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Kleiner Knigge für Gastgeber: 10 neue Regeln, die heute wichig sind

Gedeckter Tisch
© Shutterstock/Pinkyone
Als Gastgeber hat man mit Situationen zu tun, die Herrn Knigge völlig fremd waren. Welche alten Benimm-Regeln gelten noch und was ist heute erlaubt?

Alte Regeln und was ihr darüber wissen solltet

Geht nicht? Geht doch! Denn manches, was früher einmal als gutes Benehmen galt, ist mittlerweile längst überholt - oder sogar richtig unhöflich.

1. Mit Wasser darf man nicht zuprosten

Richtig ist: Früher sollte die Person, die keinen Alkohol trank, ihr Glas beim Zuprosten auf dem Tisch stehen lassen. Es ist aber nicht nett, jemanden aus dem Ritual auszuschließen, das Gemeinschaft bekunden soll. Deshalb darf man heute auch ein antialkoholisch gefülltes Glas erheben. Dabei sagt man "Zum Wohl" und nicht "Prost".

2. Eier und Kartoffeln dürfen auf keinen Fall mit dem Messer geschnitten werden.

Richtig ist: Diese Regel hatte mal einen guten Grund: Messer waren früher nicht legiert, so dass sich beim Kontakt mit Eiweiß oder Stärke die Schneide verfärbte. Diese hässlichen Flecken waren kaum wieder herauszubekommen. Seit 1907 sind Messer jedoch versiegelt, und man kann sein Ei nun ruhigen Gewissens schneiden, klopfen, schälen, löffeln oder sonstwie kunstvoll öffnen - solange es appetitlich aussieht. Kartoffeln werden geschnitten oder mit der Gabel zerteilt, aber keinesfalls zerdrückt.

3. Suppentassen werden niemals gekippt.

Richtig ist: Wer vornehm und nicht gierig erscheinen wollte, neigte seine Suppentasse nicht, ließ einen letzten Rest zurück und zeigte damit Beherrschung. Das ist natürlich die pure Verschwendung. Und warum sollte man dem Ausguss überlassen, was einem schmeckt? Suppentassen und -teller dürfen längst schräg gestellt und komplett ausgelöffelt werden. Lautes Kratzen auf dem Tassenboden ist dabei selbstverständlich zu vermeiden.

4. Weißer Wein wird zu weißem Fleisch und Fisch serviert, roter Wein zu rotem Fleisch.

Richtig ist: Früher ging man davon aus, dass rote Weine grundsätzlich schwer sind und deshalb besser zu deftigem Essen passen. Weiße Weine dagegen galten als durchgängig leicht und damit als ideale Begleiter zu leichteren Gerichten. Doch Kochstile und Weine haben sich verändert: Mittlerweile gibt es auch schwere Weißweine, die schön mit einem Braten harmonieren; zu manchen Fischgerichten eignet sich ein leichter Rotwein oder zu im Wok zubereitetem Rindfleisch leichter Weißwein.

5. Fisch darf nur mit dem Fischbesteck gegessen werden.

Richtig ist: Habt ihr schon mal geräucherten Aal mit einem Fischmesser zerteilt? Eben! Fischsorten, bei denen das Fleisch fest ist - z. B. Tintenfisch, geräucherte oder marinierte Fische -, werden mit normalem Besteck gegessen. Fischbesteck gibt es nur für gekochte und gegarte Fische.

6. Wenn sich der Tischnachbar bekleckert hat, sieht man geflissentlich darüber hinweg.

Richtig ist: In prüderen Zeiten meinten viele, es sei unhöflich, auf Soße am Ärmel oder Spinat zwischen den Zähnen aufmerksam zu machen. Dabei ist es viel rücksichtsloser, den anderen unnötig lange in dieser peinlichen Situation zu lassen. Sagt zum Beispiel lieber "Sie haben da noch etwas am Kinn" und schauen diskret weg, wenn er oder sie sich wieder in Form bringt.

7. Papierservietten werden anders abgelegt als Stoffservietten.

Richtig ist: Papier galt weniger als Stoff, woraus man schloss, Papierservietten würden am Schluss zusammengeknüllt auf dem Teller deponiert. Heute werden Stoff und Papierservietten gleich behandelt, also nach dem Essen lose zur Seite gelegt.

Interview: Zehn neue Regeln, die heute wichig sind

Als Gastgeberin hat man mit Situationen zu tun, die Herrn Knigge völlig fremd waren. Aber was ist heute erlaubt und was Stilbruch? Zehn Fragen an Benimm-Expertin Nadine Meyden

1. Kann ich meine Gäste zum Schnippeln in der Küche einspannen? Haben Sie elegante Einladungen verschickt und die Gäste erscheinen in Abendgarderobe, dann ist das unpassend. Haben Sie aber Freunde angerufen und gefragt, ob die nicht mal wieder für einen gemütlichen Abend vorbeikommen wollen, geht das in Ordnung. Erfahrungsgemäß entsteht eine prächtige Stimmung, wenn in einer engen Küche alle den Aperitif trinken und gemeinsam ein paar Handgriffe erledigen.

2. Darf ich meine Gäste im Wohnzimmer sitzen lassen, während ich mich in der Küche noch um die allerletzten Handgriffe kümmere? Solange Sie keinen Butler haben: sicher! Warten Sie aber, bis Ihre Gäste richtig angekommen sind, und gehen Sie dann kurz.

3. Platz nehmen - jeder, wo er mag, oder soll ich lieber lenken? Lenken ist gut, so können Sie steuern, wo Sie sitzen wollen - schließlich müssen Sie ab und zu in die Küche sausen. Außerdem ist es für die Gespräche förderlich, wenn Menschen zusammensitzen, die sich auch etwas zu sagen haben oder nicht schon sowieso zusammenleben.

4. Wie verhalte ich mich, wenn ich den Gästen Gerichte servieren möchte, die ich noch nie zubereitet habe? Geben Sie eine kleine Warnung aus: "Ich habe das noch nie gekocht, aber das Rezept hat sich so toll angehört. Ich hoffe, ihr seid gern die Tester. . . "

5. Ich kann nicht kochen. Kann ich trotzdem eine gute Gastgeberin sein? Unbedingt! Laden Sie einfach ganz locker ein: Jeder bringt eine Kleinigkeit mit für ein kaltes Buffet, und Sie sorgen für die Getränke. Oder Sie kaufen Dinge ein, die mit wenig eigenem Aufwand den Gästen präsentiert werden können. Die meisten Feinkostgeschäfte bieten tolle Grundlagen für wirklich gute Fertig- oder Halbfertiggerichte, die Sie dann anrichten können.

6. Für jeden Gang ein neues Besteck oder nur die Teller abräumen? Das Lamm mit dem Fischbesteck zu essen zeugt nicht von Stil. Räumen Sie das Besteck also immer mit ab. Wenn Sie zu wenig haben, können Sie eine miteingeladene Freundin vorher bitten, Ihnen etwas auszuleihen oder Ihnen zwischen den Gängen schnell beim Spülen zu helfen.

7. Gebe ich die Linie vor, oder trinkt jeder, was er will? Jeder trinkt, was er will, innerhalb der Linie, die Sie vorgeben.

8. Muss ich dafür sorgen, dass für Vegetarier Alternativgerichte auf den Tisch kommen? Wenn Sie sich wünschen, dass diese Gäste auch das nächste Mal wieder gern zu Ihnen kommen, dann wäre das ganz sicher von großem Vorteil.

9. Ab welchem Punkt des Abends darf ich mich entspannen? Sie sind hoffentlich von Anfang an entspannt - aber erst dann wirklich, wenn die Gäste gegangen sind.

10. Wie ist das mit Aufräumen: alle zusammen oder ich allein? Wenn alle auf einmal hin- und herrennen, sprengt das die Gemütlichkeit, und es gibt keinen schönen Ausklang des Zusammensein. Der letzte Eindruck bleibt aber meist am längsten in der Erinnerung haften. Deshalb wäre es sehr schade, wenn all Ihre Mühe für den ganzen langen Abend dann dadurch zerstört würde.

Text: Nadine Meyden Ein Artikel aus der BRIGITTE 19/09

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