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Kein Empfang: Eine Woche ohne Smartphone

Smartphones machen das Leben leichter - und leider ganz schnell abhängig. BRIGITTE-Redakteurin Julia Müller entdeckte erste Suchtanzeichen und hat sich und ihrem iPhone eine einwöchige Auszeit verordnet.

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Ich mag mein Smartphone, sehr sogar. Es lässt mich auch den Menschen nahe sein, die gerade nicht in meiner Nähe sind. Es hält mich auf dem Laufenden. Es zeigt mir putzige Katzenvideos, wenn ich Aufmunterung brauche. Es ist mein Notizbuch, meine Fahrkarte, meine Kamera, mein Wecker, mein Kalender, meine Ablenkung, mein Stadtplan. Kurzum: Es macht mein Leben leichter und lustiger. Aber irgendwann gab es diesen Moment, als mir bewusst wurde: Oft ist mein iPhone das Letzte, was ich abends vorm Schlafengehen in der Hand halte – und das Erste, zu dem ich morgens greife. Ganz abgesehen von den unzähligen Blicken, die ich tagsüber darauf werfe. Bei aller Liebe, so eng muss die Beziehung zu einem Technikgerät eigentlich nicht sein.

Ich schalte ab, im wahrsten Wortsinn

Wir brauchen eine Auszeit. Man könnte auch sagen, ich brauche einen kalten Entzug: Sieben Tage ohne Smartphone. Kurz bevor ich auf den Aus-Knopf drücke, fällt mir ein, dass ich keine einzige Handynummer auswendig weiß und sie auch nirgendwo aufgeschrieben habe. Im Notfall könnte ich weder meine Eltern noch meinen Freund oder meine besten Freundinnen erreichen. Also notiere ich mir schnell die wichtigsten Nummern und informiere eben diese Menschen über das bevorstehende Funkloch. Mein Freund ist genervt, Mama und Papa nehmen es gelassen. Klar, die können sich ja noch gut an die Zeiten ohne Handy erinnern. Von meinen Freundinnen ernte ich eine Mischung aus Aufmunterung ("Das schaffst du schon"), Verständnislosigkeit ("So schlimm ist das nun auch wieder nicht") und Gemotze ("Das ist aber überhaupt nicht freundinnenfreundlich").

Am ersten Morgen ohne Smartphone werfe ich gleich zum Frühstück den Laptop an, um meine Mails und Facebook zu checken. Regelkonform ist das vermutlich nicht. Aber schon nach wenigen Stunden fühle ich mich irgendwie abgeschnitten von der Welt – und außerdem, so meine innere Rechtfertigung, gehört es ja zu meinem Job, allzeit gut informiert zu sein.

Abends will mein Bruder mit mir sprechen. Er ruft auf dem Festnetz an, das erste Mal seit Jahren: "Ist doch schön, wenn außer Mama und Papa mal jemand anderes diese Nummer wählt." Recht hat er, mein Festnetztelefon erfüllt, abgesehen von der Standleitung zu meinen Eltern, eher dekorative Zwecke. Die Nummer weiß ich natürlich auch nicht auswendig.

Nach drei Tagen entwickle ich einen gewissen Stolz. So willenstark bin ich normalerweise nicht. Das iPhone ist zwar immer dabei, für echte Notfälle. Aber es bleibt ausgeschaltet. Nur einmal platzt mir der Kragen: Als ich nach der Arbeit quer durch die Stadt zu einem Termin muss und mir nicht wie sonst per App das U-Bahnticket kaufen kann. Kleingeld hab ich nicht dabei. Mist! Nach ausuferndem Gemecker lerne ich, dass der Ticketautomat auch Scheine nimmt. Nicht schlecht nach knapp sechs Jahren mit dem Hamburger Verkehrsverbund.

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In der U-Bahn gucke ich aus dem Fenster und hänge meinen Gedanken nach, statt WhatsApp-Nachrichten zu tippen. Langsam merke ich, wie ich runterkomme. Das Wochenende verbringe ich bei meiner Oma in der hessischen Provinz, Empfang hat man dort eher selten. Perfekt. Durch das Abschalten des Handys schalte auch ich ab. Ich habe gar nicht mehr darüber nachgedacht, warum ich in bestimmten Situationen automatisch nach dem iPhone greife. Nach sechs Tagen ohne wird mir klar: Man verpasst überraschend wenig, wenn man mal aussteigt.

Der Leidtragende dieser Smartphone-Zen-Haltung ist allerdings mein Freund. Weil wir uns nicht spontan erreichen können, muss er im Laufe der Woche zwei Mal länger auf mich warten. Außerdem wirft er mir Sabotage vor, als ich mir zwischendurch kurz sein iPhone borge, um etwas zu googeln. Ist eben auch sehr praktisch, diese Technik. Und ich muss gestehen: Auf den Moment, das Handy wieder anzuschalten, freue ich mich wie ein kleines Kind. Abstand tut eben jeder Beziehung gut.

Das Fazit: Es geht ganz gut ohne - aber mit ist es trotzdem schöner. Um mich zu disziplinieren, hat das Smartphone jetzt Schlafzimmer-Verbot. Statt des nervigen Handytons weckt mich morgens wieder mein alter Radiowecker. Und das Beste: Ich kann endlich die Handynummer meines Freundes auswendig.

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