Anzeige

"Julie & Julia": Was Spitzenköchin Lea Linster von dem Kochfilm hält

Zwei leidenschaftliche Köchinnen verkörpern Meryl Streep und Amy Adams in dem Film "Julie & Julia". Die eine spielt TV-Köchin Julia Child, die andere Julie Powell, die in einem Internetprojekt die Rezepte von Julia Child nachkocht. Wir haben eine andere leidenschaftliche Köchin gefragt, wie ihr der Film gefallen hat. Ein Interview mit Sterneköchin Lea Linster. Die Kino-Tipps der Woche

image

BRIGITTE.de: "Gute Film helfen mir, mich zu reloaden!", haben Sie mal gesagt. Ist "Julie & Julia" ein Film zum Reloaden?

Lea Linster: Ein phantastischer Film! Wunderbar dargestellt, von allen Schauspielern. Sie hätten wirklich niemanden finden können, der Julia Child besser darstellt als Meryl Streep.

BRIGITTE.de: Was hat Sie am meisten beeindruckt?

Lea Linster: Wie Julia alles so sinnlich wahrnimmt und dieses Paris zu lieben beginnt, mit all ihren Sinnen, und alles in sich aufsaugt, die Geschmackserlebnisse und die Gerüche, diese Welt der Brasseries, dann diese Sinnlichkeit beim Kochen. Wunderbar. Damit kann ich mich wirklich identifizieren. Mir gefällt auch, wie die beiden Zeitebenen und die Schicksale dieser beiden Frauen miteinander verwoben sind. Es geht auch um die Liebe und die Unterstützung der Männer, die eine wichtige Rolle spielt. Ohne die hätte das alles ja nicht geklappt.

BRIGITTE.de: Kam da Sehnsucht auf bei Ihnen als Einzelkämpferin, die nie verheiratet war?

Lea Linster: Nein, ich habe doch meinen Sam, auch wenn wir nicht immer zusammen sind! Aber man sieht doch gut, wie wichtig die Liebe ist. Meinen Sam, den habe ich vor über 30 Jahren übrigens mit einer schön in Butter gebratenen Seezunge verführt! Im Film ist Julia Child auch von einer Seezunge hin und weg, die sie kurz nach ihrer Ankunft in Paris in einer Brasserie isst.

BRIGITTE.de: Kochen als Kompensation spielt für beide Frauen im Film eine Rolle.

Lea Linster: Frauen, die es wirklich geschafft haben, hatten immer etwas Großes zu kompensieren. Die junge Julie hat ja bislang total versagt in ihrem Leben. Für Julia Child ging es darum: kein Kind bekommen und keine Heimat haben. "Where is home...?" fragt sie, und ihr Mann antwortet: "Da, wo wir beide zusammen sind!"

BRIGITTE.de: Und was haben Sie kompensiert? Sie haben es ja auch irgendwie "geschafft"?!

Lea Linster: Alles war immer öffentlich bei uns, wir hatten eigentlich auch keine private Stube. Und so ein übliches Familienleben kannten wir auch nicht, was ich aber deshalb auch nie vermisst habe. Ich kann sagen, mein Beruf ist meine Berufung und ich habe immer schon, seit meiner Kindheit, diese Welt der Restaurants geliebt und bin dann da eingestiegen. Es ist aber einfach in dieser Branche nicht vorgesehen, dass eine Frau aus eigenen Stücken ein Restaurant aufmacht oder übernimmt.

BRIGITTE.de: Im Film machen die beiden Frauen ja auch etwas sehr Ungewöhnliches und verfolgen sehr hartnäckig ihr jeweiliges Ziel: Julia macht als erste Amerikanerin in der berühmten Kochschule "Cordon Bleu" in Paris ihren Abschluss und Julie schafft tatsächlich ihr ambitioniertes Blogger-Projekt, in dem sie die 524 Rezepte von Julia Child in einem Jahr nachkocht.

Lea Linster: Genau, Julia Child nimmt die Herausforderung im Profi-Kurs des "Cordon Bleu" an, und am Anfang wird sie eben unterschätzt - und dann ist sie doch die Beste! Die Julie Powell hatte ja am Anfang von Tuten und Blasen keine Ahnung, hat sich dann aber gut entwickelt.

BRIGITTE.de: Von der Direktorin der Pariser Kochschule wurde Julia extrem bekämpft.

Lea Linster: Ja, ganz fürchterlich! Die reinste Zicke! Und doch war diese Gegnerin wichtig für Julia Childs Entwicklung. Man braucht das Feindbild, um dem zu zeigen, dass man es doch schafft. Und man braucht den Unterstützer, wie im Film der Kochchef in der Schule, der Julias Talent erkannte. Nur, der Gutmütige alleine reicht nicht. Der macht dich zwar gut, aber er macht dich nicht scharf genug.

BRIGITTE.de: Die nächste Hürde kam dann für Julia Child mit der Suche nach einem Verleger für das doch umfangreiche Buch.

Lea Linster: Eine ganz tolle Szene gab es da, die viel über die Kompromisslosigkeit erfolgreicher Menschen und insbesondere leidenschaftlicher Köche verrät: Echte Gourmets kennen das Wort Okay nicht! Entweder sie lieben oder sie hassen. Es ist entweder oder! Beim ersten Verleger wird das Buch abgelehnt. Dann sagt sie gleich: "Die hassen uns." Dann liest ihr Mann Paul den Absagebrief, und er sagt: "Nein, die hassen das nicht, es ist ihnen nur zu teuer!" Und das kenne ich auch von mir so. Ich liebe oder ich hasse, oder es spielt keine Rolle. Und das kann man schwer leben. Leidenschaftliche Köche sind aber wohl einfach so.

BRIGITTE.de: Um noch mal auf den Film zurückzukommen: Was ist für Sie die Hauptbotschaft dieses Films?

Lea Linster: Wer aufgibt, ist nicht mehr dabei! Also: Nie aufgeben! Dass es um Qualität geht. Darum, etwas wirklich sehr gut zu machen. Und: Ein gutes Essen hat zu jeder Zeit diese Kraft zu verwöhnen und kann Dich jederzeit über alles hinwegtrösten!

BRIGITTE.de: Das Essen trösten kann, ist ein Phänomen, das die meisten von uns ja leider allzu gut kennen.

Lea Linster: Ich finde es schön, dass der Film dieser Magersucht-Kultur etwas entgegen hält! Was mir übrigens noch so gut in diesem Film gefallen hat: Julia Child und ihre Schwester sind beide sehr groß, haben aber diese kleinen Männer. Da heißt es an einer Stelle, ein gutes Essen ist so teuer wie ein schönes Kleid. Und die Julia sagt dann einfach "Aber ich komme sowie in diesem Land in keines dieser teuren Designerkleider hinein..."

Interview: Elke Eich

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel