat" klingt für viele von uns nach einem eher exotischen Problem - nach einer schlimmen Sache, die weit weg in anderen Kulturen praktiziert wid. Dabei ist Zwangsheirat auch hier in Deutschland kein Einzelfall (siehe Info-Kasten), obwohl sie gesetzlich verboten ist.

Die "Panorama"-Autorinnen Esra Özer und Birgit Wärnke erzählen in ihrer Reportage "Zeugnis einer Zwangsheirat" die Geschichte von Hanife K., die sich vor einem Jahr nach den endlosen Misshandlungen ihres Mannes erhängte. Auf 42 Seiten hatte sie zuvor über ihr Leben zwischen Angst und Gewalt geschrieben - ein erschüttender Einblick in den Alltag einer Zwangsehe.

"In Deutschland wird es dir besser gehen", versprachen die Eltern

Von Hochzeit war keine Rede, als die damals 19-jährige Hanife K. 1992 nach Mannheim kam: Ihre Schwester brauche nach der Geburt ihres Kindes Unterstützung im Haushalt, sagten ihre Eltern. Ein kurzer Besuch, mehr nicht. Aber schon kurz nach ihrer Ankunft wurde sie mit einem entfernten Verwandten verheiratet, den sie erst zwei Tage vor der Hochzeit zu sehen bekam. In Hanifes Aufzeichnungen, die ihre Schwester der "Panorama"-Redaktion zur Verfügung gestellt hat, beschreibt die junge Frau erschütternde Zustände: "Gleich nach der Hochzeit fing es mit der Gewalt an. Weil ihm meine Kleidung nicht anständig genug schien, schlug er mich. Er boxte mich ins Gesicht, bis meine Lippen bluteten. Ich bemühte mich, mich so zu kleiden, dass meine Kleidung ihn nicht mehr aufregt. Ich wusste nicht mehr, wie ich mich benehmen sollte." Es folgte ein jahrzehntelanges Martyrium aus Gewalt, Demütigung und Misshandlung.

Animation als Stilmittel

Die "Panorama"-Autorinnen haben neben ihren Recherchen in Deutschland und der Türkei auch Hanifes Aufzeichnungen von dem Illustrator Jörn Peper in animierten Bilder umsetzen lassen - ein ungewöhnliches Stilmittel, das den geschilderten Zwangsehe-Alltag lebendig werden lässt. "Wir fühlten uns unwohl bei dem Gedanken, die häusliche Gewalt von Schauspielern nachstellen zu lassen", so Autorin Esra Özer zu BRIGITTE. "Durch die Animationen konnten wir Szenen aus dem Tagebuch mit der nötigen Distanz zeigen."

Fallback-Bild

Hanife K. ist kein Einzelfall: Häusliche Gewalt ist in ganz Deutschland ein großes Problem ( jede vierte Frau in Deutschland wurde Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt). Speziell bei einer Zwangsheirat ist jedoch der Druck zu schweigen besonders hoch, eine Scheidung bedeutet Schande für die Familie. Daher zog Hanife ihre Anzeigen und Aussagen gegen ihren Mann auch stets wieder zurück. Tradition und Familie machten es ihr unmöglich, sich gegen die Misshandlungen zu wehren. "Wer seinen Ehemann verlässt, ist eine Hure", steht in ihren Aufzeichnungen. Am Ende sah die zweifache Mutter nur einen Ausweg: sich das Leben zu nehmen.

"Zeugnis einer Zwangsheirat": Hier können Sie sich den Film in der ARD-Mediathek ansehen.

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