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Filmkritik "Barbie" Von wegen Mistgabeln: Die Revolution ist pink

Margot Robbie als Barbie
Margot Robbie
© Getty Images
Kaum ein Kinostart wurde mehr herbeigesehnt: "Barbie" läuft endlich auch bei uns. In den USA konnte der Film schon mehrere Bestmarken knacken. Doch wird er seinem Hype wirklich gerecht? Eine Kritik.

Das PR-Team hat in den letzten Monaten wirklich alles gegeben; Niemand kam an der tsunami-artigen Marketing-Strategie um den neuen Barbie-Film vorbei: Limitierte Kollektionen mit den ganz großen Lifestyle-Marken, wohldosierte Setbilder, die uns über die originalgetreuen Outfits staunen ließen und schließlich eine wochenlange Promo-Tour, bei der Hauptdarstellerin Margot Robbie nicht mehr nur als Schauspielerin auftrat, sondern schon mit ihrer ikonischen Filmfigur eins geworden war. Wir befanden uns längst mittendrin in der Barbiewelt – dabei lief der Film noch nicht mal im Kino.

"Barbie": Eine Filmkritik

Diese pinkfarbene Plastikwelt uns wieder schmackhaft zu machen, war die große Aufgabe vom Team um Regisseurin Greta Gerwig. In Barbieland war mittlerweile nämlich der Lack abgeplatzt und die blonde Puppe wurde als das Feindbild des Feminismus identifiziert. Vor allem in der Kritik: unrealistische Körperideale, die unter anderem Körperbild- und Essstörungen bei den Millennials begünstigt hätten ­– Barbies Maße wären 99-46-84 in der realen Welt. Und: Fokus auf Materielles, Rassismus, Sexismus und natürlich völlig überzogene Klischees von Männlichkeit und Weiblichkeit.

All diese Vorwürfe treffen auf die immer kritischer nachwachsenden Puppenspieler:innen, die für Diversität und Body Positivity auf die Straße gehen. Das kann kaum gut gehen – hätte man zumindest vor zehn Jahren noch gedacht, auch wenn die Message von Barbie ja immer war: Eine Frau kann alles werden, egal ob Ärztin, Altenpflegerin oder Astronautin.

Feminismus trifft Vorurteile

Megakonzern Mattel blieb also nur die Flucht nach vorne – bei den Puppen selbst und schließlich auch beim Film, alles andere hätte eine völligere Entzauberung bedeutet und Barbie endgültig auf die hintersten Dachböden-Ecken dieser Welt verbannt. Also beauftragte Mattel Hollywood-Darling Greta Gerwig für Regie und Drehbuch, mehrfach oscarnominiert und für feministisches Kino gefeiert. Das Ensemble: ebenfalls aus der Kategorie "erste Reihe der großen Preisverleihungen“ zwar mit Margot Robbie und Ryan Gosling als normschöne Barbie und Ken – aber einem diverseren Cast als es die Puppenvorbilder vermuten ließen.

Und so schafft es der Film auch, die Zuschauer:innen mit in eine Welt voll pinkfarbener Perfektion zu nehmen, in der der – hier sehr passende – rosa Elefant im Raum, diese Meta-Kritik, sofort humorvoll aufgebrochen wird. Denn in Barbieland ist sie sowieso fehl am Platz: Margot Robbie ist zwar "Stereotyp-Barbie“ aber damit auch ziemlich alleine; Die weiteren Barbies sind zwar auch kein wahrheitsgetreues Abbild der Gesellschaft, aber zumindest alle sehr unterschiedlich.

In Barbieland herrscht ganz selbstverständlich das Matriarchat. Alle wichtigen Positionen werden von Frauen besetzt, die Kens sind nur austauschbare Nebendarsteller. Die Story des Films ist dann die klassische Heldinnengeschichte: Es gibt ein Problem (Barbie funktioniert nicht mehr, sie hat Todesgedanken, ihre Füße werden platt und sie bekommt Cellulite – kleiner Mental-Health- und Body-Positivity-Wink hier), dafür muss sie in die echte Welt und es lösen (das Mädchen finden, das sie "kaputt gespielt" hat). Ken mogelt sich mit auf diese Reise in die echte Welt. Er möchte mit Barbie zusammen sein, doch Barbie ist einfach zu unabhängig.

Auf dieser Reise nach Los Angeles passiert dann der spannende Bruch: Barbie muss leider erkennen, dass unsere Welt ein Patriarchat ist, genauso wie Ken, für den diese Entdeckung aber kein herzinfarktverursachender Kulturschock, sondern eine Offenbarung, ein Silberstreifen am Horizont ist. Männer, die die Welt regieren – wo gibt’s denn sowas?

Nieder mit dem Patriarchat?

Und während Barbie versucht, ihre Besitzerin ausfindig zu machen und sich nebenbei über den ihr an jeder Straßenecke begegnenden Sexismus echauffiert, plant Ken längst den Umsturz des Matriarchats in Barbieland: Männer in Pelzmänteln auf Pferden spielen jetzt die Hauptrollen – so hat er das schließlich auch in Büchern in der echten Welt gesehen. Er kehrt zurück und dreht die Barbiewelt auf links – oder dahin, wie wir die Welt sowieso kennen – und verpasst den unabhängigen Barbies reihenweise Gehirnwäschen. Barbie findet derweil ihre Besitzerin und nimmt sie kurzerhand mit in ihre Heimat – nur um dort Kens Machowelt vorzufinden. Mit Frauenpower und Zusammenhalt wird aber auch dieses Problem gelöst.

Wer wahnsinnig viel Tiefgang erwartet, wird enttäuscht. Der Barbiefilm schafft es aber, Gesellschaftskritik streckenweise klamaukig leicht aufzubereiten: Die vertauschten Welten, dazu ein sehr simpel gestrickter Ken. Das alles tut fast schon weh mit Blick auf die patriarchalen Strukturen und Ungleichheiten in unserer Welt, lachen muss man aber trotzdem. Auch die Liebe zum Detail lässt die Herzen der Barbiefans hüpfen. So bekommen früher heiß geliebte und fast vergessene Barbie-Editionen ihren Auftritt – und teilweise auch ihre verdiente Klatsche ("schwangere Barbie wurde eingestellt – gruselig, wer kam bloß auf die Idee?“); Das Setting ist pinkfarbene Kitsch-Perfektion. Viele Stars haben Gastauftritte und natürlich ist auch der Soundtrack ein Klassentreffen der Pop-Powerfrauen. Der Film lässt die Zuschauer:innen mit versöhnlichem Blick auf die Puppen, die früher unsere Kinderzimmer bevölkert haben, zurück – und ganz am Ende mit einem Lacher zum wohl größten Barbie-Geheimnis aller Zeiten.

Brigitte

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