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"Eine tragische Figur": Zum Tod von Michael Jackson

Der "King of Pop" ist tot: Kolleginnen aus der BRIGITTE-Redaktion erinnern sich an Michael Jackson - und sagen, was die Nachricht von seinem frühen Tod für sie bedeutet.

Groß und tragisch

"Er war zuerst ein großartiger Künstler und zuletzt eine tragische Figur. Leider." Gunthild Kupitz, 43

Live war er der Größte

Ich habe bisher nur einmal live erlebt, wie Zäune eingerissen wurden. Das war, als Michael Jackson im Münchner Olympiastadion spielte, Ende der 80er Jahre. Ich war 14, hatte kein Geld für eine Karte, wollte mich mit meinen Freunden draußen auf eine Wiese setzen und zuhören. Das wollten zigtausende, vor dem Stadion waren mindestens ebenso viele Menschen wie drinnen. Dann hörten wir die ersten Takte von "Dirty Diana" - neben "Beat it" und "Thriller" für mich einer seiner größten Songs. Nicht nur für mich, auf einmal saß keiner mehr. Alle wollten rein, klebten an den Zäunen, hangelten sich die Kassenhäuschen hoch. Ich setzte gerade zum Sprung ins Stadion an, da hatten die Sicherheitsmenschen eine Kette geschlossen und drängten uns zurück.

Ich war kein wirklich glühender Fan, sonst hätte ich mir die Karte irgendwie zusammengespart. Aber an dem Abend hab ich das Michael-Jackson-Feuer gespürt. Und dass seine Flamme immer noch in mir lodert, weiß ich seit ich heute morgen das Radio anmachte und einige Augenblicke reglos vor meinem Waschbecken stand. Und wenn das jetzt pathetisch klingt, dann ist das voll beabsichtigt. Für mich ist er der größte Star, den ich je live erlebt habe. Tinka Dippel, 35

Allein auf der Tanzfläche mit Michael

"1984. Ich war 16 und fuhr zum ersten Mal mit meinen Freundinnen weg: eine Woche München – die ganz große Freiheit. Eines Abends gingen wir in die Disco (damals sagte man noch nicht "Club"), auch das für mich ein erstes Mal. Ich trug ein langes Hippie-Kleid und sandfarbene Wildleder-Boots. Außer uns waren noch keine anderen Gäste da. Logisch, wer geht schon um neun zum Abhotten. Wir tranken Cola, fühlten uns wie bestellt und nicht abgeholt, und dann legte der DJ "Beat it" von Michael Jackson auf. Ich stürzte los und tanzte. Allein. Mit geschlossenen Augen. Danke, Michael, für diesen besonderen Moment in meinem Leben." Kathrin Tsainis, 42

Sein "Say say say"-Video war das beste

"Es gibt viele gute Jackson-Videos, aber mein liebstes wird immer "Say say say" bleiben, das er mit Paul McCartney aufgenommen hat. Das müsste um 1983 gewesen sein. Ich sehe ihn noch vor mir, mit Hosenträgern und Schiebermütze, wie er kess auf die Ladefläche eines Lieferwagens springt und dabei das Strahlen nicht mehr aus den Augen bekommt. Als ich später von seinen ersten Schönheits-OPs erfahren habe (damals war das ja noch nicht so weit verbreitet), hat es mich sehr gegruselt - und ich habe das Michael-Poster von der Wand genommen. Sein Tod macht mich sehr traurig. Er war ein einsamer Mensch, dem ich mehr Glück gegönnt hätte. Die geplante Tour hätte ihm vielleicht noch etwas Auftrieb gegeben. Mit seinen Songs hat er aber etwas hinterlassen, das weiterleben wird." Antje Heidböhmer, 35

Auf dem Konzert vom Sitz gerissen

"Eigentlich ging ich nur meiner Freundin zuliebe auf das Open Air Konzert, das Michael Jackson im Münchner Olympiastadion gab. Es war 1992 und ich stand mehr auf Pink Floyd. Aber ich dachte mir, schadet ja nichts, den Sänger mal live zu erleben, den die ganze Welt feiert. Am meisten interessierte mich sein Tanz und ob ich herausfinde, ob er live singt oder alles Playback ist. Als er auf die Bühne trat, saß ich noch mit verschränkten Armen auf meinem Platz, die anderen 72 000 waren sofort aufgesprungen. Zehn Sekunden später hielt es mich auch nicht mehr auf dem Sitz. Sein Rhythmus, seine Leidenschaft, seine ganze Show haben mich mitgerissen. Das Konzert war grandios und Michael Jacksons Musik hat mich nie wieder ganz losgelassen. Jedes Mal, wenn ich im Radio "Thriller" höre, kribbelt es in den Beinen und im Bauch." Doris Ehrhardt

Durch seinen Tod erlöst von sich selbst

"Obwohl ich mit Jahrgang 1965 die klassische Michael-Jackson-Generation bin, habe ich mir aus seiner Musik nie viel gemacht. Ich habe mit 16, 17 Jahren ganz gern dazu getanzt – der Mensch dahinter war mir aber damals unwichtig. Das änderte sich Jahre später, als Jackson anfing, wunderlich zu werden. Zuerst die Schönheitsoperationen, dann sein seltsamer Einsatz für die Kinder dieser Welt, der schon immer einen Beigeschmack hatte, dann die mysteriösen Adoptionen bzw. seine mysteriöse Familiengründung, danach die entsetzlichen Bilder der Kinder mit den verhüllten Köpfen, der Prozess, seine angebliche Pleite, die Bilder aus seinem infantilen Privatleben, die Bilder von diesem gruseligen Neverland. Hätte ich mir jemals etwas aus seiner Musik gemacht – danach bestimmt nicht mehr. Ich finde, Michael Jackson ist sehr schwer psychisch krank gewesen, und ich habe es schon immer für unverantwortlich gehalten, ihm Kinder anzuvertrauen. Meine erste Reaktion heute morgen war: Hoffentlich kommen die Kinder jetzt frei. Und das meine ich genau so: Freikommen. Aus einem Gefängnis, von dem man nur hoffen kann, dass es wenigstens kein Foltergefängnis war. Und was Michael Jackson selbst angeht: Er ist erlöst von sich selbst. Wurde Zeit." Katja Jührend, 43

Den Moonwalk nachgemacht

"Dangerous" war mein erstes Michael-Jackson-Album. Mit acht Jahren bekam ich es zu Weihnachten. Und aus irgendeinem Grund war mir damals schon klar, dass dieser Künstler etwas Besonders ist. Immer wenn das Musikvideo "Black and White" lief, habe ich angefangen, im Kinderzimmer zu tanzen. Überhaupt: Diese Musikvideos! Zehn Minuten Thriller sind kein bisschen langweilig und noch immer cool, das steht außer Frage. Jackson hat die Art, Musikvideos zu machen und kleine Filme mit Geschichte draus zu machen, maßgeblich geprägt. Und ständig, wirklich ständig habe ich versucht, den Moonwalk nachzumachen. Später habe ich dann auch seine älteren Lieder wie "Billie Jean" kennen gelernt und war schlicht fasziniert: Rhythmus, Tanzbarkeit und Dramatik machten die Lieder einzigartig.

Als ich 2002 in Amerika war, musste ich unbedingt zu den Motown Studios und mir anschauen, wie und wo Michael Jackson mit seinen Geschwistern als "Jackson 5" erste Platten aufgenommen hat. In diesen heimeligen Wohnhäusern soll der Weltstar als kleines, niedliches Kind schon gesungen haben? Später befremdete mich sein Aussehen: die schmale, zur Unkenntlichkeit deformierte Nase, die weiße Haut und der Atemschutz. Auch die Ehe mit der Elvis-Tochter Lisa Marie Presley, der Umgang mit seinen Kindern, sowie der Prozess um Kindesmisshandlung irritierten mich und ließen mich von meinem Idol abrücken. Doch eines war bereits damals und bleibt auch heute für mich unbestritten: Michael Jackson ist in Musik und Entertainment eine Ausnahmeerscheinung. Er prägte die Musik der 70er, 80er und 90er Jahre und somit auch meinen Musikgeschmack." Catharina Muuß, 26

Eine Ikone der Pop-Geschichte

"Mit Michaels Jacksons Tod ist für mich die größte Ikone der Pop-Geschichte gestorben. Er hat mit seiner Musik, seiner Performance und seinen Lebensstil die 80er geprägt, wie kein anderer Musiker. Seine Lieder haben mich in den verschiedensten Abschnitten meiner Jugend begleitet. Und seien wir mal ehrlich – wer bitte hat nicht den legendären "Moonwalk" ausprobiert?" Sandra Hintze, 34

Jetzt spielen sie Jackson nonstop

"Vorgestern habe ich nach 18 Jahren zufällig einen alten Abifreund wieder getroffen, und jetzt stirbt Michael, der alte Sack! Naja, wer weiß wofür es gut ist. Ich bin auf jeden Fall bestürzt; das Gute ist natürlich dass jetzt ungefähr jeder Radiosender nonstop Michael Jackson spielt. Ich sag nur: Heal the world!" Nikola Haaks

Große Momente

"Du warst noch farbig, ich war erst acht. Du sangst "Thriller", ich verstand "Diller". Du konntest tanzen, ich tat mein bestes. 1982 hatten wir eine schöne Zeit, Michael. Danke dafür!" Katharina Wantoch, 35

Sonnige Zeiten

"Wahrscheinlich gibt es in fast jedem Leben eine Phase, die in der Erinnerung bunt, sonnig und aufregend ist. Für mich sind das die frühen 80er Jahre. Ich studierte in München, genoss sehr bewusst die Freiheit vorm Eintritt ins Berufsleben. Mein Gefühlsleben war bewegt, und ich zog unternehmungslustig durchs Münchner Kultur- und Nachtleben. Die Musik von Michael Jackson ist ein Teil dieser Zeit. Wenn in der Disco "She’s Out Of My Life", "This Girl is Mine", "Billie Jean", aufgelegt wurden, zog's mich immer auf die Tanzfläche. Da konnte ich gar nichts gegen tun. Und weil wir beide Jahrgang 58 sind, und gemeinsame Generationenzugehörigkeit immer auch ein Gefühl der Verbundenheit schafft, auch wenn man mit dem anderen nicht viel anfangen kann, verfolgte ich mit Anteilnahme Michael Jacksons Groteskwerdung. Auch dann noch, als seine Musik mich längst nicht mehr interessierte. Er tat mir leid, weil er offenbar nicht anders konnte, als sich zu zerstören. Aber noch heute fühle ich mich sofort in die frühen 80er versetzt, wenn ich seine Hits aus dieser Zeit höre. Und das soll einer erst mal schaffen!" Claudia Kirsch, 50

Auch ein Familienvater

"Kürzlich gab es dieses Foto: Michael Jackson mit seinem Sohn und seiner Tochter. Das war das erste Mal in all den Jahren, dass er mir nicht wie ein artifizieller Irrer vorkam, der seinem Leben nicht gewachsen ist. Sie sahen nett aus, die drei, normal, sympathisch, eine Familie. Als erstes habe ich an meine Jugend gedacht, als ich heute Morgen hörte, dass Michael Jackson tot ist, wie seine Songs diese Jahre begleitet haben. Dass er die Jugend seiner eigenen Kinder nicht begleiten wird, ist herzzerreißend." Christine Hohwieler, 43

Er beging Selbstmord auf Raten

"Er war der Star meiner Kindheit, ich war hingerissen von ihm und klebte vor dem Fernseher, um seine brillanten, bis dahin einzigartigen Videos und Filme zu sehen. Seine Platten waren die ersten, die ich mir gekauft habe, “Beat it” war mein Lieblings-Song. Ich wollte so tanzen können wie er, und –noch mehr – so eine faszinierende, explosive Ausstrahlung haben. Er war damals ein flirrender, kraftstrotzender, leidenschaftlicher Mann mit enormem Sex-Appeal. Als ich älter wurde, hat mich immer am meisten berührt, wie offensichtlich er seine schwer verletzte Seele zeigte. Er wurde vom Schwarzen zum Weißen und vom Erwachsenen wieder zum Kind mit Stupsnäschen. Vom sexuellen Mann zu einer androgynen, asexuellen Kunstfigur. Es war leicht, ihn als vollkommen durchgeknallt zu bezeichnen. Es war leichter, als dabei zuzusehen, wie sich ein Mensch mit enormen Talent öffentlich hinrichtete. Er versuchte erst, buchstäblich in die Haut eines anderen zu schlüpfen, um damit später auf Raten Selbstmord zu begehen. Er ermordete sein Ich, indem er es zumindest äußerlich fast vollständig vernichtete.

Hat er ein Kind missbraucht? Möglich, was furchtbar wäre! Er war selbst ein missbrauchtes Kind. Und, fast noch erschreckender, wäre ihm der Missbrauch als solcher überhaupt klar gewesen? Kaum etwas in seinem Leben folgte einem normalen, menschlichen Maßstab. Seinen Kindern konnte er offenbar nicht geben, was sie brauchten und was er gebraucht hätte. Trotzdem hatte er immer die Sehnsucht danach, und bekam sie doch nie erfüllt. Vermutlich hätte Michael Jackson, der Star mit dem Jahrhunderttalent, für eine normale, glückliche Kindheit – auch wenn es nach Klischee klingt – gern auf Ruhm und Talent verzichtet. Warum bekam dieser Mann, der über Jahrzehnte im Blitzlichtgewitter starb, eigentlich keine Hilfe?" Heide Fuhljahn, 35

Auf meiner ersten Kassette war Michael

"Das Gefühl, dass es Michael Jackson nicht mehr gibt, ist irgendwie traurig und merkwürdig. Ich meine, ich habe diesen skurrilen Mensch nicht bewundert. Zumindest nicht mehr nach seiner zehnten Nasen-OP und meiner Pubertät (verrückt war ja beides). Aber mit ihm bin ich doch groß geworden! Meine erste, selbst erworbene Kassette (CDs gab es ja noch nicht) war Michael Jackson - Bad. Die habe ich auf meinem Rekorder gehört, den mir meine Eltern zum 12. Geburtstag geschenkt haben. Ein kleiner Start in mein ganz eigenes Leben. Ich werde dich vermissen, Michael." Bianka Echtermeyer, 33

"Heal the world" im Musikunterricht gesungen

"Als Kind habe ich die Verkehrsnachrichten gehasst. Sie bedeuteten, dass der Radiosprecher mitten rein plapperte, in das Lied, das mein Bruder und ich gerade auf Kassette aufnehmen wollten. "Cause this is thriller, thriller night", sang Michael Jackson zum Beispiel und wurde unterbrochen von: "Auf der A28 Oldenburg - Bremen zwischen Kreuz Oldenburg-Ost und Delmenhorst sind noch bis circa 12 Uhr in beiden Richtungen die Notrufsäulen ausgefallen." Wen interessiert denn das, fragten wir uns. Manchmal half es, auf Pause zu drücken und sofort wieder auf Record, wenn die - in unseren Augen völlig sinnlose - Meldung vorbei war. Dann hatten wir zwar ein abgehacktes Lied auf Kassette, aber das war besser als nichts. Doch viel häufiger kam es vor, dass wir die Aufnahme komplett vergessen konnten, weil der Radiomann endlos weiterredete. Dann warteten wir, bis das Lied Stunden später noch einmal gespielt wurde. "Live is live" von Opus wurde damals ständig wiederholt, wann unsere Lieblingsmusik von Michael Jackson noch einmal kam, war dagegen Glückssache. Ich verstand diese Radioleute nicht. Warum konnten sie nicht einfach den ganzen Tag nur Michael spielen, was sollte der ganze andere Kram? "We are the World", "Bad" - mein Bruder und ich fanden alles toll.

Auch in meiner Klasse brach damals das Jackson-Fieber aus. "Heal the World" sangen wir im Musik-Unterricht. Meine beste Freundin hatte einen Lederhandschuh und einen Jackson-Hut, kämmte sich eine Locke ins Gesicht, um genauso auszusehen, wie Michael auf einem Foto. Sie hielt ein Referat über ihn und bekam eine Eins dafür. Auf einem Kindergeburtstag tanzte sie den Moonwalk – und war der Star des Abends. Irgendwann verblasste Michael für uns. Mein Bruder hörte Hip Hop, meine beste Freundin liebte Black Musik, ich kaufte mir Depeche-Mode-Alben. Doch ganz vergessen haben wir Micheal Jackson alle nie. Wenn ein Lied von ihm auf einer Party gespielt wird, stürmen wir noch immer die Tanzfläche. Und ich habe bis heute eine Doppel-CD von ihm, mit den "Essential Hits". Da sind seine besten Lieder drauf, auch "Thriller". Zum Glück ganz ohne störende Verkehrsnachrichten." Katrin Schmiedekampf, 28

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