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Buchsalon: Unsere Leserinnen über Rebecca Millers "Pippa Lee"

Auf der Suche nach dem richtigen Leben: Zehn Leserinnen haben für den BRIGITTE.de-Buchsalon vorab "Pippa Lee" von Rebecca Miller gelesen.
Rebecca Miller, "Pippa Lee", Ü: Reinhild Böhnke, 368 S., 19,90 Euro, S. Fischer
Rebecca Miller, "Pippa Lee", Ü: Reinhild Böhnke, 368 S., 19,90 Euro, S. Fischer
© Mike Persson / Camera Press / Picture Press

Viele unserer Leserinnen waren neugierig auf den ersten Roman von Rebecca Miller, der Tochter von Schriftsteller Arthur Miller. Zehn Leserinnen hatten das Glück, "Pippa Lee" (ab 12. Juli im Handel) exklusiv vorab lesen zu dürfen - und eine Rezension für BRIGITTE.de zu schreiben. Wie ihnen der Roman gefallen hat, erfahren Sie auf den nächsten Seiten.

Die BRIGITTE.de-Community hat abgestimmt: 39 Prozent der Userinnen hat Franziska Wagners Rezension "Auf der Suche nach Leben" (siehe unten) am besten gefallen! Auf den Plätzen zwei und drei landeten Silke Schulz und Nicole M. Susca.

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Tipp: "Pippa Lee" auf unserer Hörbuch-Downloadplattform. Lieber lesen lassen statt selbst lesen? Parallel zum Roman erscheint "Pippa Lee" auch als Hörbuch. Sie können es für 23,95 Euro auf unserer Hörbuch-Downloadplattform herunterladen.

Auf der Suche nach Leben: Rezension von Leserin Franziska Wagner

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Das Ehepaar Lee zieht aus dem belebten Manhattan in eine idyllische Siedlung für Ruheständler, besser bekannt als "Runzeldorf". Dort angekommen, geschehen nicht nur merkwürdige Ereignisse, sondern auch kleine und größere Familiendramen. Pippa Lee, die Ehefrau von Herb Lee, zieht Resümee und begibt sich auf Selbstfindungswege. Am Ende kommt es, wie es kommen muss, es bleibt alles anders und doch sind manche Dinge so sicher wie nie zuvor.

Rebecca Miller erzählt in ihrem Buch die Geschichte von Pippa Lee, einer atemberaubenden Frau des modernen Amerikas. Zusammen mit Pippa erfährt der Leser ihre Geschichte, macht halt an Stationen ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Pippa, das erste Mädchen nach vier Jungen, wächst unter einer vernarrt-süchtigen Mutter und einem gleichgültigen Vater auf. Im Alter von 16 Jahren kann sie endlich von zu Hause wegziehen, hinein in das große Leben. Als Sexparties und Drogenexzesse schon längst zur Normalität geworden sind, trifft Pippa Herb und beginnt ein neues bürgerliches Leben. Jedoch nicht ohne Schattenseiten.

Pippas Geschichte wird dem Leser schön aber durchaus schonungslos geschildert. Das anfänglich beschauliche Buch überrascht mit zahlreichen Wendungen. Es schildert die Suche nach Identität, Liebe und Glück. Es stellt sich dem Alter und Älterwerden. Vor allem aber verzaubert es. Franziska Wagner

Mein Lieblingssatz: "Pippa stand auf der Schwelle und starrte ihre Freundin einfältig an, unfähig, ihre Gefühle zu sammeln. Sie rannten wild durcheinander, wie eine Herde Schafe, die vor einem heranbrausenden Lastwagen auseinanderstieben. Schock, Zorn, Kränkung, Fassungslosigkeit - sie strebten in alle Richtungen in ihr. Sie war nicht in der Lage, ein einziges davon einzufangen." (Dritter Teil, S. 327)

Wofür eignet sich das Buch: Der neue Roman von Rebecca Miller ist der ideale Reisebegleiter. Mit ihm vergeht die Zeit in Bus, Bahn oder Flugzeug wie im Nu. Am Ende hat man das Gefühl, eine neue großartige Freundin gewonnen zu haben.

Wer zum Teufel ist Pippa Lee? Rezension von Leserin Nicole M. Susca

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Das ist die zentrale Frage, um die das Buch von Rebecca Miller fortwährend kreist. Gleich zu Beginn ist man geneigt, mitzufahren auf dem schon eingefahrenen Boot, das Pippas Leben zu sein scheint, um dann schlagartig festzustellen, dass man sich damit auf unsicheren Boden begeben hat.

Verwirrend? Und ob. Denn Pippa Lee war nicht immer die treu sorgende Verlegergattin mit dem beträchtlichen Altersunterschied zu einem älteren Mann. Direkt aus pseudointellektuell anmutenden Gesellschafts-Szenen, die einem Woody-Allen-Film entsprungen sein könnten, katapultiert uns die Autorin unvermittelt in die skurrile Vergangenheit der Protagonistin. Dabei wechselt Rebecca Miller nicht nur von der erzählenden dritten Person zum Ich, sondern adaptiert auch ihren Erzählstil, der amüsant zotig stellenweise an Henry Miller erinnert.

Mit Pippa Lee lernen wir einen Menschen kennen, der nie ein reales Selbstwertgefühl vermittelt bekommen hat. Ihr einziges Talent scheint die ungewöhnliche Interpretation ihrer Beobachtungen zu sein, die sie dem Leser in messerscharfen Sätzen preisgibt. Pippa suchte immer nach Menschen, die sie so spiegelten, wie sie sich selbst gerne sehen wollte. Unfreiwillig gefangen in diesem jahrelang erkämpften Selbstbild, gelingt es Pippa zum Schluss dann doch noch, den Schlägen des Schicksals den Rücken zu kehren und aufzubrechen - zu neuen Ufern. Nicole M. Susca

Mein Lieblingssatz: "Manchmal war es ihr fast unerträglich, über das Geheimnis anderer Menschen nachzudenken: In jedem von ihnen waren Räume in Räumen verborgen, ein unendliches Labyrinth widersprüchlicher Eigenschaften, Erinnerungen, Wünsche, die einander spiegelten wie in einer Zeichnung von Escher, verwirrend wie ein Vexierbild."

Wofür sich der Roman besonders eignet: Das Buch ist eindeutig ein Fall für die Couch. Nicht nur im übertragenden Sinne - denn so schnell lässt Pippa Lee niemanden mehr los.

Die wirklich wichtigen Dinge im Leben sind ganz einfach - Rezension von Leserin Cornelia Stolz

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Auch im Leben der fünfzigjährigen Pippa Lee, das wie ein Film vor uns abläuft: kuschelig-heimelig als kleines Mädchen, aufgeregt-begehrlich, fehlgetreten in der Jugend, erkenntnisvoll-aufgeblüht als junge Frau, nunmehr munter, zufrieden, angekommen.

Rebecca Miller breitet die Geschichte unterhaltsam vor uns aus: mit heiteren wie auch peinlichen Erlebnissen, die jeder kennt, vor allem aber mit völlig unverhofften Wendungen. Pippa erlebt unglaubliche, verrückte wie auch traurige und schmerzhafte Momente. Ihr Leben wird bevölkert von der kompliziert-aufgedrehten Mutter, dem pastoralen Vater, den gutmütig-dumpfen Brüdern, der lesbischen Tante, Liebhabern aller Couleur, ihrem Zwillingspärchen bis hin zum charismatischen Ehemann. Es ist, als fassten sie sich bei den Händen und tanzten einen Reigen um Pippa und sie steht in der Mitte, umschlungen, gefangen und doch seltsam unberührt.

Pippa erscheint uns jugendlich-leicht ohne zu pubertieren. Wie ein junger Mensch staunt, bewundert, träumt und wagt sie immer wieder das Neue, das aber mit großer Weisheit. Eben diesem Reiz erlag auch ihr Ehemann Herb: "Man kann erfahren und süß sein. Ich spreche von innerer Qualität. Es ist lange her, dass ich sie bei einem Menschen entdeckt habe." Doch selbst für ihn wird sie am Ende nicht fassbar sein. Die Menschen in ihrer Nähe scheinen vor ihren Problemen davonzulaufen oder sich auf die eine oder andere Weise zu betäuben. So nicht Pippa, "sie läuft nicht davon, sie geht fort."

Ein Buch für die, die das Wichtige im Leben kennen und das Besondere im Einfachen schätzen.Cornelia Stolz

Wenn etwas zu Ende geht, fängt gleichzeitig etwas Neues an - Rezension von Leserin Birgit Kugler

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Pippa Lee, um die 50 Jahre alt, ist als dritte Ehefrau des 30 Jahre älteren Herb seit Jahrzehnten glücklich verheiratet. Auf seinen Wunsch verkaufen sie ihre Besitztümer und ziehen in eine Ruheständler-Siedlung. Sie langweilt sich in der betulichen Umgebung und fragt sich, ob es das jetzt war.

Sie lernt Chris, den 20 Jahre jüngeren Sohn einer Nachbarin kennen, fühlt sich auf eigentümliche Weise zu ihm hingezogen. Durch ihn kommen Erinnerungen an die wilden Jahre ihrer Jugend hoch.

Pippa wuchs als Pfarrerstochter auf, die Mutter liebte sie abgöttisch, war jedoch ständig auf Speed. Pippa machte noch minderjährig ihre ersten sexuellen Erfahrungen mit einem Lehrer, die Affäre flog auf, der Lehrer von der Schule. Hier ist der erste radikale Wechsel in Pippas Leben. Sie bricht die Schule ab, flüchtet zu ihrer Tante und rutscht ins Drogenmilieu mit sexuellen Ausschweifungen ab. Sie lebt ziellos in den Tag hinein.

Bis sie Herb kennen und lieben lernt. Der zweite Wandel. Sie nimmt keine Drogen mehr und findet sich in die Rolle der Mutter von Zwillingen und perfekten Ehefrau ein. Nach all den Jahren steuert Pippa auf die dritte einschneidende Änderung ihres Lebens zu. Mehr soll hier jetzt nicht verraten werden, sonst ist die Spannung weg.

Rebecca Miller hat in ihren Roman einiges gepackt: Mutter- Tochter-Beziehungen, Abnabelungsprozesse vom Elternhaus, Erwartungshaltung von Kindern an Eltern und andersrum, Probleme von Paaren mit großen Altersunterschieden, Beziehungsfragen, sexuelle Ausschweifungen unterschiedlichster Art, Themen ums Älterwerden, Sinnfrage und -suche. Bei dieser Vielfalt bleibt leider vieles ungesagt und an der Oberfläche. Etwas mehr Tiefe hätte der Nachhaltigkeit des Romans nicht geschadet. Birgit Kugler

Meine Lieblingspassage: "Wir schauten einander an und lachten, wir lachten so sehr und wandten uns einander zu, ein Kreis von Menschen, die zueinandergehörten und zu niemandem sonst. Das war der Augenblick, in dem ich uns zu einer Familie werden spürte, eine Einheit abgesondert von der Welt." (Seite 288)

Wofür eignet sich das Buch: "Die gravierenden Lebensänderungen von Pippa Lee eignen sich als Lektüre passend zu den Jahreszeitenwechseln symbolisch mit Ende und Neubeginn."

Identitätskrise und Neuanfang - Rezension von Leserin Silke Schulz

Pippa Lee ist Anfang fünfzig, als ihr 30 Jahre älterer Mann Herb beschließt, ihr Leben in New York zugunsten einer Seniorensiedlung aufzugeben. Herb ist ein angesehener Verleger, der jedoch zunehmend körperlich verfällt. Seine Frau dagegen gilt allgemein als der Inbegriff einer perfekten amerikanischen Ehefrau, Mutter und Gastgeberin, die stets auf das Wohl anderer bedacht ist. Irritiert durch die neue Umgebung und die Tatsache, dass zwischen den Ehepartnern eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses stattgefunden hat, beginnt Pippa sich auf sehr subtile Weise wieder mit ihrer Vergangenheit zu beschäftigen. In Rückblenden kristallisiert sich heraus, dass sie in ihrer Jugend eine sehr rebellische Person war, geprägt durch eine komplizierte Mutter-Tochter-Beziehung und mit einem Hang zu Grenzerfahrungen. Erst als sie auf ihren späteren Ehemann trifff, ist sie bereit ihr Leben zu ändern. In den darauffolgenden Jahren bringt Pippa ihrer Familie zuliebe viele Opfer und verbirgt ihr früheres Ich hinter einer sorgsam aufgebauten, neuen Identität. Im Hier und Jetzt werden im weiteren Verlauf der Geschichte die Karten noch einmal neu gemischt und Pippa muss sich entscheiden, welche Art Leben sie diesmal für sich wählt ...

Rebecca Miller ist mit "Pippa Lee" ein sehr unkonventionelles, unterhaltsames und kluges Frauenporträt mit einem überraschenden Ende gelungen. Einzig die Geschehnisse im mittleren Teil, in dem es um die junge Pippa geht, empfand ich teilweise als etwas unglaubwürdig und überzogen. Gefallen hat mir, dass die Geschichte nie ins Kitschige oder Sentimentale abgleitet und durch die Schlichtheit und Prägnanz der Sprache sehr angenehm zu lesen ist. Silke Schulz

Mein Lieblingssatz: "Manchmal war es ihr fast unerträglich, über das Geheimnis anderer Menschen nachzudenken: In jedem von ihnen waren Räume in Räumen verborgen, ein unendliches Labyrinth widersprüchlicher Eigenschaften, Erinnerungen, Wünsche, die einander spiegelten wie in einer Zeichnung von Escher, verwirrend wie ein Vexierbild." (S.49)

Wofür eignet sich das Buch: "Pippa Lee" kann zu jeder Zeit und an jedem Ort gelesen werden. Wer also offen ist für einen erfrischend anderen Roman, wunderbar leicht und tragikomisch geschrieben, mit Tiefgang sowie skurrilen Charakteren und keine Berührungsängste mit Themen wie experimentellem Sex, Drogen und Tod hat, der sollte sich das Buch so schnell wie möglich zulegen. Ebenfalls empfehlenswert für alle, die sich die Frage nach der Bewahrung der eigenen Identität trotz Ehe und Mutterschaft schon oft gestellt haben und gern ein paar Antworten hätten!

Viele Dramen und ein Todesfall - Rezension von Leserin Eva-Maria Meyer

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Es gibt viele Mutter-Tochter-Dramen. Dieses hier ist ein besonders düsteres. Zu Beginn fragt man sich: Warum nur ist diese Pippa Lee mit einem 30 Jahre älteren Mann verheiratet? Warum gibt sie sich so unscheinbaren Hobbys wie dem Vögelbeobachten hin?

Antworten darauf erhält man in ihrer Lebensgeschichte. Ihre Mutter liebt sie abgöttisch und egoistisch. Bis Pippa deren Drogenkonsum aufdeckt. Von da an verliert sie jede Achtung vor der Mutter, sucht aber gleichzeitig anderswo verzweifelt nach Liebe und Geborgenheit. Sie versucht, sie durch Drogen, Sexexzesse und ein alternatives Künstlerleben heraufzubeschwören.

Auf einer der zahllosen Partys lernt sie den Verleger Herb kennen, er rettet sie aus ihrem alten Leben, trennt sich von seiner Frau, die sich daraufhin umbringt. Als Pippa sich jetzt in einer Seniorensiedlung eingelebt hat, kommt es zu einem neuen Drama, das Pippa schließlich die Kraft gibt, aus dem alten Mutter-Tochter-Schema auszubrechen und das Verhältnis zu ihrer eigenen Tochter zu bereinigen - ohne Angst vor einer Wiederholung der eigenen Vergangenheit.

So banal das alles klingt, so wird es von Rebecca Miller tatsächlich beschrieben. Einige Episoden erscheinen sehr plastisch vor dem Auge des Lesers, vieles aber wird nicht ausgeführt und bleibt so oberflächlich. Gerade der Wandel im Leben der Pippa Lee kann schwer nachvollzogen werden. Auch wird immer wieder erwähnt, Pippa Lee sei "fast von Anfang an ein sexuelles Wesen" gewesen, aber die SM-Erfahrungen als einzig ausgeführte Facette wirken wie zur Abrundung ihres Psychogramms konstruiert.

Dennoch macht das Buch Mut, jeden Wandel als Chance aufzufassen und es zuzulassen, dass sich der Schein immer mehr dem eigenen Sein anpasst. Das Gegenteil drückt mein Lieblingssatz vom Anfang des Buches aus: "Das wünschte sich Pippa schließlich auch für sich selbst: So akzeptiert zu werden, wie sie dem Anschein nach war." (S. 49) Eva-Maria Meyer

Pippa in allen Lebenslagen - Rezension von Leserin Sigrid Schönberg-Fiebig

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Pippa sieht das Leben mit dem Herzen.

Rebecca Miller schildert uns das Leben einer neugierigen, lebensoffenen, lebensbejahenden Frau, die das Leben auf sich zukommen lässt und die Chancen ergreift, wenn sie sich ihr bieten. Lange bevor ihr Verstand die Möglichkeiten begreift, sie abwägen könnte, ist sie emotional schon gebunden.

Der Zufall verhilft ihr zu einem gesellschaftlichen Aufstieg, den sie wie selbstverständlich lebt. Trotzdem hat man nie den Eindruck, dass sie passiv ist. Sie bringt sich in jeder Lebensphase aktiv ein, ist eine Bereicherung für ihre Umgebung, gerade weil sie sich immer treu bleibt.

Fast unmerklich wird Pippa zur Erzählerin, berichtet rückblickend ihre Geschichte, um dann wieder in der Gegenwart von außen betrachtet zu werden. Dies alles passiert in einem Alter, in dem sich ihr Leben wieder ändern soll. Ihr Lebensrhythmus hat sich verlangsamt, sie ist jetzt 50 Jahre alt und wirft nicht wie bei den vorherigen Veränderungen alles über Bord. Es sind Werte hinzugekommen, Brücken bleiben. Doch das Leben hat wieder nachgeholfen. "Ich ...lasse mich sozusagen ein Stück mitnehmen." "Ich fahre nicht in den Sonnenuntergang davon... Ich warte nur ab, was als nächstes passiert."

"Pippa Lee" geht immer - ob auf der sonnigen Terrasse oder an verregneten Herbstwochenenden. Entscheidend ist nur, dass man als Leser Lust hat, sich auf ein anderes Leben einzulassen.

Rebecca Miller schreibt realistisch genug, um glaubwürdig zu sein, gleichzeitig ist die Geschichte weit genug weg von unserem täglichen Leben, um zu faszinieren. "Pippa Lee" wird eines von den Büchern sein, in das ich meinen Namen vorne reinschreibe, damit es sicher den Weg zu mir zurückfindet, wenn ich es verliehen habe. Sigrid Schönberg-Fiebig

Bleiben wir immer, wer wir sind? - Rezension von Leserin Bettina Rößler

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Kann ein Mensch willentlich seinen Charakter komplett verändern? Die Grundfesten seines Verhaltens? Ist es schädlich, zu anpassungsfähig zu sein? Zu gerne anderen Freude zu bereiten? Und liegt das nicht allen Frauen letztendlich in den Genen und der Erziehung zugrunde?

Pippa Lee wurde vom wilden, abenteuerlustigen Mädchen zu der Frau, die Mr. Lee in ihr zu sehen glaubt: fürsorgliche Mutter, perfekte Köchin und Gastgeberin, liebevolle Ehefrau. Bis zum Auszug der Kinder, deren Bedürfniserfüllung für sie zum Lebensinhalt wurde, konnte sie die Ehe wider besseren Wissens aufrecht erhalten. Nach dem Umzug nach "Runzeldorf", allein mit ihrem 30 Jahren älteren Mann und umgeben von älteren Menschen, beginnt sich ihr Unterbewusstsein zu sträuben und rüttelt den ach so ruhigen Alltag des Paares durch nächtliches Schlafwandeln unsanft auf. Doch letztendlich frei wird sie erst durch einen Ausbruch ihres Mannes ...

Die folgende Frage bleibt offen: Wer wird sie in Zukunft sein? Wird sie wieder zum Wunschbild eines anderen werden, um geliebt zu werden? Bettina Rößler

Mein Lieblingssatz: "Es war freundlicher, wenn man die Menschen so sah, wie sie gesehen werden wollten. Das wünschte sich Pippa schließlich auch für sich selbst: so akzeptiert zu werden, wie sie dem Anschein nach war." (S. 49)

Wofür eignet sich das Buch: Das Buch gibt Denkansätze, um über die eigenen Handlungsmuster nachzudenken und auch einen klaren Blick auf scheinbar klare Verhältnisse zu werfen, nur um die Fassade bröckeln zu sehen, bei jedem Schritt, den man näher an sie herantritt und diese analysiert.

Intensiv und mitreißend - Rezension von Leserin Evi Engl

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"Pippa Lee" ist - abgesehen von einem Band mit Kurzgeschichten - das erste Buch von Rebecca Miller, Tochter des Schriftstellers Arthur Miller. Hauptperson des Romans ist Pippa, 50 Jahre alt, die mit ihrem dreißig Jahre älteren Ehemann, einem erfolgreichen Buchverleger, aus Manhattan in eine Siedlung für Ruheständler zieht.

Die Mutter von erwachsenen Zwillingen merkt mehr und mehr, dass das beschauliche Leben nicht unbedingt das ist, wonach sie gesucht hat. Sie erinnert sich an ihre Kindheit und Jugend, wo sie Ähnlichkeit hatte mit einem Ruderboot auf rauer See, des Ruders beraubt, von der Autorin geschrieben, als hätte sie es selber erlebt. Das Leben mit einer Mutter , die süchtig nach Aufputschmitteln war, die ersten aufwühlenden sexuellen Erfahrungen , eine Beziehung mit einem ihrer Lehrer du schließlich der Bruch mit dem Elternhaus und das totale Chaos danach. Und nun findet sie Liebe und Geborgenheit in ihrer eigenen Familie. Aber diese sichere Welt scheint nun auch in Gefahr.

Mir gefällt an dem Buch besonders gut, dass der erste und dritte Teil in der dritten Person, der mittlere Teil in der Ich-Form geschrieben ist. Vom Ende sollte man allerdings nicht zuviel erwarten, ich finde es eine Spur zu klischeehaft. Evi Engl

Mein Lieblinssatz: "Was möchtest du sein , wenn du erwachsen bist?" "Nichts", sagte ich. "Du musst doch irgendein Talent haben", sagte Kat. Ich zuckte mit den Schultern. "Nicht jeder hat Talent."

Wofür eignet sich das Buch besonders gut ? Vor allen Dingen dahin mitnehmen, wo es von vielen Leuten gesehen wird, denn schon von der äußeren Aufmachung her ist es eine Wucht. Man kann es in jeder Situation lesen , entweder ungestört oder in den Pausen des Alltags.

Pippa Lee bricht auf - Rezension von Leserin Corinna Sandvoß

"Pippa Lee" lautet der Name der Protagonistin dieses Romans: eine attraktive Frau Anfang 50, glücklich verheiratet, hingebungsvolle Mutter, hochgeschätzt im Bekanntenkreis. Die Lees kennen keine materiellen Sorgen, gerade erst haben sie ein Haus in einer typisch amerikanischen Siedlung für betuchte Ruheständler bezogen. Es scheint, die Lees sind an ihrem Ziel angekommen.

Für den einen Endstation, erweist sich dieser Ort für andere als Ort des Aufbruchs: Es tun sich Risse auf, Risse wie Momente, in denen Pippa die Kontrolle über ihr Leben entgleitet. Und durch diese Risse bahnt sich die wahre Pippa ihren Weg. Wir sind Zeugen dieses Aufbruchs und eines oft haarsträubenden und tragischen Werdegangs zwischen dem Wunsch, gut zu sein, der Suche nach Liebe und dem Sehnen nach Freiheit: "Mir war zumute wie einer Novizin, die ihr Gelübde ablegt. Als ich Herb heiratete, schlüpfte ich in eine neue Haut, es war meine letzte Chance, ein guter Mensch zu sein."

"Pippa Lee" kommt zunächst eher distanziert, fast oberflächlich daher; doch Rebecca Miller bringt ihre Heldin einfühlsam und unaufdringlich nahe. Ihre Erzählweise ist ausgesprochen reich an Bildern, wirkt niemals gekünstelt. "Pippa Lee" hat mich in ihrer Vielfalt beeindruckt und in ihrer Menschlichkeit berührt. Für mich war dieser Roman ein Buch für ruhige, entspannte Momente, mit ausreichender Gelegenheit, mich auf ihre bewegende Geschichte einzulassen. Corinna Sandvoß

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