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Früher, schlimmer, länger Warum sich die Heuschnupfen-Saison nicht nur schlimmer anfühlt

Eine Birke aus der Bodenperspektive
© Tobias / Adobe Stock
Die Sonne hat das erste Mal so viel Kraft, dass man – trotzdem noch gut eingepackt – eine Zeit lang draußen sitzen kann. Doch dann fängt es an: das Kribbeln, dann das Naserümpfen, ein lautes „Hatschi!“. Der wunderschöne Frühling schleppt auch in diesem Jahr sein ungeliebtes Anhängsel mit – die Frühblüher. Und irgendwie sind sie tatsächlich noch früher dran als sonst, oder?

Mittlerweile ist der Frühling in vollem Gang. Kalendarisch seit dem 20., meteorologisch schon seit dem 1. März. Und spätestens seitdem, aber eigentlich fast schon früher, ist ein Tag ohne zu niesen, zu schnauben oder zu husten kaum mehr drin. Das Nasenspray steht bereit, das Asthmaspray ist mein täglicher Begleiter. Je nachdem, wo es hingeht, überlege ich, ob es sich überhaupt lohnt, die Augen zu schminken. Das Treffen findet draußen statt? Nee, dann lieber kein Mascara, sonst sehe ich am Ende wieder aus wie ein Panda.

Hat die Allergiezeit in diesem Jahr früher begonnen?

Um mich rum höre ich immer wieder: "Ja, in diesem Jahr ist es besonders schlimm". Oder: "Bei mir hat es auch viel früher angefangen als sonst". Ich glaube das auch, meine Nase war sonst nicht durchgehend geschwollen und zumindest der Husten war früher eigentlich nur sporadisch. Ist an den Vermutungen also etwas dran?

Zu den Frühblühern, gegen die viele allergisch sind, gehören die Hasel-, Erlen- und Birkenpollen. Sie werden mit als Erstes aktiv und fliegen schon im Februar oder März durch die Luft. In der Kleinstadt Geisenheim im Rheingau-Taunus-Kreis in Hessen werden die Knospen der verschiedenen Pflanzen ganz genau unter die Lupe genommen, so "Die Zeit". Bereits am 5. Januar öffnete sich die erste Knospe einer Hasel. Im Durchschnitt erblühte sie zwischen 1949 und 2023 jedoch erst am 3. Februar.

Das frühe Blühen der Hasel ist ein Symptom des Klimawandels

Also ist es anscheinend doch keine Einbildung, dass ich auf einmal das ganze Jahr mit irgendwelchen Allergenen zu tun bekomme. Denn wer unter einer Allergie gegen Frühblüher leidet, ist meist auch kein:e Freund:in von Gräsern – zumindest medizinisch betrachtet. Neben Kreuzallergien bei Lebensmitteln, auf die Betroffene unbedingt achten sollten, können die meisten Menschen, die schon im Februar und März schniefen, das Taschentuch auch im Sommer und Herbst nicht beiseitelegen.

Die immer früher blühenden Pflanzen sind ein Symptom des Klimawandels. "In den mittleren und höheren Breiten der Nordhalbkugel haben sich Blüte und Blattentfaltung zuletzt pro Jahrzehnt um einen bis vier Tage verfrüht", so "Die Zeit". Zu diesen Daten haben unter anderem auch die Menschen in Geisenheim beigetragen, die seit Jahrzehnten Pflanzen beobachten. Der Deutsche Wetter Dienst (DWD) unterteilt das Jahr nicht in vier, sondern in zehn sogenannte phänologische Jahreszeiten. Eine davon ist der Vorfrühling, der beginnt, wenn die Hasel das erste Mal blüht. Tut sie dies früher als sonst, beginnt auch die Allergie-Saison früher.

Wetterextreme wie starke Hitze und Gewitter können Allergiker:innen stark belasten

Die Klimaerwärmung sorgt dafür, dass wir immer mildere Winter bekommen. Schnee ist dabei mittlerweile eine Ausnahme. Das warme Wetter belebt die Pflanzenwelt früher – Kälteeinbrüche bringen die Organismen dann wieder durcheinander. Die Birke trat in diesem Jahr beispielsweise erst später auf, da die Temperaturen nicht stabil blieben – sie braucht zehn Grad und mehr und das konstant. Die unterschiedlichen Wärme- und Kälteeinbrüche sowie die Wetterextreme bringen die Naturwelt durcheinander. Somit entzerrt sich der gesamte Zeitraum für Allergiker:innen. Ob auch eine verstärkte Intensität auftritt, können die Expert:innen aktuell noch nicht klären.

Der Klimawandel verursacht bei Mensch und Natur gleichermaßen Stress. In einem Bericht der medizinischen Universität Wien heißt es, dass zahlreiche Allergene "vermehrt produziert werden, wenn die Pflanzen unter Stress stehen", so Barbara Bohle, Leiterin des Instituts für Pathophysiologie und Allergieforschung. So hätten mehrere Studien gezeigt, dass gestresste Birken deutlich höhere Mengen ihres Hauptallergens produzieren und die Reaktionen von Allergiker:innen ebenfalls stärker waren. Zu Stressfaktoren zählen: Hitze, Trockenheit, Nahrungskonkurrenz, erhöhte Belastung durch Umweltschadstoffe wie Ozon, Schwefel- und Stickoxide.

Umweltschäden können ebenfalls einen Einfluss auf die Allergien haben

Hinzu kommt, dass nicht nur die Pollen alleine sich verstärken, sondern die Umweltschäden an sich für Allergiker:innen ebenfalls problematisch sind. Luftschadstoffe haben beispielsweise einen direkten schädlichen Einfluss auf die Atemwege und können die allergischen Symptome verstärken.

Auch die Zunahme von Wetterextremen ist ein Symptom des Klimawandels und hat direkt etwas mit der Belastung von Allergiker:innen zu tun. Anhaltende Hitzeperioden können gerade für Asthmatiker:innen besonders schädlich sein. Bei anhaltend hohen Temperaturen ist die Luft stark durch Feinstaub und Ozon belastet, was direkt zu Anfällen führen kann. Gleichzeitig verschlechtert sich die Schlafqualität, der Organismus kann sich nicht ausreichend erholen und wird daher durchlässiger und demnach auch anfälliger für Pollen.

Viele freuen sich dann über ein hoffentlich erlösendes Sommergewitter. Für Allergiker:innen ist es jedoch erst mal schlimmer, bevor Besserung eintritt. Durch den Regen quellen die Pollen auf und platzen, wobei eine große Menge Allergene freigesetzt werden – das Risiko für eine Asthma-Attacke ist dann sehr hoch.

Hinter den Vermutungen stehen also tatsächlich Fakten. Der Klimawandel sorgt dafür, dass die Frühblüher deutlich früher beginnen und die Pflanzenwelt auch insgesamt immer früher erwacht. Ob die Pollenbelastung an sich stärker ist, lässt sich zwar nicht genau vorhersagen, aber in Kombination mit anderen Umweltbelastungen scheinen Betroffene immer stärker unter ihren Allergien zu leiden. Wer dann noch eine Hausstauballergie hat, der:die hat das ganze Jahr abgedeckt!

Verwendete Quellen: "Die Zeit" Nr. 19 "Immer-früher-blüher – Die Hasel wartet nicht", allergiecheck.de, timeanddate.de, meduniwien.ac.at

Brigitte

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