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Viel Lärm - und weiter?

Alles wird lauter, und Lärm macht krank - vor allem Frauen.

Letzte Woche hatten wir den Tag des Lärms, doch für die meisten von uns ist jeder Tag ein Tag des Lärms. Denn unsere Umwelt wird immer lauter: nach einer Studie des Umweltbundesamtes fühlen sich mittlerweile 80 Prozent der Deutschen durch Lärm belästigst. Das sind weitaus mehr als noch vor zwanzig Jahren und Grund dafür ist vor allem der ständig zunehmende Verkehr auf Straße, Schiene und in der Luft.

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Zwar sind Autos deutlich leiser geworden und neue Straßenbeläge dämpfen die Fahrgeräusche. Aber das alles nützt nichts, wenn immer mehr Fahrzeuge auf unseren Straßen rollen. Gleichzeitig kreisen über uns immer mehr Flugzeuge. Viele Flughäfen sind in den letzten Jahren ausgebaut worden und die Zahl von Starts und Landungen erhöht sich stetig.

Allen, die am Boden bleiben, geht der Lärm der Turbinen gehörig auf die Nerven. Denn gerade Geräusche aus der Luft stören mehr, als sich am rein physikalischen Schallpegel messen lässt. Flugzeuglärm belastet besonders, weil er schlecht lokalisierbar ist und deswegen bedrohlicher wirkt als "ebenerdiger" Verkehrslärm. Die Folge: wir können uns schlechter konzentrieren und unsere geistige Leitungsfähigkeit sinkt.

Eine europäische Studie mit über 2000 Kindern aus vier Ländern zeigte: je lauter Flugzeuge über den Klassenzimmern dröhnen, desto schlechter lernen Schüler lesen. Als der Münchner Flughafen vor rund zehn Jahren verlegt wurde, sanken in den neuen Einflugschneisen neben dem Lesevermögen auch Gedächtnisleistung und Motivation der Schüler. Umgekehrt verbesserten sich die Kinder, die neben den stillgelegten Landebahnen nun endlich wieder ihre Ruhe hatten.

Lärm beeinträchtigt aber nicht nur unsere Psyche, sondern bedeutet auch Stress für den ganzen Körper. Offensichtlich leidet vor allem die Gesundheit von Frauen: in einer lauten Umwelt zu leben, erhöht das Risiko eines Herzinfarktes bei Frauen um mehr als das dreifache und damit um deutlich mehr als bei Männern, so eine Studie der Berliner Charité. Nachts sind unsere Ohren sogar noch empfindlicher: dann gefährdet schon Straßenlärm von 55 Dezibel (der Richtwert beträgt übrigens 65 Dezibel) Herz-Kreislaufsystem, Immunsystem und Stoffwechsel.

Eine weitere Untersuchung zeigte, dass Ärzte rund um den Flughafen Köln-Bonn, für den kein Nachtflugverbot besteht, deutlich mehr Blutdrucksenker, Kreislaufmedikamente und Schlafmittel verschreiben als in ruhigeren Wohngegenden. Die Medikamentenverordnungen stiegen dabei bei Frauen deutlich höher als bei Männern, zum Teil sogar um mehr als das Doppelte.

Das Problem ist also bekannt: Lärm macht krank. Die WHO bezeichnet ihn deshalb auch als Umweltverschmutzung und nennt zum Schutz unserer Gesundheit deutlich niedrigere Schallgrenzwerte für Tag und Nacht als heute bestehen. Auch die europäische Umgebungsrichtlinie schreibt den Städten und Gemeinden vor, den Lärmpegel zu senken. Und damit soll es nun endlich losgehen: Nachdem zunächst eine Kartierung der Geräuschbelastung erfolgte, müssen nun bis Mitte Juli sogenannte Lärmaktionspläne aufgestellt werden.

Man darf gespannt sein, wie diese aussehen. Denn Lärmschutzmaßnahmen sind teuer und unpopulär - sobald sie gegen Wirtschaftsinteressen stehen. Besonders dann, wenn sie eine Einschränkung auf Seiten der Krachmacher selbst bedeuten, wie zum Beispiel Geschwindigkeitsbegrenzungen. Vor allem Anwohner von Einflugschneisen, die sich über den zunehmenden Lärm beschweren, gelten oft als Spielverderber, denn wachsende Flughäfen bringen Arbeitsplätze und Geld in öffentliche Kassen.

Vor gut hundert Jahren prophezeite der Nobelpreisträger Robert Koch, der Mensch werde den Lärm eines Tages ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Cholera und die Pest. Für viele ist dieser Punkt längst erreicht, doch bis jetzt fand ihr Wunsch nach Ruhe kaum Gehör. Bleibt zu hoffen, dass sich dies ab Sommer ändert.

Welcher Lärm nervt Sie?

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Text: Antje Kunstmann Foto: Silke Goes Illustration: Tim Möller-Kaya

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