Anzeige

Mondkalb

Als sich ihre Wege in der ostdeutschen Provinz kreuzen, fühlen sich die eigensinnige Alex, der alleinerziehende Piet und sein Sohn Tom allesamt zueinander hingezogen. Trotzdem schaffen sie es nicht, sich aufeinander einzulassen. Zu schwer lastet die Vergangenheit auf ihnen -
Mondkalb
© x-Verleih

Ängstlich, völlig in sich zusammengesunken, die Augen gesenkt, sitzt Alex (Juliane Köhler) im Büro ihres Chefs. Es ist ihr erster Tag in dem kleinen Chemiebetrieb und ihr neuer Boss versucht auf brachialhumorige Weise, seine neue Angestellte aus der Reserve zu locken - vergeblich. Die Frau mit dem blassen Gesicht und den dunklen, zentimeterkurzen Haar sperrt sich, beschränkt sich auf das Nötigste. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Offenbar saß sie im Hamburger Frauenknast Fuhlsbüttel, so viel wird klar, warum, hingegen nicht.

Viele Fragen, wenig Antworten

image

Andeutungen wie diese ziehen sich wie ein roter Faden durch "Mondkalb", werfen immer neue Fragen auf. Was ist nur los mit dieser verschreckten Frau? Warum will sie ausgerechnet in diesem wenig einladend wirkenden Chemiebetrieb in der tiefsten ostdeutschen Provinz anfangen? Nach und nach fügen sich viele kleine Hinweise zu einer Antwort: Weil sie hier niemand kennt, niemand von ihrer Vergangenheit weiß. Alex hat sich offensichtlich zu einer Einzelhaft im Haus ihrer verstorbenen Großmutter verurteilt. Dort, wo sie als Kind glückliche Tage verbrachte, einst lachte wie ein Mondkalb. Ihre Pläne werden jedoch durchkreuzt, als der 12-jährige Tom (Leonard Carow) in ihr Leben tritt. Ein merkwürdiger, verschlossener Junge mit zotteligen Haaren, der eines Tages wie selbstverständlich in ihrer Abwesenheit den Esstisch in ihrem Haus deckt. Immer wieder sucht er von da an ihre Nähe. Eine Nähe, die für Alex unerträglich ist, sie in ihrer Isolation stört. Und dann taucht auch noch Toms redseliger und alleinerziehender Vater Piet (Axel Prahl) auf und entpuppt sich als ähnlich anhänglich wie sein Sohn.

Alex fühlt sich in die Ecke gedrängt. Menschen, die sich ihr nähern, bedeuten für sie ein unkalkulierbares Risiko. Als eines Tages ihr Ex-Mann auftaucht, klärt sich ein Stück weit der Grund für ihr Verhalten. Sie hat ihn einst fast zu Tode geprügelt, musste dafür ins Gefängnis und verlor so den Kontakt zu ihrer Tochter. Alex fühlt sich also schuldig, hat vielleicht sogar Angst noch einmal einem Menschen weh zu tun. Mit seinem Charme schafft es Piet schließlich doch noch. Alex taut auf, verbringt immer mehr Zeit mit Vater und Sohn und erfährt so, warum Tom ist, wie er ist: Vor vier Jahren hat sich seine Mutter erhängt. Tom hat sie gefunden und ist seitdem völlig verstört. Überfordert mit dem Verhalten seines Sohnes, weiß sich Vater Piet nicht anders zu helfen, als eine strenge Hand walten zu lassen - mit einem fatalen Ende.

Zu viel des Bösen

image

Piet und Tom schaffen es genauso wenig wie Alex ihre persönlichen Schicksalsschläge hinter sich zu lassen und einen Neuanfang zu wagen. Dabei wäre alles so einfach: Piet und Alex finden sich offensichtlich anziehend, Tom wäre überglücklich mit Alex eine Ersatzmutter zu bekomen. Doch sie alle können "nicht aus ihrer Haut", wie Alex treffend feststellt. Fatalistisch schauen sie ihrem Leben, dabei zu, wie es mit ihm immer weiter bergab geht. So wirkt die Geschichte um Alex, Tom und Piet teils ermüdend. Der Plot ist durch die geballten, etwas zu konstruiert wirkende Schicksalsschläge überladen. Der Selbstmord von Toms Mutter, der hilflos zuschlagende Vater, die beinahe Mörderin Alex und das Ganze noch untermalt von bedrückenden Bildern - das ist schlicht zu viel des Bösen.

Fazit: "Mondkalb" ist mit Sicherheit kein leicht verdauliches Flimhäppchen für zwischendurch. Auf die bisweilen arg beklemmenden Bilder und bedrückende Geschichte muss man sich einlassen wollen. Dann allerdings ist es ein Genuss, Juliane Köhler, Leonardo Caow und Axel Prahl bei ihren schauspielerischen Leistung zuzuschauen.

Text: Britta Hesener Fotos: 2007 by PARAMOUNT VANTAGE

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel