In den 80er-Jahren ist Nahid mit Mann und Baby aus dem Iran nach Schweden geflohen. Nun ist sie um die 60, eine zornige, krebskranke Frau, die ihrem Ende entgegensieht. Ihre Tochter, inzwischen selbst schwanger, stößt sie mit ihrer Wut immer wieder vor den Kopf; Nahid will lieben, aber sie entkommt ihrer eigenen Härte nicht. Unsympathisch, könnte man meinen, aber dann beschreibt Autorin Golnaz Hashemzadeh Bonde, wie Nahid wurde, wie sie ist; den Tag in Teheran, an dem sie ihre kleine, geliebte Schwester Noora mit zu den Demonstrationen gegen das Regime nahm und Noora dabei verloren ging. Die Trauer hat Nahid verbittern lassen. Ihre Flucht hat ihr zwar ein neues Land gegeben, aber keine neue Heimat. Golnaz Hashemzadeh Bonde kontrastiert den schleichenden Verlust der Freiheit im Iran mit der Unerbittlichkeit des Neustarts in Schweden und lässt Nahid jenen, die sich dieser Tage täglich über das Mittelmeer nach Europa kämpfen, in Gedanken zurufen: "Die Flucht sitzt euch im Blut, und sie wird übertragen auf eure ungeborenen Kinder, und wie ein Tumor wird sie mit der Zeit in euch wachsen. Alles, was ihr verloren habt und von dem ihr glaubt, dass ihr darüber hinwegkommen könnt. Ihr könnt es nicht. Alles ist noch da." Es sind kraftvolle Sätze wie diese, die dieses Buch besonders machen. Die 35-jährige Tochter emigrierter Iraner lebt in Stockholm, sie hat Wirtschaft studiert und leitet ein Investment-Unternehmen für nachhaltige Startups. Ihr erstes Buch schrieb sie über den Rassismus, der ihr als Einwandererkind in der Provinz entgegenschlug. "Was bleibt von uns" ist nun ihr erster großer Wurf: klug und mitreißend und voller elementarer Gefühle, für die Bonde eine bemerkenswerte, ungezügelte Sprache findet. Ü: SIGRID C. ENGELER, 224 S., 20 EURO, NAGEL & KIMCHE