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"Ladykracher" Anke Engelke: "Ich bin die Erste, die Witze auf Kosten von Frauen macht"

Zum Start der neuen "Ladykracher"-Staffel (freitags, 21.15 Uhr, Sat.1) sprach BRIGITTE.de mit Anke Engelke über komische Frauen, geschmacklosen Humor - und den Strip von Marge Simpson.

BRIGITTE.de: Sie gelten als die Frau mit den 250 Gesichtern. Welche Gesichter zeigen Sie uns in der neuen Ladykracher-Staffel?

Anke Engelke: In erster Linie Gesichter, die allen bekannt vorkommen. Nicht, weil es sich um Parodien von Promis handelt, sondern weil ich Typen von Frauen zeige, die man von irgendwoher kennt. Es geht um vertraute Charakterzüge und Verhaltensweisen. Ich freue mich, wenn ich bei den Zuschauern den Effekt erreichen kann: Den kenne ich, die kenne ich, die Situation kenne ich. Dann bin ich im Bewusstsein der Leute angekommen. Ich habe zwar eine leicht pädagogische Ader – ich wollte immer schon Lehrerin werden - aber ich möchte nicht belehren und ich möchte auch nicht wie ein Kabarettist auf einen konkreten Missstand hinweisen, sondern Bekanntes aus einem neuen Blickwinkel präsentieren, gerne überspitzt und grotesk überzogen.

BRIGITTE.de: Dabei dürfen Sie sich in Ihren Rollen manchmal auch so richtig daneben benehmen. Ein befreiendes Gefühl?

Anke Engelke: Ich glaube, dann hätte ich ein Problem. Das würde ja bedeuten, dass es mir nicht gelingt, mein eigenes Unwohlsein in den Griff zu kriegen. Es wäre nicht fair, wenn ich meine Show dazu nutzen würde, mit mir selber ins Reine zu kommen. Dafür darf man seinen Beruf nicht missbrauchen.

BRIGITTE.de: Wo liegt beim Humor Ihre Grenze des guten Geschmacks?

Anke Engelke: Ich höre auf meinen Bauch - und so macht es mein Autoren-Team auch. Wir haben alle einen ähnlichen Haltungskatalog. Ich finde es zum Beispiel arrogant und vermessen, sich über menschliche Defizite lustig zu machen, indem man sich über einen anderen Menschen stellt. Wir deuten durchaus auf Missstände hin, etwa Eltern, die ihre Kinder schlecht behandeln, aber wir stellen die Eltern dann nicht als Dämonen dar, sondern zeigen die Situation, die fragwürdig ist. In meiner Idealvorstellung ist die Gesellschaft bunt, mit lauter unterschiedlichen Menschen, die alle nicht perfekt sind, aber es tauchen keine Monster darin auf. Bestimmte Rollen würde ich bestimmt nicht spielen. Bei mir finden Leute, die ich ablehne, nicht statt.

BRIGITTE.de: Sie können gut Leute parodieren. Hat eigentlich schon mal jemand versucht, Sie zu parodieren?

Anke Engelke: Ja, Martina Hill bei "Switch Reloaded". Ich habe die Szene aber bis heute nicht gesehen.

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BRIGITTE.de: Weil Sie sie nicht sehen wollen?

Anke Engelke: Nein, ich würde das supergerne sehen. Ich halte sehr viel von Martina Hill. Es interessiert mich sehr, wie sie mich gespielt hat, aber leider habe ich die Sendung verpasst. Sie soll mich als unangenehme, laute, hysterische Kuh dargestellt haben (lacht). Das hat sie bestimmt super gemacht.

BRIGITTE.de: Sie können also gut über sich selbst lachen.

Anke Engelke: Das kann hoffentlich jeder - und für meinen Beruf ist es Voraussetzung. Es wäre doch armselig, wenn ich, die ich dauernd andere Leute und ihre Charakterzüge zur Schau stelle, meine eigenen Charakterzüge nicht kritisch betrachten könnte.

BRIGITTE.de: Worüber können Sie im Fernsehen lachen?

Anke Engelke: Meine Bandbreite ist groß. Ich kann mich zum Beispiel an ganz albernem Humor erfreuen, brauche nicht immer den hohen Anspruch. Ich mag den klugen Monty-Python-Humor, bei dem es durchaus manchmal um die Albernheit geht. Andererseits bin ich aber auch ein alter Loriot-Fan. Es kommt bestimmt darauf an, womit man groß geworden ist - und ich habe als Kind sowohl Loriot als auch Monty Python gucken dürfen. Als Kölnerin bin ich natürlich auch mit dem Karneval vertraut. Damit kann ich aber leider nichts anfangen. Bei Sitzungen würde ich nur sehr selten lachen. Alle anderen Kölner hingegen schmeißen sich dort weg vor Lachen und ich muss leider draußen bleiben.

BRIGITTE.de: Wenn man Frauen nach den wichtigsten Eigenschaften bei Männern fragt, dann taucht unter den Top-Eigenschaften immer Humor auf. Bei Ihnen auch?

Anke Engelke: Man kann einen Menschen nicht auf zwei, drei Charakterzüge reduzieren. Außerdem behauptet sowieso erstmal jeder Mann von sich, Humor zu haben. Da komme ich bei meinem Casting nicht weit. Ich würde die Frage gern beantworten, kann ich aber nicht. Zeigen Sie mir die Frau, die sagt: "Mein Traummann muss humorlos, hässlich, unfreundlich, intolerant und ungepflegt sein." Die Frage müsste eher lauten: Was würden Sie bei Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin tolerieren? Da kommen bestimmt tolle Sachen: "Ich finde es nicht so schlimm, wenn er keinen Job hat, wenn er nicht trinkfest ist, wenn er auf Körperpflege keinen Wert legt" oder so.

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BRIGITTE.de: Jetzt müssen Sie mir mal bitte helfen. Ich kann mir immer so schlecht Witze merken. Haben Sie nicht einen guten Witz auf Lager, den man leicht behalten kann?

Anke Engelke: Ich kann mir auch schwer Witze merken, aber hier kommt einer, der wirklich super ist: Sagt der Mann zur Frau: "Mann, siehst Du scheiße aus mit der neuen Brille". Sagt die Frau: "Ich habe gar keine neue Brille". Darauf der Mann: "Ich aber". Den Witz kann man auch gern umdrehen, wenn man keine Eier hat, aber ich finde es so herum viel lustiger. Ich bin die Erste, die Witze auf Kosten von Frauen macht, weil ich diesen Kuschelquatsch nicht mag. Das ist falsche Rücksichtnahme. Das würde ja bedeuten: Frauen können sich nicht wehren, wenn Witze über sie gemacht werden. Diesen Opfer-Quatsch mache ich nicht mit.

BRIGITTE.de: Kein neues Thema, aber immer noch aktuell: Warum gibt es so wenige Frauen unter den Kabarettisten und Comedians?

Anke Engelke: Da habe ich keine Idee. Ich bin ja auch das Gegenbeispiel und in einer Position, in der ich viele Chancen bekomme. Ich habe eine eigene Sendung, die ich aber weder bekommen habe, weil ich eine Frau bin, noch obwohl ich eine Frau bin. Das Format hat sich einfach durchgesetzt, die Humorfarbe, die aber nicht am Geschlecht festzumachen ist. Mir hat auch niemand Steine in den Weg gelegt und gesagt: "Erst ins Schlafzimmer, und dann kriegst Du die Show". Wenn Frauen keine Chance kriegen, sind sie vielleicht auch einfach nicht gut. Ich finde, es ist falsch verstandener Feminismus zu sagen: "Hallo, warum werden wir Frauen denn nicht angehört?" Man muss auch aufpassen, aus wessen Perspektive man das fragt: Aus der des Zuschauers, der gern mehr Frauen sehen würde, ...

BRIGITTE.de: ... oder aus der Perspektive der Frauen ...

Anke Engelke: ... die sagen: "Ich habe es jetzt schon hundertmal versucht, auf ganz vielen Bühnen gestanden, aber die Leute haben mir immer Tomaten an den Kopf geworfen". Dann muss ich davon ausgehen, dass die Frau nicht lustig war, und möchte nicht ihr Gejammer hören, weil das den Spießern Recht gibt, die sagen: "Frauen jammern immer nur und tun nichts." Damit helfen wir der Frauenbewegung nicht. Immer nur zu sagen: "Mann, wir dürfen nicht, wir dürfen nicht", bringt nichts. Damit diskriminiert man sich selbst und beschwert sich über einen Zustand, den man selbst ändern muss.

BRIGITTE.de: Laut Wikipedia sind Sie bei einem Auftritt mit Udo Jürgens entdeckt worden, stimmt das eigentlich?

Anke Engelke: Nein, von dem, was bei Wikipedia über mich steht, stimmt vieles nicht. Aber schön, dass es trotzdem dort steht. So merken die Menschen, dass man sich seine eigene Meinung machen sollte, statt alles zu glauben, was bei Wikipedia oder in der Zeitung steht. Ich habe ja schon viel früher angefangen, für den Hörfunk zu arbeiten. Und bei Udo Jürgens entdeckt worden zu sein, würde ja bedeuten, dass ich eine Gesangskarriere eingeschlagen hätte.

BRIGITTE.de: Und, wäre das auch eine Option gewesen?

Anke Engelke: Ich kann zwar gut singen, habe aber leider keine schöne Stimme. Bei dem Musical-Sketch aus der neuen "Ladykracher"-Staffel habe ich alle genervt, weil ich so gerne singe. Kennen Sie die Leute, die gerne singen, aber nicht schön? So bin ich. Mein Team weiß natürlich auch um meine Gesangsleidenschaft. Deshalb ist das Musical auch gemacht worden. Die Autoren wissen: "Wenn Du der Anke etwas zu singen gibst, das macht die sofort, die freut sich, die blöde Kuh, und merkt nicht mal, dass wir sie veräppeln". Sehr lustig.

BRIGITTE.de: Charlotte Roche hat neulich im Interview mit BRIGITTE.de gesagt: "Ich glaube, dass alle Comedians, alle Schauspieler, alle Moderatoren in ihrer Kindheit irgendwas erlebt haben, das sie mit künstlich-medialer Aufmerksamkeit kompensieren müssen." Teilen Sie diese Ansicht?

Anke Engelke: Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Manche Leute haben auch einfach Talent, und Talent sucht sich seinen Weg. Ich jedenfalls komme aus einer extrem heilen Familie und hatte eine tolle Kindheit. Meine Eltern fanden aber nicht gut, dass ich schon so früh beim Hörfunk und Fernsehen angefangen habe. Sie hätten diese Entwicklung gern gebremst.

BRIGITTE.de: Und heute finden Ihre Eltern gut, was Sie machen?

Anke Engelke: Sie finden es ein bisschen lästig, weil sie das Fernsehen für überbewertet halten. Ein wenig stolz sind sie aber schon auch auf meine Arbeit. Doch nach wie vor ist ihre Haltung: So ein richtiger Beruf wäre ja doch was Schönes. Ich kann verstehen, wenn Leute den Schauspielerberuf schwammig finden und sagen: "Wie, Schauspieler? Aber Du gehst doch nicht um morgens um sieben dahin und kommst abends nach Hause." Nein, ich habe eben mal ein paar Monate frei und dann habe ich wieder monatelang Halli-Galli.

BRIGITTE.de: Sie als deutsche Stimme von Marge Simpson, wussten Sie eigentlich schon, dass sich Marge für den amerikanischen Playboy ausgezogen hat?

Anke Engelke: Wie lustig, wie genial. Diese durchgeknallten Simpsons-Autoren erschaffen eine Figur und die wird plötzlich real. Das finde ich super - abgesehen davon, dass ich Magazine wie den Playboy unglaublich armselig finde, diesen ganzen Photoshop-Mist, wie die Frauen dort aussehen. Deshalb ist es nur konsequent, gleich eine gezeichnete Figur dort stattfinden zu lassen. Das zeigt doch: Egal, ob jemand echt ist oder nicht, Hauptsache, es sind nackte Brüste und Beine zu sehen. Ich kapiere diesen ganzen Auszieh-Quatsch einfach nicht.

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