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Alltagsprobleme: Warum funktioniert das nicht?

Mann bindet sich die Schuhe zu
© Syda Productions / Shutterstock
Schnürsenkel, die immer aufgehen. Fahrkartenautomaten, die Münzen durchfallen lassen. Frischhaltefolie, die sich nicht abreißen lässt. Die nervigsten Alltagsprobleme und wie Sie sie lösen, erklärt Autor Konrad Lischka in seinem Buch "Fehlfunktion".

Der Münzdurchfall

Eine Million Verkaufsautomaten spucken in Deutschland Zigaretten, Cola oder Fischköder gegen Münzen aus. Doch ein paar zehntausend Mal täglich fallen echte Geldstücke einfach durch. Das Problem nervt seit mehr als hundert Jahren: 1887 stellte der Süßkramkonzern Stollwerck den ersten Verkaufsautomaten (für Schokolade!) in Deutschland auf und 1888 konnte man in New Yorker U-Bahnhöfen Kaugummis am Automaten ziehen.

Sieben Jahre später klagte der Automatengeschädigte Benjamin Reich der New York Times sein Leid: "Ich habe Penny um Penny eingeworfen, gute, ordentliche Münzen, und alles, was ich dafür bekommen habe, war das Vergnügen, gegen die Maschine gehämmert und dabei meine Hand leicht verletzt zu haben." Die Kratzspuren auf heutigen Verkaufsautomaten dokumentieren, dass dieses alte Problem immer noch auftritt: die Münzverweigerung. Warum eigentlich? "Zum einen sind Münzen mit einem gewissen Toleranzspielraum geprägt, und durch die Abnutzung im Geldverkehr kommt es dann zu erstaunlichen Schwankungen - echte Euromünzen sind ganz unterschiedlich schwer und dick. Deshalb schlagen Münzprüfer auch bei manchen echten Münzen Fehlalarm" erklärt Burkhard Armborst, Sprecher des Automatenbetreibers Tobaccoland. Der verkauft jährlich 175 Millionen Zigarettenpackungen an mehr als 100.000 Automaten.

Die Kratzspuren belegen auch, dass sich ein Mythos hertnäckig hält: dass es hilft, die Münzen an Metall zu reiben. Stimmt aber nicht, sagt Armborst: "Das Rubbeln hilft gar nicht."

Tipp: Aber es hilft, die einmal abgewiesene Münze noch einmal einzuwerfen. Denn wenn Gewicht, Masse und Material der Münze ganz nah an der Toleranzschwelle des Prüfers sind, kann er sie beim zweiten Versuch durchaus akzeptieren - egal ob man davor rubbelt oder nicht.

Kinderwagen: vier Hände für ein Zusammenklappen

Schieben, fummeln, fluchen. Ein Kinderwagen hat nur wenige Funktionen, aber selbst die sind bei manchem Edelmodell unbedienbar. Produkttester und Eltern klagen: Die Handbücher sind so unverständlich wie die Mechanik.

Wer noch nie ein Baby durch die Gegend geschoben hat, wird überrascht sein - so manches Babygefährt kostet als Neuwagen locker so viel wie ein Laptop. Zum Vergleich: Ein tragbarer Computer versammelt diverse Prozessoren, Speicherchips und sonstige Elektronikbauteile auf einer eigentlich lächerlich winzigen Fläche und erfüllt so ziemlich jede Funktion von Stereoanlage bis zum Fernseher.

Ein Kinderwagen besteht aus Plastik, Metall und Stoff und hat gerade mal fünf grundlegende Aufgaben zu erfüllen - er muss bequem und sicher sein, sich gut rollen, zusammenklappen und zuverlässig arretieren lassen. Doch die Bedienung einiger Babyroller ist aberwitzig schwierig, erzählen Kinderwagenbesitzer und schreiben Kinderwagentester.

Zum Beispiel die Stiftung Warentest, die den Praxisteil eines Vergleichstests von 15 Modellen 2006 so bilanzierte: "Häufig kritisierten die Eltern ein umständliches Zusammenfalten und Aufklappen. Das ist in der Regel nur mit zwei freien Händen und unter kraftvollem Ziehen oder Drücken zu bewerkstelligen." Dass das mit dem Zusammenklappen auch zwei Jahre später noch immer nicht einfach geht, berichtete 2008 das Schweizer Testmagazin K-Tipp.

Zusammen mit dem Schweizer Fernsehen SF1 ließen die Redakteure ein Institut zehn Kinderwagen im Labor und in der Praxis testen. Als einzige Anleitung zur Bedienung erhielten die Eltern das Originalhandbuch des jeweiligen Modells. Fazit der Tester in Sachen Bedienbarkeit beim Zusammenklappen: "Bei Einigen geht das ganz leicht. Andere haben einen Sicherheitsmechanismus, der ohne Anleitung kaum durchschaubar ist."

Das von Testern oft beklagte Gewicht mancher Kinderwagenmodelle sehen die Hersteller als völlig normal an. Es handele sich dabei schließlich um besonders stabile, geländegängige Modelle. Sprich: Wer sich einen besonders stabilen Kinderwagen kaufe, solle auch nicht über das Gewicht meckern.

Tipp: Kaufen Sie sich einen Geländekinderwagen, und ziehen Sie aufs Land. Zum Beispiel in die norddeutsche Tiefebene. Da ist es nicht so voll, niemand drängelt (wohin auch?) und Sie müssen nie mehr Kinderwagen stemmen, denn in dieser Pampa liegt alles prächtig ebenerdig.

Sternchen sehen: die Sache mit der Passwortmaskierung

Seit Jahrzehnten verstecken Programmierer die Passwörter hinter Sternchen. Wer sich bei Webdiensten anmeldet, sieht nicht, was er gerade eintippt, und schreibt die vorschriftsmäßig komplizierten Passwörter falsch. Warum? Weil das immer schon so war.

Irgendwann einmal waren Computer noch seltener als Geldautomaten. Vor den wenigen Rechenterminals an den Universitäten drängten sich dutzendweise Studierende und schauten dem Glücklichen über die Schulter, der gerade am Rechner saß und seine Passwörter eintippte. Da war es wohl ganz praktisch, dass beim Eintippen von Passwörtern statt Buchstaben nur Sternchen zu sehen waren.

Heute sieht die Sache etwas anders aus: Jeder Mensch muss sich ein dutzend Passwörter für die Rechner im Büro und daheim, das Mobiltelefon und eine Menge Webseiten (E-Mail, Fotoseite, Kochrezept-Portal) merken. Der Unterschied zu der Zeit, als jemand die Sternchen als Passwortmaskierung erfand und zum Standard machte: Heute haben die meisten einen eigenen Computer (oft auch zwei), und in den meisten Fällen beim Eintippen keine Menschenansammlung hinter sich.

Weil man dank der Sternchen nie sieht, was man gerade eintippt, scheitert jeden Tag ein Anmeldeversuch mit dem Satz "Passwort oder Benutzername nicht korrekt". Man zweifelt: Hat man sich bei der Katzenfotoseite doch mit einem Pseudonym registriert? Oder hat man im Passwortfeld gerade statt 7586 vielleicht 7856 getippt? Also gibt man das Geheimwort wieder und wieder, Buchstabe für Buchstabe ein - und wenn man Glück hat, schafft man es nach drei Versuchen, das Schlüsselwort korrekt einzugeben.

Tipp: Wenn die Software nicht anzeigt, was man schreibt, muss der Anwender eben schreiben, was die Programme zeigen. Spricht etwas gegen Passwörter wie *******?

Schnürsenkel: verflixt und zugeschnürt

Ihre Schnürsenkel halten nie? Dann binden Sie die falschen Knoten. Millionen Menschen stolpern deswegen über ihre eigenen Füße. Dabei sind perfekte Schuhschleifentechniken leicht zu erlernen. Mathematiker haben die besten erforscht.

Diesen Anblick wird Paul Ives nie vergessen - er war zu lustig: Als der Brite im August 2008 von der Arbeit nach Hause kam, hing da im eingeschlagenen Erdgeschossfenster seines beschaulichen Häuschens im britischen Dartford ein Mann. Kopfüber, am Schnürsenkel seines Turnschuhs, der sich außen am Fensterrahmen verfangen hatte. Der ins Wohnzimmer hängende Mann hatte einen Hammer in der Hand und schwor dem herbeigerufenen Polizisten: "Ich habe einen Einbrecher verfolgt." Zwei Monate später wurde der Einbrecher verurteilt. Die BBC titelte: "Knast für den Schnürsenkel-Einbrecher".

Der Schnürsenkel-Einbrecher ist eine von vielen Nachrichten auf der Seite von Ian Fieggen, einem australischen informatiker, der seit Jahren gegen sich im falschen Augenblick öffnende Schuhschleifen kämpft. Manche der Schnürsenkelunfälle in Fieggens archiv sind absurd, viele tragisch: Menschen ertrinken, werden überfahren, rasen mit ihren Autos in Gebäude - alles wegen Schuhschleifen, die sich im falschen Augenblick öffnen.

Da wird schnell der verzweifelte Ruf laut nach ein paar Tipps, damit die Schnürsenkel wieder besser halten. Mathematiker Fieggen hätte da ein paar. Der 46-jährige Programmierer analysiert nach eigener Aussage seit 1982 verschiedene Methoden zum Binden von Schuhschleifen, betreut die wohl umfangreichste Webseite zum Thema und hat eins der Standardwerke auf diesem Gebiet veröffentlicht (Laces: 100s of Ways to Pimp Your Kicks).

Der häufigste Fehler beim Schuhbinden: die Menschen wollen eigentlich eine Schleife mit einem Reff- oder Kreuzknoten binden (die würde recht sicher halten), machen aber aus Gewohnheit einen Altweiberknoten, der sich viel leichter löst.

Tipp: Um eine lang antrainierte Altweiberknotenroutine aufzugeben, muss man sich einige Tage lang sehr langsam und bewusst die Schuhe binden. Wer will, kann diese Mühe auch gleich investieren, um einen völlig anderen Schleifenknoten zu lernen. Ian Fieggen stellt auf seinen Seiten einige zur Auswahl, noch mehr findet man im Buch a Mathematical Guide to the Best (and Worst) Ways to Lace Your shoes des Mathematikers Burkhard Polster.

Frust mit fiesen Frischhaltefolien

Abreißen, einwickeln, aufheben – von wegen! Um einen Fetzen Frischhaltefolie zu ergattern, müssen Hobbyköche meistens erst mal lange und kräftig an der Rolle zerren. Physiker belegen: Viele Folien strecken sich lieber ausgiebig, statt zu reißen.

Werber haben der Frischhaltefolie schon alle erdenklichen Komplimente gemacht - "hauchzart" sei sie, diese "Sichtfolie mit Hafteffekt", dichtete der Hersteller Melitta 1965 bei der Einführung in Deutschland. Später schwärmten Anzeigen von der "atmenden", ja sogar von der "extra anschmiegsamen" Folie. Wenn es diese filigrane, zärtliche Küchenhilfe wirklich gibt, dann hat sie unangenehme Verwandtschaft, die ihr zum Verwechseln ähnlich sieht.

Die Opfer des Zwillings klagen im Internet ihr Leid. Da schreiben Menschen, sie würden schon beim Abreißen der fiesen Folie "die Krise bekommen". Denn "Dafür hat die Packung ja so Zä?hne, nur die Folie reißt nie so, wie ich es möchte. Meistens brauche ich einen Meter (oder zwei), bis ich überhaupt ein brauchbares Stück abgerissen habe."

Da kein Folienproduzent etwas Genaueres über seine Frischhaltebahnen sagen will, haben Doktoranden von Physikprofessor Armin Gölzhäuser an der Universität Bielefeld mit viel Aufwand untersucht, was die zä?hen von den angenehmen Folien unterscheidet. Ergebnis: Es kann nicht an der Dicke der Folien allein liegen, irgendetwas an der chemischen Zusammensetzung muss anders sein. Denn die preiswerteren Folien dehnen sich sehr stark aus, bevor sie ü?berhaupt reißen. Die leicht zu reißende Folie lässt sich kaum dehnen, reißt sofort ab. Tipp: Schreiben Sie eine Doktorarbeit über Frischhaltefolien, entwerfen (und patentieren!) Sie den perfekten Frischhaltefolienschneider. Und privat nutzen Sie am besten heimlich Alufolie, sonst wird aus den Folienprojekten nie etwas.

Die Steckdosenleiste: Bitte hinten ganz fest drücken!

Wer ein wenig Strom sparen und die Umwelt schützen will, muss sich täglich bücken: vorm Fernseher, unterm Schreibtisch, in der Diele, neben den Boxen - um Stromfresser richtig abzuschalten und vom Stromnetz zu trennen. Die abschaltbare Steckerleiste gilt als Stromspartipp schlechthin.

Wer etwas dagegen hat, dass die ganze Nacht lang Kontrolllämpchen von Fernseher, DVD-Player, Computer und anderem Technikschnickschnack die Wohnung beleuchten, stöpselt die Geräte in eine Steckerleiste mit Zentralschalter - und schaltet sie dann wirklich aus. Nur sitzt bei den meisten dieser Steckerleisten der Schalter am falschen Ende, dort wo das Kabel herauskommt, das die Steckerleiste mit der Steckdose verbindet und mit Strom versorgt.

Warum man trotzdem im Baumarkt Berge an Steckerleisten mit Bückschaltern sieht, erklärt Ingenieur Peter Leunig, der Spezialelektronik entwirft: "Denkfaulheit, Lieblosigkeit des Marketings, mangelnde Kundenorientierung, die Hersteller fürchten den höheren Preis von etwa einem Euro in einem heftigen Preiskampf."

Wer aber etwas mehr Geld ausgeben will (um die 20 Euro) und lange genug sucht, findet auch einfach bedienbare Steckdosenleisten - vielleicht nicht im Baumarkt, eher im Elektrofachhandel und ganz sicher online.

Tipp: Aufwärmen, dehnen, lockern - dann erst an der Steckdosenleiste versuchen. Die Krankenkassen bieten Besitzern herkömmlicher Steckdosenleisten kostenlos Broschüren mit Tipps zur korrekten Bedienung. Bei chronischen Rückenleiden gibt es unter Umständen einen Zuschuss für den Erwerb einer Funksteckdosenleiste mit Fernbedienung.

Der Schuh quietscht, die Sohle pupst

Wer Turnschuhe trägt, quietscht in unpassenden Augenblicken wie ein Clown beim Laufen, vor allem auf den Böden in Kirchen, Museen und alten Schlössern. Schuld sind die Physik und immer wieder wechselnde Gummimischungen der Hersteller.

Wenn ganz neue Schuhe mit Kunststoffsohle lärmen, kann man noch hoffen. Jochen Rolle, Footwear Director beim Outdoorausrüster Jack Wolfskin erklärt: "Bei neuen Schuhen kann es anfangs zu einem Quietschgeräusch kommen, wenn bei der Produktion zu viel Trennmittel verwendet wurde. Dieses Trennmittel wird eingesetzt, um die gebackenen Sohlen gut aus den Formen herauslösen zu können."

Es gibt aber auch noch andere Gründe. Hohle Sohlen zum Beispiel: Manche Kunststoffsohlen enthalten Dämpfungselemente in EVA- oder PU-Mittelsohlen. Wenn unterschiedliche Materialien so verklebt oder zu-sammengespritzt und gebacken werden und diese Flächen "nicht ganz fest verbunden sind, können sie aneinanderreiben und eventuell Geräusche verursachen", erklärt der Experte von Jack Wolfskin.

Oder Einlegesohlen: Wenn die eingelegten Sohlen bei jedem Auftreten pupsen, hilft manchmal etwas Talkumpulver. Man nimmt die eingelegte Sohle heraus, streut ein wenig von dem Pulver in die Schuhe, legt die Sohle ein und die Chancen stehen ganz gut, dass das Geräusch verschwindet.

Wenn edle Schuhe mit Ledersohlen zu laut knarzen, quietschen oder knarren, reibt meistens Leder an Leder. Da kann oft nur ein Schuhmacher helfen - an die Geräuschquellen kommen Laien kaum heran.

Tipp: Wenn Ihre Quietschschuhe Sie nerven, sperren Sie sie einfach im Keller in einen Schrank und machen Sie den erst in zehn Jahren wieder auf. Dann werden Sie dieses Geräusch lieben (Sound der Jugend usw.), ihre Schuhe sind ein kleines Vermögen wert, und wenn Sie das Gequietsche noch aufnehmen und verkaufen, werden Sie Millionen mit Turnschuh-Ton-Downloads verdienen.

Mehr Technik-Ärgernisse und ihre Lösung finden Sie in:

Alltagsprobleme: Warum funktioniert das nicht?
© PR

Konrad Lischka: Fehlfunktion. Warum Frischhaltefolie nie gerade abreißt und andere Alltagsärgernisse. Goldmann 224 S., 8,95 Euro

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